Die Mineralstofftherapie nach Dr. Schüßler
Unter Mineralstofftherapie versteht man die Behandlung von Krankheiten mit Mineralstoffen, die für den Organismus von entscheidender Bedeutung sind – für Wachstum und Entwicklung, zum Schutz vor Krankheiten und für deren Heilung.
Schritt für Schritt zu einer neuen Therapie
Werfen wir zunächst einen Blick zurück in die Zeit der Anfänge und sehen uns an, wie Dr. Schüßler seine Biochemie erarbeitet hat.
Vor über 130 Jahren im norddeutschen Oldenburg: Der 52-jährige Arzt Dr. Wilhelm Heinrich Schüßler (1821 bis 1898) sitzt an den letzten Korrekturen für sein Buch Eine abgekürzte Therapie – Anleitung zur biochemischen Behandlung der Krankheiten. Auf seinem Schreibtisch stapeln sich medizinische Standardwerke, daneben stehen Gläschen mit Pulvern, wissenschaftliche und homöopathische Grundlagenwerke und die jüngsten Forschungsergebnisse der großen Physiologieprofessoren Bunge, Liebig und Moleschott (siehe >, >). Dr. Schüßler vergleicht abschließend die Eigenschaften von Kaliumcarbonat und Sulfat, dem Salz der Schwefelsäure, und stellt erfreut fest, dass beide Stoffe gewisse Übereinstimmungen in der medizinischen Anwendung zeigen. So ergänzt er zum wiederholten Male sein handschriftliches Skript.
Nach Stunden, inzwischen ist der Morgen angebrochen, lehnt er sich tief befriedigt in seinem ledernen Sessel zurück, genießt einen Zug aus seiner Pfeife und murmelt: »Ich habe viel durchgestrichen, viel entworfen und verworfen, konstruiert, dekonstruiert, rekonstruiert, bis ich endlich das zustande brachte, was ich jetzt veröffentliche.«
Langjährige, vielfältige Studien
Jahre des Suchens und Forschens hatten ein vorläufiges Ende. Lange Zeit, bevor er seine Therapie bis ins Detail ausarbeitete, hatte Dr. Schüßler die Zellenlehre des Berliner Pathologen Rudolf Virchow studiert (siehe >).
Überdies hatte er sich intensiv mit der Chemie des Mineralstoffhaushalts auseinandergesetzt, indem er Asche von Leichenorganen untersuchte, um herauszufinden, welche Salze in welchem Organgewebe vorkommen. So entdeckte er beispielsweise Magnesiumphosphat im Muskelgewebe und Eisenphosphat in den Blutgefäßen. Später fand er heraus, welche Funktionen diese Salze im Körper ausüben: Magnesiumphosphat beeinflusst die Muskelspannung, wirkt entkrampfend und schmerzstillend; Eisenphosphat ermöglicht die Sauerstoffaufnahme der roten Blutkörperchen und fördert die Muskeltätigkeit.
Nach und nach entdeckte er auch bei anderen Salzen, welche Funktionen sie im Organismus erfüllen und was passiert, wenn der Umlauf der Salze im Organismus oder deren Aufnahme in die Zelle gestört ist. Seine Konsequenz war, die Salze dort einzusetzen, wo Krankheiten auf eine von Mineralstoffen abhängige Störung hindeuteten.
In dieser Phase des wissenschaftlichen Arbeitens überprüfte er seine Erkenntnisse und Forschungsergebnisse immer wieder an seinen Patienten. Fasziniert stellte er fest, dass seine Theorie richtig war.
Gesetz des Minimums
Für die Ausarbeitung seiner Heilkunde befasste sich Dr. Schüßler auch mit dem Gesetz des Minimums des Chemikers Justus Liebig (1803 bis 1873) und übertrug es auf den Mineralstoffhaushalt des Menschen. Demzufolge sei die Konstitution der Zelle von der Zusammensetzung des Nährbodens bestimmt; der im Boden in geringster Form vorhandene Nährstoff (Mineralstoff) müsse als Dünger zugeführt werden.
So schreibt Dr. Schüßler, dass bei der Rachitis (Englische Krankheit/Knochenerweichung) ein Mangel an Kalziumphosphat bestehe, als Folge einer Bewegungsstörung von Molekülen des phosphorsauren Kalks (heute Molekülverteilungsstörung genannt, siehe >). Dadurch könne der Kalk seinen Bestimmungsort nicht erreichen, was die Krankheit zur Folge habe.
Die Zusammenhänge von Rachitis und Kalziumaufnahme waren der Medizin seinerzeit schon bekannt. Neu allerdings waren Schüßlers Forschungen über die Verteilungsstörung der Kalziummoleküle. Mittels minimaler Gaben des gleichen Salzes, so Schüßler, könne man diese Störungen beheben und somit die Krankheit heilen.
INFO
Die Biochemie ist nach heutigem Verständnis eine Regulationsheilweise: Das Salz, das zum Zeitpunkt der Krankheit am wenigsten im Organismus vorhanden ist, muss in geringer Menge zugeführt werden, um den Mineralstoffhaushalt im Körper zu normalisieren.
