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Schwarzbuch Alpen

Warum wir unsere Berge retten müssen

AutorMatthias Schickhofer
VerlagChristian Brandstätter Verlag
Erscheinungsjahr2017
Seitenanzahl200 Seiten
ISBN9783710602351
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis6,99 EUR
Die Gebirgskette zwischen Nizza und Wien ist der bedeutendste wildnisnahe Raum im Herzen Europas. Gleichzeitig sind die Alpen das touristisch am intensivsten erschlossene Gebirge unseres Planeten. Kaum ein anderes Gebirge der Welt ist dichter besiedelt und wird intensiver wirtschaftlich genutzt. In keinem Gebirge wird mehr Ski- und Auto gefahren. Aber Klimawandel und fortschreitende Erschließung alpiner Naturlandschaften bringen unsere Berge an ihre Grenze. Machen wir weiter wie bisher - Intensivierung des Tourismus, der Industrialisierung der Bewirtschaftung -, wird dieser Lebensraum für unsere Kinder zusehends verloren gehen. Doch was wären Alternativen, die auch wirtschaftlich funktionieren würden? Unsere Alpen, das Rückgrat Europas, brauchen einen entschiedenen Systemwechsel.

Matthias Schickhofer ist Umweltschützer, Fotograf und Journalist. Die Alpen und ursprüngliche Wälder sind seit seiner Kindheit seine Seelenlandschaften. Seit vielen Jahren setzt er sich für den Erhalt unseres Naturerbes ein.

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Leseprobe

DIE EROBERUNG DER ALPEN


Am Beginn stand eine gewaltige Kollision: Vor 230 Millionen Jahren bildete sich zwischen Eurasien und Afrika ein seichtes Meer, die Tethys. Diese Senke füllte sich langsam mit abgestorbenen Lebewesen und Schutt. Daraus wurde später das Kalkgebirge. Dieser Vorgang spielte sich in vier Sedimentationsbecken ab, dem „Helveticum“, dem „Penninikum“, dem „Ostalpin“ und dem „Südalpin“. Die Namen geben Hinweise auf die Alpengebiete, in denen sich diese Sedimentgesteine heute befinden.

Vor 100 Millionen Jahren begann die afrikanische Platte gegen den eurasischen Kontinent zu driften. Die riesigen Landmassen schoben sich in extremer Zeitlupe übereinander, durch diese Verfrachtungen entstanden verschiedene Gesteinsdecken und die Sedimentablagerungen wurden nach Norden bewegt.

Vor etwa 30 Millionen Jahren setzte die alpidische Hebung ein: Die afrikanische Platte drückte stärker gegen die eurasische Landmasse und aus den Alpen wurde allmählich ein Hochgebirge. Flüsse und Eiszeitgletscher modellierten die alpinen Tallandschaften. Die Bewegung der Kontinentalplatten ist nicht zum Erliegen gekommen: Jedes Jahr rückt Rom einen halben Zentimeter näher an den Bodensee.

Wasser und Eis (Eiszeiten) bewirken eine beständige Abtragung der Alpen, ohne sie wären die Alpen wesentlich höher, zwischen 8000 und 10.000 Metern.

Zum Ende der letzten Eiszeit, vor etwa 12.000 bis 10.000 Jahren, waren die Alpen sehr wild und fast menschenleer. Damals wichen die riesigen, ganze Täler füllenden Gletscher, die viele Kilometer in das Alpenvorland vordrangen, wieder zurück und hinterließen zunächst eine Kältesteppe.

Bis vor etwa 10.000 Jahren lebten in Europa noch fantastisch anmutende Tiere wie das Woll-Mammut oder das Woll-Rhinozeros. Große Pflanzenfresser wie Wisente und Elche waren auch in den Alpen heimisch. Wisent-Knochen wurden im Alpenraum bis in große Höhenlagen gefunden.1 Noch im Frühmittelalter waren Wisente in Europa verbreitet.

