Möglichkeiten der Schulmedizin
Der Patient als »Rohstofflieferant«
Sie haben also einen oder mehrere Schilddrüsenknoten. Entweder man kann ihn schon von außen tasten oder sehen, oder es handelt sich um einen Zufallsbefund bei einem Ultraschall. Wenn Sie nun zur näheren Abklärung zu einem Hormonexperten (Endokrinologen), Internisten oder Radiologen (Strahlenarzt) gehen, werden Sie mit hoher Wahrscheinlichkeit auf einen Schulmediziner treffen. Was versteht man heute darunter? Positiv formuliert: Jemanden, der gründlich ausgebildet wurde und über Schilddrüsenkrankheiten gut informiert ist. Eine Person, die ein Medizinstudium an der Universität absolviert hat, in Krankenhäusern eine zumindest sechsjährige praktische Ausbildung gemacht und eine Facharztprüfung abgelegt hat. Eine qualifizierte Person, die dann als niedergelassener Arzt oder Ärztin in der Praxis mühsam durch die tägliche Arbeit verstehen lernen musste, dass es auf Wissen und Idealismus im Beruf nur sehr selten ankommt. Dass heute zwei Kräfte die Gesundheitsindustrie beherrschen. Einerseits sind da die Hersteller von Geräten und Arzneien, deren Aufgabe die Maximierung von Firmen- oder Aktiengewinnen ist. Und andererseits die »Gesundheitsverwalter«, wie zum Beispiel die Krankenkassen, deren Aufgabe darin besteht, möglichst wenig Leistung unter gleichzeitiger bürokratischer und rechtlicher Maximalabsicherung anzubieten. Etwas überspitzt formuliert: Im medizinischen Bereich geht es jedem immer ums Geld und sonst um gar nichts. Wer das als Arzt verstanden hat, der ist ein Schulmediziner im vollen Sinn des Wortes. Er ist abgeklärter geworden, manchmal auch zynisch und versucht, sich in seiner täglichen Arbeit darauf zu konzentrieren, gegen die Kräfte am Markt nicht anzuecken und dabei auch selbst genug zu verdienen, um leben zu können.
Der Einzige, der außerhalb dieses Systems steht, sind Sie als kranke Person. Sie sind für die Gesundheitsindustrie eigentlich nichts weiter als der Rohstoff für die Profite, die sich aus Ihrer Krankheit schlagen lassen. Sie unterliegen vielleicht anfangs der Illusion, dass Sie zum Arzt gehen, um Hilfe zu bekommen. Sie sehen den Arzt vielleicht noch traditionell als eine Person, die Ihr bestes Interesse im Auge hat. Schließlich hat der Arzt ja den hippokratischen Eid geschworen, wie Sie meinen. Die Realität ist anders. Der Arzt führt seine Praxis mit der Absicht, aus dieser Tätigkeit Gewinn zu ziehen. Das kann er nur, wenn er unter Zuhilfenahme der sehr eingeschränkten Möglichkeiten, die ihm weit ausgebufftere Konkurrenten am Medizinmarkt lassen, finanziellen Nutzen aus Ihrem Leid zieht. Wenn er einen chirurgischen Eingriff an Ihnen durchführt, kann er das Maximum aus Ihrem »Fall« herausholen. Denn Operationen lassen sich gut abrechnen. Ist das nicht möglich, bietet sich im Regelfall die möglichst zeitsparende Behandlungsvariante an. Nämlich, Ihnen ein Rezept auszustellen, das der Arzt nur kurz unterschreiben muss mit dem Hinweis, dass Sie die Tablette, die er Ihnen verschreibt, auch zu schlucken haben, bis er Sie wieder einbestellt und untersucht – denn auch das kann man relativ gut abrechnen, vor allem, wenn die Einbestellung quartalsweise erfolgt.
Dass der Arzt darauf besteht, dass Sie ein bestimmtes Medikament nehmen, muss nicht heißen, dass diese Tablette auch erwiesenermaßen gut für Sie ist. Wahrscheinlich hat es eher damit zu tun, dass er vonseiten der Ärztekammer, der Universitäten und anderer Pressure Groups einem Verhaltensdruck bei seinen Verschreibungen ausgesetzt ist. Er glaubt, Anweisungen befolgen zu müssen, die von dort und von Medien ausgehen, von Sprachrohren der Pharmaindustrie, die Patienten einreden, dass sie diese Tablette unbedingt brauchen. All das beruht aber nur selten auf gesicherten Erkenntnissen. Diese Anweisungen entstehen meist nicht, weil wissenschaftlich erkannt wurde, was beispielsweise für einen Menschen mit einem Schilddrüsenknoten nützlich sein mag. Wir leben in einer Welt, in der Wortführer in der Medizin über Studien Resultate verkünden, die den Interessen der Auftraggeber von Studien entsprechen. Es gibt auch keinen wirklichen Unterschied mehr zwischen einem Universitätsprofessor, der auf seinem Gebiet Wortführer wird, und den Konzernen, deren Produkte er beurteilt. Weil man nämlich erst dann zum Wortführer in einem wissenschaftlichen Zweig werden kann, wenn man auch von Konzernen »Studien« finanziert bekommt, deren Ziel es ist, ein Produkt an den Patienten zu verkaufen. Egal, ob das Produkt sinnvoll oder gesundheitsfördernd ist. Hauptsache, es schadet nicht so offensichtlich, dass sich das in kürzester Zeit herumspricht. Ist aber Letzteres der Fall, werden solche »Studien« gleich unterdrückt, bevor die Wahrheit ans Tageslicht kommen kann. Ist das Produkt aber relativ harmlos und schadet nur wenigen Menschen auf nicht offensichtliche Weise, dann kann es auch vermarktet werden, mit behaupteten Zahlen hinsichtlich einer positiven »Wirksamkeit«, die aber nicht das Ergebnis wirklicher Studien sind, sondern Vorgaben vor dem Beginn einer Studie. Und diese Vorgaben erfüllen ja keinen wissenschaftlichen Zweck, sondern haben das Ziel, möglichst viele Produkte an den Mann oder die Frau zu bringen. Es gibt also im Pharmabereich keine Wissenschaft wie ehemals, sondern kleinere, halb geprüfte Innovationen und jede Menge Verkaufstechnik.
