Vorwort
Welche Bilder und Gefühle entstehen bei der Vorstellung der Arbeitswelt im Jahr 2025 in Ihrem Kopf? Stellen Sie sich menschenleere Produktionshallen vor? Massenweise entlassene Manager in langen Schlangen bei der Agentur für Arbeit? Computer (fast unsichtbar, da sie jetzt so klein sind), die Projekte und die Leistung der Mitarbeiter managen? Vielleicht sogar menschenleere Bürogebäude? Wo nur noch der Vorstand und die „digitalen Assistenten“ zusammenarbeiten und Entscheidungen fällen, die dann von Armeen von Robotern und Software umgesetzt werden? Treibt Ihnen schon die Vorstellung davon den Angstschweiß auf die Stirn? Haben Sie angefangen, für den Fall zu sparen, dass sie dann keine Arbeit mehr finden? Sind Sie eher jemand, der sagt: „Das ist doch alles Quatsch, es wird alles nicht so schlimm, ohne Menschen können die Unternehmen auch in der Zukunft nicht zurechtkommen, das haben sich alles irgendwelche irren Berater ausgedacht?“ Geht Ihnen all das „Geschwätz“ um die „neue Arbeit“ auf den Wecker? Finden Sie, dass wir uns mal wieder auf das Hier und Jetzt konzentrieren und unsere Arbeit tun sollten, anstatt dauernd vor Utopien zu zittern? Oder tendieren Sie eher dazu, fasziniert und neugierig auf diese große Wandlung zu schauen, kaufen sich immer die neuesten Gadgets und jede Woche die passenden Tech-Magazine? Stoßen Sie sogar selbst bei Ihren Kollegen und Vorgesetzten Diskussionen über eine eigene „digitale Strategie“ für das Unternehmen an?
Eins vorweg: Ich bin selbst kein Digital Native. Ich weiß über die Technologie wahrscheinlich nicht viel mehr als mein durchschnittlicher Leser – die Recherche zum Thema war daher ein spannender Lernprozess. So habe ich mir etwa die Fähigkeit des Menschen vorgenommen, die Zukunft zu prognostizieren, und festgestellt, dass wir nicht gerade gut abschneiden. Sogar die Experten eines US-Tech-Giganten wie IBM lagen meilenweit daneben, als sie 1943 einen weltweiten Bedarf an Computern von fünf Stück vorhersagten; auch in den 1980er Jahren gaben sie für den frisch entwickelten Personal Computer einen weltweiten Marktbedarf von lediglich 300.000 an. Über die Prognosen für den Aktienmarkt brauchen wir gar nicht zu sprechen. Und selbst unsere Wirtschaftsweisen korrigieren manchmal während des laufenden Jahres ihre Prognosen um Werte, die übersetzt schon mal eine Anpassung von 50% bedeuten (wenn etwa das Wachstum von einem halben Prozentpunkt auf einen viertel Prozentpunkt reduziert wird, umgekehrt ist es sogar eine Verdoppelung). Nun sind Dinge wie das Wirtschaftswachstum natürlich komplex und es gibt Unwägbarkeiten, die nicht vorhersehbar sind. Je komplexer das Vorhaben, desto schwerer die Vorhersage. Und das lässt sich für das Thema digitalisierte Welt mit Sicherheit mehrfach unterstreichen. Vorhersagen sind aus diesem Grund extrem schwer zu treffen, und auf zehn Jahre wohl schier unmöglich. Ich habe keine Illusionen, irgendeinen Beitrag in diese Richtung zu leisten. Und doch gibt es einige Faktoren, die erstaunlich konsistent vorhergesagt wurden, allen voran die Entwicklung von Computern im Sinne des Mooreschen Gesetzes. Es besagt, dass sich die Anzahl an Transistoren, die auf einen Mikrochip passen, alle zwei Jahre verdoppelt. Wenn diese Regel sich auch nur noch einige Jahre bewahrheitet, wird die Digitalisierung schlicht unvorstellbare Dimensionen annehmen.
Aber gerade deshalb finde ich das Thema umso spannender! Und daher interessiert es mich persönlich, was diejenigen, die am wahrscheinlichsten die Trends mitprägen werden, dazu sagen. Deshalb habe ich mich mit einigen von ihnen zum Thema unterhalten, um sie hier zu Wort kommen zu lassen. Mich, der den Menschen im Fokus seiner Arbeit sieht, interessiert insbesondere auch, was nun diese unsichere, volatile Situation in uns auslöst, wie sie sich auf unsere Leistung, auf unsere Potentiale, unser Verhalten und letztendlich auf die Arbeit unseres Gehirns auswirkt. Denn unter solchen VUKA-Umständen ganz cool das Beste aus sich selbst rauszuholen wäre fast übermenschlich. Deshalb sind das Anliegen und der Anspruch dieses Buchs, gemeinsam mit dem Leser zu reflektieren, welche Reaktionen natürlich sind, wie diese natürlichen Reaktionen unser Wohlbefinden und unsere Leistungsfähigkeit einschränken können und was Sie aus eigener Kraft tun können, um in eine Haltung zu kommen, die Ihnen Kraft, die Klarheit und die Einsicht gibt, sich mit allen „PS“ mutig auf die Brücke zwischen alter und neuer (Arbeits-)Welt zu begeben und Ihren Weg nach „drüben“ zu finden. Auch darüber habe ich mit namhaften Wissenschaftlern und Experten gesprochen.
