VORWORT
Seit einiger Zeit reise ich an einen Ort, den ich bisher kaum besucht habe: die Zukunft.
Als Catherine vor vierundzwanzig Jahren als psychiatrische Patientin zu mir kam, erinnerte sie sich mit verblüffender Genauigkeit an ihre vergangenen Leben, die zeitlich erstaunlich weit auseinander lagen: zwischen dem zweiten vorchristlichen Jahrtausend und der Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts. Dadurch hat sich mein Leben für immer verändert. Diese Frau berichtete von Erlebnissen und gab Beschreibungen vergangener Jahrhunderte, die sie aus ihrem jetzigen Leben unmöglich hätte wissen können; und sowohl ich – ein Psychiater, der auf der Columbia Universität und in Yale studiert hatte, ein Wissenschaftler – als auch einige meiner Kollegen konnten das alles nachprüfen und bestätigen. Meine »Wissenschaft« konnte dies allerdings nicht erklären. Ich wusste nur, dass Catherine das, was sie berichtete, tatsächlich erlebt hatte.
Im weiteren Verlauf von Catherines Therapie brachte sie Lehren der Meister mit in die Gegenwart: körperlose Führer oder Geister, die große Weisheit besaßen und Catherine umgaben, sobald sie von ihrem Körper getrennt war. Diese Weisheit hat seitdem sowohl meine Denkweise verändert als auch mein Verhalten beeinflusst. Catherine konnte so weit in die Vergangenheit reisen und hatte so transzendente Erlebnisse, dass mich ein starkes Gefühl des Zauberhaften und Geheimnisvollen überkam, wenn ich ihr zuhörte. Dies waren Ebenen, von deren Existenz ich nie etwas geahnt hatte. Ich war begeistert, erstaunt – und ich hatte Angst. Wer würde mir glauben? Glaubte ich es denn selbst? War ich geisteskrank? Ich kam mir vor wie ein kleiner Junge, der auf ein Geheimnis gestoßen war; ein Geheimnis, dessen Offenbarung unsere Auffassung vom Leben für immer verändern würde. Doch ich hatte das Gefühl, dass sich das niemand anhören würde. Ich brauchte vier Jahre, bis ich den Mut aufbrachte, Catherines und meine Reisen in Die zahlreichen Leben der Seele zu beschreiben. Ich befürchtete, dass die anderen Psychiater mich aus ihrer Gemeinschaft ausstoßen würden; aber in mir wuchs die Überzeugung, dass das, was ich schrieb, die Wahrheit war.
In den Jahren, die seitdem vergangen sind, ist diese Überzeugung felsenfest geworden und viele andere Menschen – sowohl Patienten als auch Therapeuten – haben die Gültigkeit meiner Entdeckung bestätigt. Inzwischen konnte ich über viertausend Patienten helfen, indem ich sie mittels Hypnose in ihre vergangenen Leben zurückführte. Meine Verblüffung über die Tatsache der Wiedergeburt mag inzwischen zwar nachgelassen haben, meine Faszination jedoch nicht. Und jetzt bin ich aufs Neue verblüfft und neue Implikationen haben mich belebt wie ein Jungbrunnen. Denn nun kann ich meine Patienten in die Zukunft führen und wir können sie uns zusammen ansehen.
Einmal hatte ich sogar versucht, Catherine in die Zukunft zu führen, doch sie berichtete nicht von ihrer, sondern von meiner Zukunft und sah deutlich meinen Tod. Es war, gelinde gesagt, beunruhigend! »Wenn Ihre Arbeit vollendet ist, wird auch Ihr Leben beendet sein«, sagte sie, »doch bis dahin wird noch viel Zeit vergehen. Viel Zeit.« Danach driftete sie auf eine andere Ebene und ich erfuhr nichts weiter.
Monate später fragte ich sie, ob wir nochmals in die Zukunft reisen könnten. Ich richtete diese Frage sowohl an ihr Unterbewusstsein als auch an die Meister, und diese antworteten an ihrer statt: Es ist nicht erlaubt. Vielleicht hätte es sie zu sehr verängstigt, die Zukunft zu sehen. Vielleicht war es auch der falsche Zeitpunkt. Ich war noch jung und hätte die spezifischen Gefahren, die eine Progression in die Zukunft mit sich bringt, wahrscheinlich nicht so kompetent handhaben können wie heute.
Eine Progression in die Zukunft ist für einen Therapeuten schwieriger als eine Rückführung in die Vergangenheit, weil die Zukunft noch nicht stattgefunden hat. Was passiert, wenn die Erlebnisse der Patienten gar keine Tatsachen sind, sondern der Fantasie entspringen? Wie sollen wir das nachprüfen? Es ist unmöglich. Bei einer Rückführung in die Vergangenheit wissen wir bereits, dass sich gewisse Dinge ereignet haben, und können dies in vielen Fällen auch beweisen. Aber angenommen, eine Frau im gebärfähigen Alter sieht die Zerstörung der Welt in zwanzig Jahren und denkt: »Ich werde kein Kind in diese Welt bringen. Es würde so früh sterben müssen.« Wer könnte ihre Vision bestätigen? Wer könnte die Logik ihrer Entscheidung beurteilen? Sie müsste eine sehr ausgereifte Persönlichkeit sein, um zu begreifen, dass das, was sie sah, entweder ein Zerrbild war oder ein Fantasieprodukt oder eine Metapher oder ein Symbol oder die wirkliche Zukunft – oder gar eine Mischung aus all diesen Elementen. Und was würde geschehen, wenn ein Mensch bei einer solchen Sitzung sieht, dass er in zwei Jahren sterben würde – beispielsweise bei einem Unfall, den ein betrunkener Autofahrer verursacht? Würde der Betreffende in Panik geraten? Würde er nie wieder Auto fahren? Würde die Vision zu Angstzuständen führen? Nein, sagte ich mir, lass das lieber bleiben. Ich hatte Angst vor sich selbst erfüllenden Prophezeiungen und vor den Auswirkungen auf labile Persönlichkeiten. Das Risiko, aufgrund eines Selbstbetruges zu handeln, war einfach zu groß.
