Wie geht eigentlich Coachen?
Dazu gibt es viele verschiedene Meinungen – oder nennen Sie es »Schulen«. Ich möchte deshalb vor allem von meiner Art zu coachen sprechen, also dem »Lösungsorientierten Kurzcoaching« (LOKC). Lassen Sie mich vorher dazu eine kleine Geschichte erzählen:
Ihre Nachbarin ist unzufrieden. Sie beklagt sich bei Ihnen über ihren Mann, der zu Hause fast nichts macht: »Der steht vorm offenen Kühlschrank und findet die Butter nicht.« Und über die beiden Söhne, die ihm eifrig nacheifern: »Mama, wo sind meine Fußballschuhe?« Sie beklagt sich über ihren Halbtagsjob in einer kleinen Firma, »das ist doch nichts Vernünftiges«. Sie beklagt sich über eine Kollegin, die sie »mobbt«. Und überhaupt …
Wie lange und wie oft können Sie sich das anhören? Vielleicht reicht die Spanne von »Geh mir bloß weg« bis »Ja, sie hat ja sonst niemanden, die arme Frau«. Wenn Sie ein netter Mensch sind, hören Sie ihr immer wieder geduldig zu, nicken, stoßen unterstützende Grunzlaute aus wie »Mhm«, »Nja«, »Aha« und hoffen, dass Sie auch mal zu Wort kommen. Wenn Sie nicht ganz so nett sind, meiden Sie irgendwann jedes Zusammentreffen, denn die Nachbarin jammert ja nur und ändert nichts.
Menschen brauchen andere Menschen als verständnisvolle Zuhörer. Sie brauchen andere Menschen manchmal als Tröster, sie brauchen sie manchmal als Blitzableiter, sie brauchen sie manchmal als Klagemauer, sie brauchen sie manchmal als Mutmacher, sie brauchen sie manchmal als Ratgeber.
Und dann gibt es Situationen, da brauchen sie den anderen Menschen, um Auswege aus einer verfahrenen Situation zu finden. Oder um unbestimmte Sehnsüchte in konkrete Ziele zu verwandeln. Sie brauchen jemanden, der ihnen aus der Hilflosigkeit, der Wut oder der Ohnmacht heraushilft. Einen Menschen, der ihr Leid oder ihren Ärger, ihre Hilflosigkeit oder Orientierungslosigkeit, ihre Sehnsucht oder ihre Wünsche ernst nimmt und ihnen anbietet, sie in einem Gespräch unter vier Augen auf dem Weg zu einer Lösung der Misere zu begleiten. »Lieber Freund, ich schlage dir vor, dass wir uns mal einen Abend zusammen hinsetzen, und ich helfe dir gern dabei, mal zu überlegen, was du an deiner Situation verbessern könntest, damit du wieder zufriedener wirst.«
Das nennt man Coachen.
Ich weiß, dass mir jetzt manche Coach-Kollegen vehement widersprechen würden. »Also, Frau Asgodom, das ist doch sehr stark vereinfacht.«
Ja, das ist es. Denn ich habe dieses Buch nicht für Psychologen, Therapeuten oder Profi-Coaches, sondern für jeden Mann und jede Frau geschrieben.
Die gestrengen Kollegen würden sagen: »Das Coaching bedarf einer sorgfältigen Ausbildung mit einem psychologisch-therapeutischen oder systemischen oder einem neurolinguistisch-programmierten Hintergrund. Da dürfen Sie doch nicht Hinz und Kunz einreden, dass sie coachen könnten.«
Doch, ich kann.
Frau Hinz und Herr Kunz können durchaus sich und anderen Menschen helfen, Lösungen zu finden. Coachen ist keine Geheimmethode, in die man eingeweiht werden muss. Coaching ist keine Wissenschaft, die man über Jahre studieren muss. Coaching ist eine Kunst, die vor allem mit Aufmerksamkeit, Achtsamkeit und Mitmenschlichkeit zu tun hat.
Selbstverständlich werden dazu durchaus einige besondere Fähigkeiten verlangt:
- Spüren, worum es wirklich geht
- Reflektieren, was ist
- Bewusst werden, was mich (oder jemand anderen) drängt und/oder hindert
- Die Spielchen hinter der Geschichte erkennen (warum regt sich jemand so sehr über etwas/jemand anderen auf?)
- Alternativen für zukunftsgerichtetes Handeln entwerfen
- Perspektiven entwickeln
- Begeisterung für die eigenen Lösungen entwickeln
- Gedankliche Verknüpfungen erkennen
- Ja-aber-Ketten entwirren (»Ja, du weißt, was richtig wäre. Aber du tust es nicht.«)
Wie das im Einzelnen geht, davon handelt dieses Buch. Und noch mal ganz klar gesagt: Ich verkünde in diesem Buch nicht die ewige Wahrheit übers Coachen, sondern schildere meine Erfahrungen vor allem mit Kurzcoachings. Sie bieten die Möglichkeit, in kürzester Zeit auf Ideen zu kommen und relativ rasch umsetzbare Lösungen zu entwickeln. Und ich möchte Menschen, die ein Coaching-Talent haben – ja, das gibt es –, bestärken, etwas daraus zu machen. Die Amerikaner würden sagen »empowern«.
