2005
Stand der Schiller-Schädel-Forschung: 2 Schädel, 2 Skelette, 2 Särge. Hinzu kommen verschiedene Totenmasken, auch 11 als „Schillerhaar“ bezeichnete Haarbüschel unterschiedlicher Farbe sowie verschiedener Wellung und Kräuselung, die sich an 5 verschiedenen Orten befinden - 3 von ihnen sind übereinstimmend. Das Rätsel um Schillers Schädel ist ungelöst.
2005
Die freie Fernsehjournalistin und Literaturwissenschaftlerin Dr. Ute Gebhardt kommt mit dem Stoff zum „Friedrich-Schiller-Code“ ins MDR-Landesfunkhaus. Zuvor hat sie über das Thema mit dem Präsidenten der „Klassik Stiftung Weimar“ Hellmut Seemann diskutiert, der ihr schließlich den Stoff anvertraut. Die Klassik-Stiftung unterstützt das Projekt, indem sie das historisch vorhandene Material für die Untersuchungen zur Verfügung stellt, die Dreharbeiten in der Fürstengruft betreut und bei Rechercheanfragen unterstützt. Letztlich ausschlaggebend ist die Bereitschaft des MDR-Landesfunkhauses Thüringen und seines Direktors Werner Dieste, das Projekt als Teil des öffentlichen Auftrages zu begreifen und auch zu finanzieren.
Die Basis war eine Kooperationsvereinbarung zwischen der Klassik Stiftung Weimar und dem Landesfunkhaus Thüringen des MDR. Damit war die Koordinierung und Finanzierung durch den MDR gesichert. Dreharbeiten sollten das ganze Projekt dokumentieren, der Film „Der Friedrich Schiller-Code“ entstehen. Die Klassik Stiftung Weimar wollte die Relikte, Räume und historische Quellen zur Verfügung stellen.
Präsident Seemann in der Anna Amalia-Bibliothek
Die Särge in der Fürstengruft
Frau Dr. Ute Gebhardt hat nicht nur als Regisseurin am Film gearbeitet, sondern zugleich zusammen mit Frau Eva Hempel vom MDR als Projektleiterin das gesamte Team für das interdisziplinäre Wissenschaftsprojekt koordiniert.
Dem wissenschaftlichen Team gehören an (in der Reihenfolge des jeweiligen Einsatzbeginnes):
Dr. Ralf G. Jahn, Historiker und wissenschaftlicher Genealoge: Erforschung und Erstellung der Dokumentationen für Schiller-Stammbaum, Verwandtschaftsbeziehungen, Verhältnisse am Württemberger Hof; Adelsspezialist.
Dr. Herbert Ullrich, Anthropologe, Berlin: Fachberater des Projektes; umfangreiche Publikationen zu Schädelrätseln berühmter Persönlichkeiten und zum Schiller-Schädel, arbeitete gemeinsam mit dem russischen Anthropologen Michail Gerassimow an der letzten Gesichtsrekonstruktion 1959/61.
Prof. Dr. Ursula Wittwer-Backofen, Institut für Humangenetik und Anthropologie, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg: Expertin für Gesichtsweichteilrekonstruktionen; arbeitet exklusiv mit dem BKA Wiesbaden zusammen
Prof. Dr. Walther Parson, Institut für Gerichtliche Medizin/Medizinische Universität Innsbruck: DNA-Leitinstitut des Projektes; das Institut wurde durch die Identifizierung der Tsunami-Opfer international bekannt; Parson bearbeitete u.a. die Fälle „Ötzi“, MessnerBrüder und Mozart.
Dr. Odile Loreille / Dr. Michael Coble, US Armed Forces DNA Identification Laboratory, Rockville/Maryland: DNA-Referenzinstitut; arbeiteten u.a. an der Lösung des Romanow-Falles.
Prof. Dr. Thomas Prohaska, Universität für Bodenkultur Wien, Abteilung Analytische Chemie: Chemische und toxikologische Untersuchungen der Schiller-Relikte, analysierte u.a. die Quecksilber- und Bleivergiftungen in den Haaren von Beethoven und Mozart.
(Foto: Franz Ehret, v.l.n.r. Frau Dr. Gebhardt, Dr. Ullrich, Dr. Jahn)
Allen Beteiligten wird bis zur Erstausstrahlung des Films strikte Geheimhaltung der erzielten Ergebnisse auferlegt.
Eine Gesichtsrekonstruktion und erneute morphologische Vergleiche zwischen den Schillerschen Totenmasken und den Schädeln sollten die genetische Untersuchung ergänzen. Das Urteil in der neuen Untersuchung mußte die Genanalyse fällen. Ausgangspunkt sollte der genetische Code der Überreste aus der Fürstengruft sein.[375]
Als nach langen genealogischen Recherchen feststand, daß es keine lebenden Verwandten Friedrich Schillers mehr gibt, die für einen DNS-Test in Frage kämen, galt zu entscheiden, die Untersuchungen entweder ergebnisoffen zu beenden oder ein historisches Grab eines geeigneten Verwandten Friedrich Schillers zu öffnen, um aus den Skelettresten eine DNS-Probe für einen Vergleich zu entnehmen. Historische Gräber unterliegen nicht mehr den gesetzlichen Ruhefristen, vielfach werden sie auch aus anderen Gründen, z.B. im Rahmen von Umbettungsmaßnahmen, geöffnet.