Dennoch sind in den vierundzwanzig Jahren, seit Catherine meine Patientin war, einige andere Patienten spontan in die Zukunft gereist; oft in der Schlussphase ihrer Therapie. Falls sie nach meinem besten Wissen fähig waren zu erkennen, dass das, was sie sahen, möglicherweise ihrer Fantasie entsprang, ermutigte ich sie sogar, weiterzugehen. Ich sagte ihnen dann: »Hier geht es um Wachstum und Erfahrungen, die Ihnen dabei helfen werden, korrekte und weise Entscheidungen zu treffen. Wir werden jedoch Erinnerungen (ja, Erinnerungen an die Zukunft!), Visionen und alle Situationen vermeiden, die mit schwerer Krankheit oder Todesszenarien zu tun haben. Es geht nur darum, zu lernen.« Das Bewusstsein der Patienten folgte meinen Anweisungen tatsächlich, und der therapeutische Wert war beachtlich. Ich stellte fest, dass diese Menschen in der Folge weisere Entscheidungen fällten. Sie sahen in der nahen Zukunft eine Weggabelung und konnten fragen: »Was wird geschehen, wenn ich diesen Pfad nehme? Wäre es besser, den anderen zu wählen?« Und manchmal bewahrheiteten sich die Ereignisse, die sie in der Zukunft gesehen hatten.
Manche Menschen, die zu mir kommen, beschreiben präkognitive Erlebnisse: Sie wissen, dass etwas geschehen wird, bevor es eintritt. Erforscher von Nahtoderfahrungen dokumentieren dieses Phänomen; es reicht bis in vorbiblische Zeiten zurück. Denken Sie nur an Kassandra, die die Zukunft exakt vorhersehen konnte und der man nie glaubte.
Die Erfahrung einer meiner Patientinnen zeigt, welche Macht und welche Gefahren dieses Vorherwissen haben kann. Sie träumte immer wieder von der Zukunft und oft bewahrheitete sich, was sie geträumt hatte. Der Traum, der sie dazu bewegte, zu mir zu kommen, war eine Vision von ihrem Sohn, der einen furchtbaren Autounfall hatte. Sie sagte mir, es sei alles »real«. Sie sah es deutlich und hatte panische Angst, dass ihr Sohn so sterben würde. Allerdings hatte der Mann in ihrem Traum weißes Haar, ihr Sohn aber war ein dunkelhaariger Mann von fünfundzwanzig Jahren.
Plötzlich dachte ich an Catherine und hatte eine Eingebung; ich war sicher, dass mein Rat richtig war. »Hören Sie«, sagte ich, »ich weiß, dass sich viele Ihrer Träume erfüllt haben, aber das bedeutet noch lange nicht, dass auch dieser in Erfüllung gehen wird. Es gibt Geister; egal, ob man sie nun Engel, Beschützer, Wächter oder gar Gott nennt. Wir sind umgeben von höherer Energie, von höherem Bewusstsein, und diese Ebene kann eingreifen. Die religiöse Bezeichnung dafür ist Gnade, die Intervention eines göttlichen Wesens. Beten Sie oder senden Sie Licht aus; tun Sie, was Ihnen am ehesten entspricht.«
Sie nahm sich meinen Rat zu Herzen und betete, meditierte, formulierte Wünsche und visualisierte das Szenarium neu. Der Unfall fand dennoch statt, aber er verlief nicht tödlich. Sie hätte sich also nicht so sehr zu beunruhigen brauchen. Ihr Sohn erlitt Kopfverletzungen, trug aber keine bleibenden Schäden davon. Trotzdem war es ein traumatisches Erlebnis für ihn: Als die Ärzte seinen Kopfverband entfernten, sahen sie, dass sein Haar weiß geworden war.
Bis vor einigen Monaten führte ich meine Patienten in den seltenen Fällen, in denen ich die Progressionstherapie anwandte, in ihrem eigenen Leben vorwärts. Ich nahm die Progression nur dann vor, wenn ich sicher war, dass der Patient die nötige psychische Stabilität besaß, sie zu handhaben. Oft war mir die Bedeutung der Szenen, die sie erlebten, genauso unklar wie ihnen.
Im letzten Frühling hielt ich jedoch eine Vortragsreihe an Bord eines Kreuzfahrtschiffes. Bei solchen Veranstaltungen hypnotisiere ich oft alle meine Zuhörer, führe die ganze Gruppe in ein vergangenes Leben und anschließend wieder zurück in die Gegenwart. Einige reisen in die Vergangenheit, andere schlafen ein und wieder andere werden gar nicht hypnotisiert und bleiben einfach, wo sie sind. Diesmal reiste einer der Zuhörer – Walter, ein wohlhabender Mann und ein Genie auf dem Gebiet der Softwareentwicklung – sozusagen auf eigene Faust in die Zukunft. Er landete jedoch nicht in der Zukunft seines eigenen Lebens, sondern übersprang ein ganzes Jahrtausend!
Er war durch dunkle Wolken gereist und fand sich in einer anderen Welt. Über manche Gebiete, zum Beispiel über den mittleren Osten und Nordafrika, war...