Meine Methode des »Lösungsorientierten Kurzcoachings« (LOKC), von mir auch populär »Highspeed-Coaching« getauft, eignet sich vor allem dafür, ganz klare Lösungswünsche blitzschnell umzusetzen. Das ist für meine eigene Arbeit sehr hilfreich, da meine Klienten meist beruflich sehr engagiert sind und nicht ewig Zeit haben, sondern zu den eher ungeduldigen und tatendurstigen Menschen gehören. Ich habe mit der LOKC-Methode bisher mehr als 700 Coaching-Klienten (meist in zwei- oder vierstündigen, seltener in achtstündigen Coachings) geholfen, die für sie richtigen Lösungen zu finden, darunter ganz konkret:
- ihren Traumjob zu finden
- Regierungsmitglied zu werden
- ihre Ehe zu retten
- Bestsellerautor zu werden
- schwierige berufliche Krisen zu meistern
- sich beruflich neu zu orientieren
- ihr Gehalt zu verdoppeln (und sogar zu verdreifachen)
- unglücklich machende Situationen ohne Aussicht auf Besserung zu verlassen
- ein Unternehmen zu gründen
- Konflikte mit ihren Eltern anzugehen
- ein Sabbatical zu nehmen und für ihre Entwicklung zu nutzen
- das Verhältnis zu KollegInnen zu verbessern
- ihre eigenen Lebenswünsche zu erkennen
- Klarheit für wichtige Entscheidungen zu schaffen
- befördert zu werden
- als Selbstständige den Umsatz erheblich zu steigern
Es geht also um wirkliche Lebensthemen, nicht um Petitessen, die trotz der Kürze zufriedenstellend besprochen werden und für die sich Lösungen finden lassen. Das Wichtigste dabei sind: eine Perspektive, ein Plan und eine positive Aktion – damit der Mensch ins Handeln kommen kann.
Das ultraschnelle Coaching tut sich natürlich schwer bei umfassenden Wünschen wie »Mein ganzes Leben müsste sich ändern«. Deshalb ist ein Teil meiner Kunst, vorher einen konkreten Veränderungswunsch herauszuarbeiten. Nach einem Vorgespräch bekommen meine Klienten einen Fragebogen, in dem sie unter anderem ihre Situation schildern, über Fähigkeiten und Wünsche reflektieren und, ganz wichtig, mir einen konkreten Coaching-Auftrag geben. Oft berichten sie mir dann im Coaching, dass allein das Ausfüllen des Fragebogens sie schon auf den Weg gebracht hätte.
So frage ich auch meine Gäste im TV-Coaching: »Wofür genau brauchen Sie eine Lösung?« Es ist klar, dass in fünf bis acht Minuten nur ein erster Ansatz für Veränderungen gegeben werden kann. Aber es ist durchaus möglich, den einen entscheidenden Impuls zu bekommen, der die Gäste weitergehen lässt.
Mein Schwerpunkt ist es, praktische Ideen für die Umsetzung zu generieren. Dabei hilft mir, dass ich nicht nur Coach bin, sondern auch Trainerin. Ich habe in den letzten 20 Jahren viele Tausend Menschen in Seminaren trainiert.3 Natürlich fließen deshalb auch Trainingselemente in mein Coaching ein (genauso wie immer mehr Coaching-Elemente in die Trainings). Ich finde, sie bereichern das Coachen ganz wesentlich, da sie die Fantasie ansprechen, Bilder im Kopf entstehen lassen und Perspektiven eröffnen. Übrigens: Auch meine Ausbildung als Journalistin ist sehr hilfreich. Ich habe gelernt, Dinge sehr schnell auf den Punkt zu bringen!
Und das unterscheidet Coaching beispielsweise von vielen Psychotherapien. Sie wissen: Coaching ist keine Therapie! Es geht nicht darum, seelische Krankheiten zu behandeln oder gar zu heilen. Um das zu schaffen, gehen viele Therapeuten oft weit zurück in die Kindheit ihrer Klienten. Da gibt es Zeit und Raum, sehr viel von früher zu erzählen. Sich an alte Kränkungen zu erinnern oder an Schlüsselsituationen, die den weiteren Lebensweg bestimmt haben.
In meinen Coachings geht es um den Blick nach vorn. Oder wie der Vater der Positiven Psychologie, der amerikanische Professor Dr. Martin Seligman, sagt: »We are not driven by the past, but drawn by the future.« Also, Menschen werden nicht von der Vergangenheit getrieben, sondern von der Zukunft angezogen. Deshalb geht es im Coaching darum, nach vorn zu schauen.
Dazu ein Beispiel aus meinem TV-Coaching:
Ein sehr sympathischer Mann ist als Gast im Studio. Er möchte sich coachen lassen, weil seine Wohnung voller Sachen ist und er es nicht schafft, etwas wegzuwerfen. Er bringt ein Foto mit, auf dem man sieht, dass sich in der ansonsten gepflegten Wohnung Sachen türmen, kein Quadratmeter außer dem Bett ist frei. Er sammelt Bücher, Sachen vom Flohmarkt, von Teddybären bis Schreibmaschinen. Was möchte er von mir? »Ich möchte mal wieder jemanden zu mir einladen können. Was kann ich tun?«
Ich erkläre ihm als Erstes, dass ich keine Therapeutin bin und wir auch keine Therapie machen. Es interessiert mich im Kurzcoaching nicht, warum er das alles sammelt oder ob er als Kind zu wenig Spielzeug bekommen hat. Mein Auftrag von ihm ist, er möchte aufräumen, damit er wieder jemanden einladen kann. Ich habe mir natürlich in der Vorbereitung überlegt, was ihm helfen könnte, den Vorsatz auch umzusetzen. Ich habe verschiedene Ideen entwickelt und schau jetzt mal, was sich anbahnt.
Ich lasse ihn dann an einer Tafel sein Apartment aufzeichnen, Tisch, Schrank, Regale, noch ein Tisch, Bett, Küchenzeile … Er erzählt, dass er Hunderte von Büchern hätte, auch in Kisten im Keller. Ich erzähle ihm, ich hätte auch viele Jahre lang Hunderte von Büchern in...