3Der Wahnsinn im Büro
Wie oft haben Sie andere schon sagen hören „Bei uns herrscht gerade absoluter Wahnsinn im Büro“? Vielleicht haben Sie das selbst schon einmal gesagt. Für viele ist der Wahnsinn im Büro mittlerweile zum Alltag geworden. Aber warum ist das so?
Das liegt vor allem an zwei Dingen: Erstens ist unser Arbeitstag durch eine Vielzahl physischer und virtueller Ablenkungen in viele kleine, flüchtige Momente unterteilt. Zweitens sind Unternehmen auf ungesunde Art davon besessen, Wachstum um jeden Preis zu erzielen, was zu unrealistischen Erwartungen führt, die bei den Mitarbeitern Stress verursachen.
So ist es nicht verwunderlich, dass die Menschen immer mehr arbeiten, früher anfangen, Überstunden machen, Arbeit mit ins Wochenende nehmen und eigentlich in jeder freien Minute schuften. Dabei schaffen wir es kaum noch, unsere Arbeit im Büro zu erledigen. Was für den Hund die Restetüte mit Speiseabfällen ist, ist für uns die nicht erledigte Arbeit, die wir mit nach Hause nehmen.
Noch bedenklicher ist es, dass Überstunden, ständiger Stress und Schlafmangel mittlerweile für viele Menschen zu einer Art Verdienstorden geworden sind. Anhaltende Erschöpfung hat aber keine Auszeichnung verdient – sie ist vielmehr ein Ausdruck von Dummheit.
Und dies trifft nicht nur auf Unternehmen zu – auch Individuen, Selbstständige und Solopreneure verheizen sich auf dieselbe Weise.
4Nun könnte man meinen, dass das Arbeitspensum durch all die Stunden, die die Menschen in ihre Arbeit investieren, und all die Versprechungen, die uns die neuen Technologien verheißen, abnimmt. Tut es jedoch nicht. Es wird sogar mehr.
Dabei gibt es nicht plötzlich mehr zu tun. Das Problem ist vielmehr, dass wir kaum mehr Momente finden, in denen wir ungestört und konzentriert unserer Arbeit nachgehen können. Wir arbeiten immer mehr, schaffen dabei aber immer weniger. Die Gleichung geht nicht auf – es sei denn, man rechnet die viele Zeit mit ein, die wir für unwichtige Dinge verschwenden.
Wie viele der sechzig, siebzig oder achtzig Stunden, die wir nach Vorstellung unserer Vorgesetzten in unsere Arbeit investieren sollen, verwenden wir tatsächlich auf unsere Arbeit? Und wie viele davon gehen durch Meetings, Ablenkungen und ineffiziente Betriebsabläufe verloren? Die Antwort: der größte Teil.
Die Lösung ist deshalb nicht, mehr zu arbeiten, sondern weniger Bullshit zu erledigen. Weniger Zeit zu verschwenden, statt mehr Output zu generieren. Und sich viel weniger ablenken zu lassen, nicht ständig erreichbar sein zu müssen und Stress zu vermeiden.
Denn Stress überträgt sich vom Unternehmen auf die Mitarbeiter – von einem Mitarbeiter auf den nächsten und dann von den Mitarbeitern auf die Kunden. Stress bleibt nie im Büro. Er drängt ins Privatleben und infiziert unsere Freundschaften, unser Familienleben, unsere Kinder.
Und dabei lockt man uns mit immer neuen Versprechungen: neue Zeitmanagementstrategien und neue Kommunikationsmittel, die wiederum neue Bedürfnisse schaffen. Nur um mehr Kommunikation an immer mehr Orten und in immer 5kürzerer Zeit erledigen zu können. Schneller und immer schneller – aber zu welchem Zweck?
Wenn bei Ihnen auf der Arbeit ständig Land unter herrscht, haben wir zwei Empfehlungen für Sie. Erstens: Schluss damit. Zweitens: Es reicht.
Unternehmen müssen endlich damit aufhören, ihre Mitarbeiter dazu zu verleiten, sich aus Statusgründen immer höhere und unrealistischere Ziele zu setzen. Stattdessen sollten sie ihnen endlich die ungestörte Zeit geben, die die Voraussetzung für erstklassige Arbeit ist. Es ist Zeit, dem Wahnsinn im Büro ein Ende zu setzen.
Fast zwanzig Jahre haben wir daran gearbeitet, Basecamp zu einem entspannten Unternehmen zu machen. Einem Unternehmen, das nicht angetrieben wird durch Dinge wie Stress, Hektik, eine „As soon as possible“-Kultur, Überstunden, Nachtschichten vor einem wichtigen Abgabetermin, unhaltbare Versprechungen und Deadlines, einen hohen Umsatz oder Projekte, die nie zu einem Abschluss zu kommen scheinen.
Bei uns gilt: kein Wachstum um jeden Preis. Keine falsche Geschäftigkeit. Keine egogetriebenen Ziele. Kein Mithalten mit „Mister Perfect“. Kein Am-Limit-Arbeiten. Und dennoch waren wir seit unserer Gründung bislang jedes Jahr profitabel.
Wir sind in einer der am härtesten umkämpften Branchen tätig, der Softwareindustrie. Zu unseren Konkurrenten zählen nicht nur die Tech-Giganten aus dem Silicon Valley, sondern auch Start-ups mit hunderten Millionen Dollar an Risikokapital im Rücken. Wir haben darauf verzichtet. Woher unser Geld dann kommt? Von unseren Kunden. In dieser Hinsicht sind wir altmodisch, wenn Sie so wollen.