Die einst vorherrschenden größeren Pflanzenfresser in den Alpen – Wisente, Elche, Steinböcke – wurden (bis auf Hirsche und Gämsen) ausgerottet oder stark dezimiert. Steinböcke waren bis in die Jungsteinzeit in verschiedenen Bergregionen das vorrangige Jagdwild. Um 1800 gab es nur mehr etwa 100 Tiere im italienischen Gran-Paradiso-Nationalpark. Im letzten Moment konnten diese Tiere geschützt und ein völliges Aussterben abgewendet werden. Mithilfe von Wiederansiedlungsprogrammen gelang es, den Steinbock in vielen Alpen-Gebieten wieder heimisch zu machen.

Als das Eis zurückwich, setzte auch die kontinuierliche Wiederbesiedlung durch die Menschen ein. Die frühen Siedler lebten als Jäger und Sammler. Aber schon früh begann die industrielle Nutzung der Alpen: Wie neue Forschungen ergeben haben, begann der Salzabbau in Hallstatt vermutlich deutlich früher als bisher angenommen. Bereits um 5000 v. Chr. wurde die Landschaft in diesem Gebiet intensiv bewirtschaftet. Hallstatt ist eine der ältesten Kultur- und Industrieregionen der Welt.

In der Jungsteinzeit bildeten sich sesshafte Bauernkulturen. Um die Mitte des 5. Jahrtausends v. Chr. wurde der zentrale Alpenraum für die Menschen auch als Dauersiedlungsraum interessant. Das führte zu einer zunehmenden Nutzung und Abholzung von Wäldern, zunächst im Einzugsbereich der Siedlungen. Auf den gerodeten Flächen wurde Ackerbau betrieben, im Wald weidete das Vieh.

Die bekannteste Gletschermumie, der „Ötzi“, stammt aus dem Zeitraum um 3200 v. Chr. Damals lebten die meisten Menschen bereits von Ackerbau und Viehzucht.

In der Bronzezeit (ca. 2200 v. Chr.) verdichtete sich die menschliche Präsenz. Die Menschen stiegen bereits auf die Berge, entfernten alpine Waldbestände und nutzten die frei werdenden Flächen als Sommerweiden. Davon zeugen Funde von Werkzeugen und Felsbildern in großen Höhen.

Die Römer begannen die Alpen systematisch zu erschließen und schufen ein erstes, großes Wegenetz. Das war die Grundlage für die Ausbreitung des Handels und der „Zivilisation“. Der Brennerpass wurde bereits im 2. Jahrhundert mit einer Straße gebändigt. Gehandelt wurde mit Salz, Holz oder Wein. An den Wegen entstanden Orte mit Herbergen, an den Kreuzungen und bei wichtigen Rohstoff-Abbaugebieten bildeten sich Städte.

Salz war im Mittelalter die begehrteste Handelsware. Viele alpine Ortsnamen mit dem Wort „Hall“ (das keltische Wort für Salz) zeugen von der Bedeutung der Salzgewinnung, etwa Reichenhall, Hallein oder Hall in Tirol. Ausgehend von den Salinen und Salzbergwerken in den Alpen entstanden Salzstraßen – Handelswege für den Salztransport zu den großen Städten.

Die Salzproduktion veränderte die Landschaft: Wälder wurden als „Salinenschläge“ abgeholzt, um Holz für die Befeuerung der Siedepfannen zu gewinnen. Das Holz für die Salinen musste „leicht“ sein, was die Anpflanzung von Fichten begünstigte.

Salzgewinnung und Bergbau brachten auch große Veränderungen für die Gesellschaft: An etlichen Orten schürften Tausende Knappen nach den begehrten Bodenschätzen. Das förderte auch die Ausbildung relativ fortschrittlicher Sozialsysteme. Bergbau-Städte wuchsen und wurden reich. Insgesamt entwickelte sich die Urbanisierung im Alpenraum aber viel langsamer als im europäischen Tiefland.

