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Relativitätstheorie

Speziell, Allgemein und Kosmologisch

AutorWolfgang Rindler
VerlagWiley-VCH
Erscheinungsjahr2016
Seitenanzahl450 Seiten
ISBN9783527693719
FormatePUB
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis39,99 EUR


Prof. Wolfgang Rindler ist theoretischer Physiker, der grundlegende Beiträge zur Relativitätstheorie gebracht hat. Er studierte an der Universität Liverpool und promovierte am Imperial College in London. Er forschte anschließend an der Cornell University und am Southwest Center for Advanced Studies, der späteren University of Texas at Dallas, wo er noch heute Professor ist. Außerdem war er Gastprofessor am King's College London, an der Universität La Sapienza in Rom, an der Universität Wien und an der Cambridge University.
Seine Forschung konzentriert sich auf relativistische Kosmologie und grundlegende Probleme der Relativitätstheorie. In der Allgemeinen Relativitätstheorie führte er den Begriff Ereignishorizont ein und ist für die Rindler-Koordinaten im Minkowski-Raum bekannt.

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Leseprobe

1
Vom absoluten Raum und von absoluter Zeit zur dynamischen Raumzeit: Ein Überblick


1.1 Definition, Beschreibung und Ursprünge der Relativitätstheorie


Die beiden einsteinschen Relativitätstheorien (seine Spezielle Relativitätstheorie, SRT, von 1905 und die Allgemeine Relativitätstheorie, ART, von 1915) sind die modernen physikalischen Theorien von Raum und Zeit. In ihnen sind die newtonschen Konzepte vom absoluten Raum und von der absoluten Zeit ersetzt durch eine 4-dimensionale Raumzeit, und in ihnen spielt die Lichtgeschwindigkeit c eine bestimmende Rolle. Wir nennen Einsteins Theorien ganz explizit physikalische Theorien, da sie den Anspruch erheben, reale Strukturen in der realen Welt zu beschreiben und physikalische Aussagen zu treffen, die sie der möglichen Widerlegung durch Experimente aussetzen.

Da alle (oder wenigstens alle klassischen) physikalischen Prozesse auf einem Raum- und Zeithintergrund stattfinden, müssen die Gesetze der Physik immer mit den akzeptierten Theorien von Raum und Zeit kompatibel sein. Wenn man also den Hintergrund ändert, so muss man die Physik anpassen. Dieser Anpassungsprozess führte auf die ‚relativistische‘ Physik, das heißt auf die physikalischen Gesetze die in der Raumzeit gelten. In fast allen Fällen gelangen beim Übergang von der klassischen zur relativistischen Physik die erforderlichen Anpassungen der Gesetze durch die Zielsetzung, nur so viel wie eben nötig zu ändern und so elegante Gesetze wie möglich zu formulieren. Dieser Übergang war eine rein geistige Leistung, doch vom Beginn weg führte er auf zahlreiche erstaunliche Vorhersagen, wie etwa die Zunahme der Masse eines Teilchens mit dessen Geschwindigkeit (wo die Masse gegen unendlich geht wenn die Geschwindigkeit sich c nähert) oder die berühmte Gleichung E = mc2.

Die Lichtgeschwindigkeit ging von nun an, durch ihre Präsenz in der Struktur der Raumzeit, in alle Bereiche der Physik ein, sogar in die Mechanik. Und doch wurden die Vorhersagen all dieser neuen relativistischen Gesetze später, und sehr präzise, experimentell bestätigt. Einer der Gründe, weshalb die klassischen, prärelativistischen Gesetze zu ihrer Zeit so gut funktionierten, ist, dass es noch keinerlei Beobachtungen von Systemen gab, die sich mit wirklich großen Geschwindigkeiten bewegen – damit sind Geschwindigkeiten gemeint, die mit der Lichtgeschwindigkeit vergleichbar sind. Und nur in diesen Fällen weichen die Vorhersagen der relativistischen Physik signifikant von jenen der klassischen Physik ab. In ‚nicht-relativistischen‘ Fällen, in denen die neuen und die alten Gesetze praktisch gleich sind, werden die alten Gesetze auch heute noch wie selbstverständlich verwendet.