Die Zellen und ihre Erforschung
Die Medizin zu Schüßlers Zeit befand sich im Umbruch.
Neues wurde entdeckt und erforscht, Altes verworfen. Mit Enthusiasmus stürzten sich die Ärzte auf die Erkenntnisse von Robert Koch (1843 bis 1910), Bakteriologe in Berlin, und Louis Pasteur (1822 bis 1895), Chemiker und Bakteriologe in Paris und Erfinder des Pasteurisierens der Milch (schonende Erhitzung, um Bakterien abzutöten).
Die Mikrobiologie, die Lehre von Mikroorganismen, den Kleinstlebewesen, fand viele Anhänger; und wie bei allen Neuentdeckungen in der Medizin ging man bald davon aus, dass selbst psychische Erkrankungen durch Bakterien verursacht werden – was, wie wir heute wissen, natürlich nicht der Fall ist.
Grundlegende neue Ansichten indes vertrat Rudolf Virchow (1821 bis 1902), Professor an der Charité in Berlin, der sich der Zellforschung widmete und schließlich postulierte, dass jede Erkrankung auf eine gestörte Zellfunktion zurückzuführen sei. Auch diese Erkenntnisse waren für Schüßler von großer Bedeutung.
Der Wert der Mineralsalze für den Organismus
Ein weiterer Zeitgenosse Schüßlers war der Niederländer Professor Jacob Moleschott (1822 bis 1893), der in Turin, Zürich und Heidelberg Physiologie (Lehre von den Lebensvorgängen) unterrichtete und die Bedeutung der Mineralstoffe für den menschlichen Organismus entdeckte (Standardwerk Kreislauf des Lebens, 1852).
Etwa zur gleichen Zeit erforschten auch andere Physiologen die Bedeutung der Mineralstoffe, so der Professor Wilhelm Wundt (1832 bis 1920) in Heidelberg (Standardwerk Physiologie des Menschen, 1868).
Erst in unserer Zeit wurde entdeckt, dass die Zelle alle für den menschlichen Organismus lebenswichtigen Mineralstoffe enthält – posthum war das eine Bestätigung von Schüßlers Ansichten.
Schüßler verknüpfte die Lehren Virchows und Moleschotts miteinander und stellte folgende Behauptung auf: Da die Zelle ursächlich für Krankheiten verantwortlich ist und Mineralstoffe diese enorme Bedeutung für den Menschen haben, müsste eine Therapie mit Mineralstoffen die Zelle in ihrer Funktion im Sinne von Regulation und Heilung beeinflussen.
Homöopathisch aufbereitete Salze
Schüßler ließ nun Mineralstoffverbindungen (Salze) aufbereiten wie die Mittel der Homöopathie (siehe unten).
Diese Behandlungsmethode, von dem deutschen Arzt Samuel Hahnemann (1755 bis 1843) entdeckt, arbeitet nach dem Grundsatz »Ähnliches möge mit Ähnlichem geheilt werden«: Ein Mittel, das bei einem Gesunden bestimmte Symptome auslöst, wird zur Behandlung eben dieser Symptome bei einem Kranken eingesetzt.
Dazu wird das Mittel verdünnt und somit potenziert.
Die Potenzierung ist eine Dynamisierung – die Arznei (Ursubstanz) gewinnt dadurch an Heilkraft.
Schüßler wählte die homöopathische Aufbereitung, weil potenzierte Salze durch die Mundschleimhaut schnell in den Blutkreislauf und damit in den Körper gelangen und in verdünnter Form oft mehr erreichen können als nicht potenzierte Salze (beispielsweise das in Apotheken und Drogerien erhältliche Magnesium oder Kalzium). Bei der Wahl seiner homöopathisch aufbereiteten Salze berücksichtigte Schüßler einerseits die natürlicherweise in den Organen und Geweben vorkommenden Salze, andererseits die Funktionen, die sie im Körper beeinflussen. Mit dieser Methode hatte er großen Erfolg bei der Behandlung seiner Patienten.
Eine neue und natürliche Heilmethode, die in den folgenden Jahren weltweit Millionen von Anhängern fand, war geschaffen. Heute erleben die Mineralsalze des Oldenburgers, die Schüßler-Salze, eine Renaissance.
POTENZIERUNG DER SCHÜSSLER-SALZE
Die Homöopathie arbeitet mit nach den Richtlinien des Homöopathischen Arzneibuches verdünnten (= potenzierten) Substanzen. Die einzelnen Verdünnungsschritte werden mit einem »D« gekennzeichnet, das bedeutet Verdünnung in Zehnerschritten, zum Beispiel:
- D1 bedeutet, dass Ursubstanz und Trägerstoff (also Mittel und Milchzucker) im Verhältnis 1 : 10 miteinander gemischt werden, die D1-Potenz enthält ein Zehntel der Ursubstanz.
- D2 bedeutet eine Verdünnung von 1:100; die D2-Potenz enthält ein Hundertstel der Ursubstanz.
- Alle folgenden Potenzen werden ebenfalls in Zehnerschritten vollzogen.
Zum Beispiel Diphtherie: geheilt mit einem Schüßler-Salz
Schüßler,...