Diese einleitenden Bemerkungen zum wirtschaftlichen Umfeld heutiger Therapien sind notwendig, bevor von den Möglichkeiten der Schulmedizin überhaupt die Rede ist. Denn »möglich« gemacht wird vornehmlich, was auch profitträchtig ist. Sie müssen das wissen, um zu verstehen, dass der Weg zur Gesundheit für den Betroffenen, der eigentlich nur Klarheit über seine Krankheit und ihre Heilung erhalten möchte, heute zu einem Minenfeld geworden ist. Positiv kann eingeräumt werden, dass es immer noch viele Menschen im Gesundheitswesen gibt, die menschlich engagiert sind und ihren Kunden (oder »Klienten«, wie man heute sagt – ein treffender Ausdruck, da es im Gesundheitswesen nüchtern betrachtet keine »Kranken« mehr gibt, sondern nur mehr »Kunden«) wirklich helfen wollen. Und dass wir eine Infrastruktur haben, die jede medizinische Leistung flächendeckend in unserem Land ermöglicht, ist ebenfalls etwas Schönes. Die Schwierigkeiten, eine gute Diagnose und eine effektive Therapie zu finden, sind ja glücklicherweise auch zu lösen, sobald der Patient mündig wird. Sobald er selbstständig darüber entscheidet, was gut für ihn ist und was nicht. Und seinen eigenen Weg unbeirrt geht. So kann er Schaden vermeiden und Nutzen aus dem System ziehen. Nämlich, indem er als Patient selbst zum Arzt wird.
Ich rate jedem Menschen, bei dem Schilddrüsenknoten gefunden wurden, zunächst zu einer gründlichen Abklärung. Und auch unter den Therapien gibt es sinnvolle Angebote, die manchmal wahrgenommen werden sollen oder sogar müssen. Die folgenden Abschnitte beschreiben, wie dieser Weg zur Diagnose meiner Meinung nach verlaufen sollte.
Eigenanalyse
Zuerst erstellen Sie eine Liste der körperlichen, geistigen oder seelischen Beschwerden, unter denen Sie leiden. Diese sollte zu Beginn völlig wertfrei bleiben und alles erfassen, was Ihrer Meinung nach nicht zur Gesundheit gehört.
In einem nächsten Schritt vergleichen Sie Ihre Liste mit den im Folgenden abgedruckten Listen. Dort ist alles vermerkt, was zu einer Schilddrüsenüberfunktion und zu einer Schilddrüsenunterfunktion gehört: Symptome, die wichtig sind; wie Befunde zu werten sind, die der Arzt bei Untersuchungen erhebt. Denn es ist entscheidend, zu wissen, ob ein Knoten einfach da ist, ohne die Arbeit der Schilddrüse zu beeinträchtigen, oder ob er Ausdruck einer Störung der Schilddrüsenfunktion ist, die es zu behandeln gilt, ganz unabhängig vom Knoten.
Unterstreichen Sie Symptome, unter denen Sie leiden. Diese Listen (sowie Ihre persönliche Liste) nehmen Sie mit zum Arzt Ihres Vertrauens, damit er von Anfang an ein klares Bild Ihres Befindens erhält und alle von ihm dann zu erhebenden Befunde damit abgleichen kann.
Beschwerden bei Schilddrüsenüberfunktion
Druck, Enge, Kloßgefühl im Hals
Schluckbeschwerden
Schlaflosigkeit
Gereiztheit
Nervosität
Konzentrationsstörungen
Vergesslichkeit
»nahe am Wasser gebaut«
Ängste
Panikattacken
Zittern
Herzklopfen
Herzrasen
Herzrhythmusstörungen
Vorhofflimmern
Gewichtsverlust
Heißhunger
Bluthochdruck
Schweißausbrüche
Haut warm und feucht
Häufiger Stuhlgang
Muskelschwäche
Knochenerweichung (Osteoporose)
Zyklusstörungen
Unfruchtbarkeit
All das sind Beschwerden, die für eine Überfunktion sprechen.
Arbeitet die Schilddrüse fehlerhaft oder zu langsam, dann müssen Sie mit folgenden Symptomen rechnen:
Beschwerden bei Schilddrüsenunterfunktion
Niedrige Körpertemperatur
erhöhte Kälteempfindlichkeit
Ödeme (Schwellungen durch Wassereinlagerungen,
besonders an Lidern, Gesicht, Extremitäten)
Kloß im Hals
Druckgefühl am oder im Hals
Strangulationsgefühl
häufiges Räuspern und Hüsteln
heisere oder belegte Stimme
depressive Verstimmung
Motivationslosigkeit
Antriebslosigkeit
Muskelschwäche
Muskelverhärtungen
trockene, rissige Haut
Juckreiz
trockene Schleimhäute
brüchige Haare und Fingernägel
Haarausfall
schnelle und starke...