(Foto: Franz Ehret, v.l.n.r. Direktor Dieste, Dr. Jahn, Frau J. Dare)
14.07.2006
Öffnung des Schiller-Sarkophages im Zusammenhang des Projektes „Fried- rich-Schiller-Code“.
Das Filmteam vor der Fürstengruft
Der Verfasser beim Anheben des Sargdeckels
Auffinden des Froriep-Schädels nach längerer Suche im Sarkophag des Großherzogs Carl Friedrich (1783-1853). Dafür befindet sich im „Froriep-Sarg“ ein unbekannter Schädel, der die vorläufige Bezeichnung „RZ“ („Reiner Zufall“) erhielt.
(Foto: Franz Ehret, v.l.n.r. Präsident Seemann, Frau Dr. Müller-Harang, Dr. Ullrich, Prof. Parson, Frau Prof. Wittwer-Backofen, Dr. Coble, Dr. Jahn, Frau Dr. Gebhardt, hinter ihr Herr Direktor Dieste)
Grundlage:
Unsere Gegenstände sind zwei Körperskelette (Skelett Nr.1 aus dem Schillersarkophag und Skelett Nr.2, das Froriep-Skelett) und drei Schädel (Fürstengruft-Schädel FS, Schädel RZ und Froriep-Schädel). Dazu kommen dann noch zwei Weimarer Haare - Schiller zugeschrieben -,[376] ein Stück Originaltapete aus Schillers Arbeitszimmer und eine Handvoll Haare aus Marbach.[377]
Haare und Isotopen
Prof. Dr. Thomas Prohaska untersuchte 2 Haare aus zwei verschiedenen „Schiller-Locken“ aus dem Besitz der Klassikstiftung und ein Reststück von einem Probenzahn. Die Schwermetallverteilung und der Mangel an Spurenelementen waren in allen drei Relikten identisch. Für Prof. Prohaska ist das ein starkes Indiz, daß Haare und Zähne zum selben Individuum gehört haben. Bei den Elementen Quecksilber, Arsen und Antimon zeigten alle drei Relikte so hohe Werte, daß von einer chronischen Vergiftung gesprochen werden muß.[378]
Um die Ursache der Vergiftung zu finden, wurde ein Stück der Originaltapete[379] aus Schillers Arbeitszimmer analysiert. Es zeigte sich, daß die Tapete mit dem sogenannten Schweinfurter Grün hergestellt worden ist, einem schweren Giftcocktail. Die Quecksilber- und Arsenwerte in der Tapete sind gleich erhöht wie in den Haaren und Zähnen. Antimon fand sich nicht in der Tapete. Dafür kommen andere Quellen - z.B. Aufputschmittel oder Medikamente -in Frage. Prohaska hat berechnet, daß im Arbeits- und Schlafzimmer von Friedrich Schiller 10 Kilo Quecksilber und 5 Kilo Arsen verarbeitet waren. Das muß gesundheitliche Folgen für den Bewohner gehabt haben.[380]
Die Originaltapete aus Schillers Arbeitszimmer
Die Tapete aus dem Arbeitszimmer ist Schweinfurter Grün, so giftig wie nur denkbar. Frühere „Expertenmeinungen“ sagten aus, daß von solcher Tapete unter normalen Umständen keine Gefährdung ausging, auch wenn da wirklich Arsen drin wäre, was ja bis dato nicht analysiert worden ist. Ganz falsch! Prohaska hat in der Tapete solche Mengen von Arsen, Blei, Cadmium usw. gefunden, daß er bei einer Hochrechnung auf das gesamte Zimmer auf mindestens 5 Kilo Arsen und 10 Kilo Blei kam, die in dieser Tapete verarbeitet wurden. Er hat auch die Ausdünstungen - also die Luft über dem winzigen, 200 Jahre alten Stück gemessen und kam auf Arsen- und Bleiwerte, die 100fach über dem liegen, was heute in den ärgsten Industriegebieten gemessen wird. Prohaska sagt ganz deutlich: Diese Tapete hat den Bewohner schwer geschädigt, chronisch vergiftet.[381]
Die Untersuchung des mutmaßlichen Schiller-Haares
„Es kommt noch schlimmer, oder für unsere Ergebnisse klarer. Die Haare aus den beiden Schillerlocken spiegeln diese Ergebnisse wider. Extreme Bleiwerte, auch Arsen, Antimon, Quecksilber und Cadmium. Ein schlimmer Cocktail, der sich außen und innen in den Haaren zeigt. Es handelt sich also nicht um nachträgliche Verunreinigungen. Wir meinten ja, daß wir ohne DNA-Ergebnisse in den Haaren keine Aussage zu ihrer Echtheit treffen können, aber das stellt sich jetzt anders dar. Die gleichen Schwermetalle lassen sich im Zahnschmelz vom...