Die Landschaft der Alpen, wie wir sie heute kennen, wurde maßgeblich durch die Landwirtschaft geprägt: Die Täler und Almen der Alpen sind eine alte Kulturlandschaft mit lange zurückreichenden bäuerlichen Traditionen. Bergbauernhöfe wurden selbst in hoch gelegenen, oft nur schwer zugänglichen Lagen errichtet. Der Süden – die romanische Region – und der Norden – die germanischen Regionen – unterscheiden sich hinsichtlich der Bewirtschaftungsformen: In der romanischen Bergbauernwirtschaft haben Ackerbau und Milchwirtschaft den gleichen Stellenwert. Die sonnigen Lagen werden für den Ackerbau genutzt, auf schattigen und höher gelegenen Flächen finden sich Weiden. Es gibt Winter-, Sommer- und Almsiedlungen. Dank Realerbteilung bestehen die Siedlungen aus kleinen, verwinkelten Steinhäusern, die als „Haufendörfer“ auf den oft steilen Sonnenhängen kleben. Die romanischen Bergbauern waren wirtschaftlich autark. Nur Salz, zur Konservierung von Lebensmitteln, musste zugekauft werden.

Der Norden der Alpen weist ein feuchteres und kühleres Klima auf, was den Anbau von Getreide erschwert. Die germanische Berglandwirtschaft hat sich daher auf Grünland- und Viehwirtschaft spezialisiert. In den Nord- und Ostalpen fehlen somit Ackerterrassen. Weide und Wald gehören zum Hof, Allmende-Flächen (gemeinschaftlich bewirtschaftete Wälder oder Almen) gibt es im Unterschied zum romanischen Raum nicht. Almwirtschaft ist nur wenige Wochen im Jahr möglich. Meist erbt nur ein Sohn, daher dominieren über die Hänge verstreute, stattliche Bauernhöfe, die oft aus Holz gebaut sind. Die Bevölkerungsdichte in der romanischen Region ist viel höher, weil Ackerbau mehr Menschen ernähren kann.

Im späten 18. Jahrhundert entdeckte man die ästhetischen Reize der alpinen Welt. Die Alpen waren längst eine überwiegend vom Menschen geprägte Kulturlandschaft, mit Ausnahme der Zonen im Hochgebirge und der Steilhänge, die für die Nutzung ungeeignet waren. Das tat der Begeisterung der ersten Touristen für diesen – im Vergleich zum übrigen Europa – relativ naturnahen und daher faszinierenden Raum keinen Abbruch.

Die „Entdeckung“ der Alpen durch den städtischen Tourismus führte zu einem Umbruch in der Wahrnehmung und Bewertung dieses Gebirges in der Mitte Europas. Für die Bewohner waren die Alpen ein mit Gefahren und Mühsal verbundener, aber „alltäglicher“ Lebensraum. In den Städten hingegen dominierte das Bild der „schrecklichen“ Berge, die von mehr oder weniger kulturlosen (weil fernab der kulturellen Zentren lebenden) Menschen bewohnt werden. Der Alpenforscher Werner Bätzing spricht in diesem Zusammenhang von einem „Zerrbild, das mit der Realität dieses Gebirges wenig zu tun hat“2, weil bereits das Leben in diesem Raum eine hohe Kulturleistung darstellte.

Die Bewertung der Alpen als „schreckliches Gebirge“ wandelte sich zum ästhetisch verklärten Bild der „schönen Alpen“. Bätzing zufolge verlor die Natur aufgrund der „Herausbildung der modernen Naturwissenschaften“ und der „rationalen Weltsicht in Form der Aufklärung“ ihren Schrecken. Es entstand eine neue ästhetische Deutung einer „schrecklich-schönen“ Gebirgswelt, ein verklärtes, ländliches Idyll vor einer bedrohlichen, alpinen Kulisse. Laut Bätzing ist dieses neue „romantische“ Alpenbild ebenfalls ein Zerrbild, weil die Landschaft der Alpen nicht überall...

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