Die einsteinsche Relativität wurzelt in der ‚newtonschen Relativität, welche wiederum über Galilei bis auf Kopernikus zurückgeht. (Die Lebenszeit Kopernikus’ umfasste das Jahr 1500, die Lebenszeit von Galilei das Jahr 1600 und jene von Newton das Jahr 1700.) Kopernikus ist vor allem dafür in Erinnerung, dass er unser Weltbild vom ‚geozentrischen‘ zum ‚heliozentrischen‘ Weltbild änderte. Als man die Erde noch als unbewegtes und nicht-rotierendes Zentrum der Welt ansah, musste man konsequenterweise annehmen, dass sich die Sterne und der gesamte Sternenhimmel einmal pro Tag um die Erde drehen mussten, während die Sonne, die die Planeten mit sich mit zog, zusätzlich noch, relativ zum Sternenhimmel, eine jährliche Umlaufbewegung um die Erde vollführte. Die doppelt epizyklischen Bahnen, die zur Beschreibung dieser Bewegung nötig waren, waren unglaublich kompliziert. Kopernikus zeigte, dass allein ein Wechsel der Koordinaten im Raum der Fixsterne, nämlich die Wahl der Sonne statt der Erde als Ursprung und die Wahl von Koordinatenachsen die sich relativ zu den Fixsternen nicht bewegen, die Geometrie und die Physik des Sonnensystems drastisch vereinfachten. Die Erde konnte so als ein Planet wie die anderen auch erkannt werden, und die Planetenbahnen ergaben sich in diesem Fixsternsystem als einfache umlaufende Bahnen um die Sonne. Dieses Weltbild ermöglichte schließlich Kepler die genaue Ausformulierung der Planetenbahnen in seinen drei berühmten Gesetzen der Planetenbewegung, und diese wiederum konnten später von Newton mithilfe seiner neuen Theorie der Gravitation begründet werden.

Allein die ‚Schönheit‘ des kopernikanischen Weltbilds reichte aus, jene, die für solche Schönheit empfindlich sind, zu überzeugen. Die große Mehrheit jedoch konnte nicht so leicht überzeugt werden, ihre tief eingewurzelten Vorurteile zu verwerfen. Denn es ist ja wirklich die simpelste und am natürlichsten erscheinende Sicht der Dinge, die Welt als unbeweglich anzusehen; schließlich ist von einer Bewegung nichts zu spüren. Die Akzeptanz der kopernikanischen Ideen ging also nur langsam vonstatten, und so war es auch mit dem aktivem Widerstand gegen sie. Als dieser kam, war er aber gewaltig, vor allem von Seiten der Kirche, die ihre eigene Existenzberechtigung schwinden sah, wenn ihr zentrales Dogma fallen sollte. Die Erde muss speziell und das Zentrum sein, um Gottes Aufmerksamkeit Wert zu sein.

Freilich, Kopernikus hat nie physikalisch bewiesen, dass die Erde sich bewegt. Foucault kam hier 400 Jahre zu spät! Kuppeln, an denen man ein foucaultsches Pendel hätte aufhängen können, hätte es genug gegeben – etwa das antike römische Pantheon. Ein solches Pendel hätte mit praktisch derselben Genauigkeit, wie sie heute erreicht wird, die Rotation der Erde schnell und überzeugend beweisen können, und hätte auf diese Weise zahlreiche tapfere Menschen vor dem Tod auf dem Scheiterhaufen bewahrt, zu dem sie verdammt wurden weil sie an eine unbewiesene Ketzerei glaubten.1) Der letzte, der so sterben musste, war im Jahr 1600 Giordano Bruno.