6Als Softwareunternehmen würde man eigentlich von uns erwarten, dass wir uns an der „Hustlemania“ des Silicon Valley beteiligen. Wir haben jedoch keinen einzigen Beschäftigten im Silicon Valley. Unsere 54 Mitarbeiter sind auf dreißig Städte rund um den Globus verteilt.
Die meiste Zeit im Jahr arbeiten wir vierzig Stunden pro Woche, im Sommer nur 32. Alle drei Jahre können unsere Mitarbeiter für mehrere Monate ein Sabbatical machen. Und sie bekommen nicht nur Urlaubsgeld – wir zahlen ihnen auch die Urlaubsreise.
Nein, nicht um 9 Uhr abends am Mittwochabend. Das kann bis 9 Uhr am nächsten Morgen warten, Donnerstagmorgen. Nein, nicht Sonntag, sondern Montag.
Gibt es auch stressige Zeiten bei uns? Klar, das gehört dazu. Ist jeder Tag rosig? Natürlich nicht. Wir würden lügen, wenn wir das behaupteten. Wir bemühen uns jedoch, dass dies die Ausnahme bleibt. Unterm Strich sind wir entspannt – aus freien Stücken, jeden Tag. Diese Entscheidung haben wir ganz bewusst getroffen. Wir haben es anders gemacht als die anderen.
Unser Unternehmen folgt einem anderen Konzept. Von diesen Entscheidungen möchten wir Ihnen erzählen, und von den Gründen, aus denen wir viele dieser Entscheidungen getroffen haben. Jedes Unternehmen hat die Möglichkeit, sich ähnlich zu entscheiden. Sie müssen es natürlich wollen. Aber wenn Sie es wollen, werden Sie feststellen, dass es hier – auf der anderen Seite – viel besser ist. Auch Sie können ein entspanntes Unternehmen schaffen.
Der moderne Arbeitsplatz ist krank. Chaos sollte nicht der Normalzustand im Büro sein. Angst ist keine Voraussetzung für Fortschritt. Den ganzen Tag in Meetings rumzusitzen, 7macht noch keinen Erfolg. Dies sind alles Perversionen der Arbeit, Nebeneffekte gescheiterter Modelle und eines Herdentriebs, bei dem wir uns wie die Lemminge von der Klippe stürzen. Treten Sie stattdessen einen Schritt zur Seite und lassen Sie die Dummen springen.
Eine entspannte Arbeitskultur bedeutet:
- die Zeit und Konzentrationsfähigkeit Ihrer Mitarbeiter zu schützen
- 40-Stunden-Wochen
- realistische Erwartungen
- ausreichend Freizeit
- alles eine Nummer kleiner
- ein Horizont in Sichtweite
- Meetings als letzte Option
- zeitversetzte Kommunikation vor Kommunikation in Echtzeit
- mehr Unabhängigkeit, weniger Abhängigkeiten
- nachhaltige, tragfähige Abläufe
- Rentabilität
8Ein paar Worte über uns
Wir sind Jason und David. Seit 2003 führen wir gemeinsam unser Unternehmen Basecamp. Jason ist der CEO, David ist der CTO – und mehr Cs gibt es bei uns auch nicht.1
Basecamp ist sowohl der Name unseres Unternehmens als auch unseres Produkts. Unser Produkt ist eine cloudbasierte Projektmanagement-Anwendung, mit der Unternehmen ihre Projekte und ihre interne Kommunikation zentral an einem Ort bündeln können. Wenn alles in Basecamp erfasst ist, sehen die Mitarbeiter genau, was sie zu tun haben, wo sie was finden und wie der aktuelle Projektstatus ist. So geht nichts verloren.
Wir haben viel zu der Frage herumexperimentiert, wie wir unser Unternehmen führen wollen. In diesem Buch zeigen wir Ihnen, was für uns funktioniert hat. Zudem möchten wir einige Beobachtungen und Erkenntnisse mit Ihnen teilen zu der Frage, was ein gesundes, langlebiges und nachhaltiges Unternehmen ausmacht. Wie bei allen Ratschlägen wird manches für Sie besser passen, anderes vielleicht weniger. Betrachten Sie unsere Vorschläge deshalb als Inspiration für Veränderungen und nicht als göttliche Wahrheit.
Ein Hinweis noch zu den Begriffen „Wahnsinn“ und „verrückt“, die wir in diesem Buch verwenden: Wir gebrauchen diese Begriffe in dem Sinne, in dem Menschen zum Beispiel 9den Verkehr als verrückt bezeichnen, von verrücktem Wetter sprechen oder sich auf die Wahnsinnsschlangen an Flughäfen beziehen. Wenn wir von „verrückt“ oder „wahnsinnig“ sprechen, meinen wir damit Situationen, nicht Menschen.
Da wir das nun geklärt haben, lassen Sie uns beginnen.
10Ihr Unternehmen ist ein Produkt
Alles beginnt mit dieser Idee: Ihr Unternehmen ist ein Produkt.
Sicher, Sie stellen Produkte her oder bieten Dienstleistungen an, aber es ist Ihr Unternehmen, das diese Dinge tut. Deshalb sollte Ihr Unternehmen Ihr bestes Produkt sein.
In diesem Buch dreht sich alles um diese eine Idee. Die Idee, dass Fortschritt – wie bei der Produktentwicklung – durch Iteration erzielt wird. Wenn Sie ein Produkt optimieren möchten, müssen Sie die Dinge ständig neu justieren und abändern, sie müssen iterativ arbeiten. Dasselbe gilt für ein Unternehmen.
Wenn es jedoch um das...