Aufgrund des damaligen Wissensstands gab es jedoch auch rationale Vorbehalte gegen die Vorstellung von einer bewegten Erde. Die Philosophen und Mathematiker hingen noch immer an der 1800 Jahre alten, falschen aristotelischen Vorstellung, dass ein Körper sich nur dann gleichförmig bewegt, wenn er eine Kraft erfährt: Ein (kräfte)freier Körper würde langsamer werden und schlussendlich zur Ruhe kommen. Angesichts der riesigen Geschwindigkeit, die die Erde haben müsste um die Sonne in einem Jahr zu umrunden (etwa 30km/s), schien es nicht vorstellbar, dass eine solche Bewegung oder auch nur die Rotation der Erde keine spürbaren Auswirkungen hätte. Ein in einem Raum auf dem Boden liegender Ball z. B. müsste sich zu der in Bewegungsrichtung hinten liegenden Wand hinbewegen, da er sich ansonsten zusammen mit dem Raum gleichförmig durch den Raum bewegen müsste; aber es wirkt ja keine Kraft auf ihn. (Natürlich bewegt sich der Raum nur näherungsweise gleichförmig.) Fliegen und Schmetterlinge in diesem Raum würden auf die in Bewegungsrichtung hinten liegende Wand klatschen; und Wassertropfen, die von der Decke fallen, würden zu dieser Wand hin fallen; die Fische im Fischglas hätte größere Schwierigkeiten in die eine Richtung zu schwimmen als in die andere, und so weiter. Nichts von alledem wird beobachtet.

Diese Schwierigkeiten wurden nicht zufriedenstellend überwunden, bis sich etwa 80 Jahre nach Kopernikus‘ Tod im Jahr 1543 Galileo Galilei ihnen zuwendete. Nach vielen Experimenten mit rollenden Kugeln auf schiefen Ebenen, mit Pendeln und ähnlichem, und nach vielen tiefgründigen Gedanken, verkündete Galilei schließlich seine ungemein wichtige Erkenntnis, die zweitausend Jahre falschen Glaubens umstürzten: Ein bewegter Körper verbleibt in gleichförmiger Bewegung (das heißt in einer Bewegung mit konstanter Geschwindigkeit entlang einer geraden Linie), außer wenn eine Kraft auf ihn wirkt. Nun konnte sich rasch die moderne Wissenschaft der Mechanik entwickeln.

Mit seinem neuen Gesetz beseitigte Galilei schnell die grundlegenden Paradoxien des kopernikanischen Weltbilds. Der auf dem Boden liegende Ball würde nicht nach hinten rollen, fallende Wassertropfen würden nicht seitwärts fallen, und so weiter. Um diese Schlussfolgerungen weniger theoretisch erscheinen zu lassen, verwendete Galilei eine schöne und aus der Erfahrung genommene Analogie: Stelle Dir ein im Hafen vertautes Schiff vor. Du gehst abends an Bord und schläfst in Deiner Kabine ein. Das Meer ist außerordentlich ruhig und der Wind außerordentlich stetig, als das Schiff des Nachts in See sticht. Also Du aufwachst, ist das Fenster verhangen, Du kannst nicht raus schauen und Du fragst Dich, ob das Schiff abgelegt hat oder nicht. Kann man das feststellen? Du weißt aus der Erfahrung, dass es nicht geht! Nichts rollt auf dem Boden, die Fliegen fliegen unbeirrt, Du gießt Dir Deine Tasse Tee ein ohne dass der Tee seitwärts aus der Kanne läuft. Was immer Du tust, es wird nicht anders ablaufen als wenn das Schiff in Ruhe wäre. Zusammengefasst ist nach Galilei die Physik in allen gleichförmig bewegten Kabinen dieselbe. Und Galileis Erklärung hierfür ist, dass alles, was in der Kabine ist, eingeschlossen die Luft, die gleichförmige Bewegung der Kabine mitmacht. Galileis Erklärung umfasste jedoch keine Abläufe wie ein Billard- oder ein Tennisspiel in einer solchen Kabine (auf...

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