Im ersten Teil des Buchs beschreibe ich die derzeitigen Rahmenbedingungen und lasse Experten, Vordenker und Führungskräfte zu Wort kommen, deren Sicht Sie lesen sollten, wenn Sie den Kontext beurteilen können wollen. Hier erfahren Sie auch, was manche Unternehmen konkret im Bereich der Digitalisierung und der Transformation in eine andere Form, miteinander zu arbeiten, bereits tun. In Teil II werfen wir einen tieferen Blick in die Mechanismen, die ein solches Umfeld bei uns Menschen ganz natürlicherweise auslöst, um dann im dritten Teil Lösungen anzubieten. Bei diesen Lösungen geht es nicht um digitale Geschäftsmodelle oder technologische Strategien, und nur ganz am Rande um Organisationsmodelle. Vielmehr geht es mir schwerpunktmäßig darum, Ihnen Ideen anzubieten, wie Sie sich als Einzelner oder auch als Manager eines Teams oder eines Unternehmens ein- und umstellen können.
Den Kern der Lösung, die ich anbiete, nenne ich „Coaching“. Das ist ebenso wenig im Sinne eines Sport-Trainers zu verstehen wie im Sinne eines professionellen Business-Coachs, der als externer Berater Führungskräfte oder Teams unterstützt. Ich bin davon überzeugt, dass sich Führungskräfte in der Wirtschaft neu, aber nicht komplett neu erfinden werden: erstaunlicherweise werden sie eben nicht ausschließlich mit Robotern und mit Software kommunizieren, sondern sie werden sogar mehr als heute mit Menschen sprechen – doch auch dies in einer überarbeiteten Rolle: nicht mehr in einer klar definierten Hierarchie, in der Entscheidungen und Informationen auf- und ab-„kaskadiert“ werden. Führungskräfte werden genau das verstärkt machen, was Menschen eben besser können als Maschinen. Und dafür ist eine „Coaching-Haltung“ eine unbezahlbare Kompetenz. Was genau ich unter einer „Coaching-Haltung“ verstehe, erfahren Sie in Teil III. Nicht nur Führungskräfte können das mit ihren Mitarbeitenden und Stakeholdern umsetzen, sondern wir alle können diesen Ansatz und diese Werkzeuge nutzen, um uns selbst zu „coachen“.
Damit Sie nicht nur wissen, was Coaching ist und wie ich mir das in der Umsetzung vorstelle, sondern Sie selbst auch lernen können, wie das in der Praxis funktioniert, gibt es Teil IV: das „Praxishandbuch“. Hier können Sie die einzelnen Techniken lernen, Selbsteinschätzungen vornehmen und konkrete Umsetzungspläne machen. Eine Coaching-Haltung lässt sich wunderbar mithilfe von Achtsamkeitstraining lernen, da Mindfulness (Achtsamkeit) ein radikaler Bruch mit unserem „normalen“ Kommunikations- und Denkstil ist. Achtsamkeit ist zudem aus meiner Sicht die zweite Kernkompetenz, die Sie auf der Brücke zwischen der alten und neuen Welt brauchen. Achtsamkeit hilft uns, die eigenen Mechanismen zu beobachten, die uns im Denken, Fühlen und Handeln immer wieder in automatischen Mustern – auf „Autopilot“ – halten. Sie hilft uns, zu diesen Mustern die nötige Distanz aufzubauen, die wir brauchen, um uns aus dem Automatismus zu lösen, und gibt uns letztlich die Flexibilität, um dann, wenn es darauf ankommt, neue Handlungsalternativen entwickeln zu können. Deshalb erhalten Sie auch hierzu einen „Crashkurs“, denn ich möchte Sie auch damit ein Stück weit für Ihre Praxis ausrüsten. Wenn Sie während der Lektüre der ersten drei Teile die Begriffe „Mindfulness“ oder „Coaching-Haltung“ so neugierig machen, dass Sie es nicht mehr aushalten, dann springen Sie auch gern mal zum Teil IV und schnuppern in einige der praktischen Übungen hinein, um dann wieder zu mehr theoretischer Diskussion zurückzukehren. Übrigens, „Mindfulness“ und „Achtsamkeit“ verwende ich austauschbar. Lassen Sie sich aber nicht in die Irre führen, denn „Sei achtsam“, sagt man einem Kind, wenn es eine Straße überquert. In diesem Buchkontext ist allerdings eine andere Bedeutung, eine andere Qualität von Aufmerksamkeit gemeint. Daher hilft mir der englische Begriff, eine neue Bedeutung zu prägen, der für uns Deutschsprachige meist neu ist.
Zu guter Letzt noch ein Hinweis auf die Art, für die ich mich entschieden habe, um mit dem Thema Geschlechter sprachlich umzugehen. Ich habe im Interesse der Lesbarkeit darauf verzichtet, jedes Mal die weibliche und männliche Form einer Begrifflichkeit zu verwenden, auch wenn ich mich mit der größtmöglichen Wertschätzung immer stellvertretend auf beide Geschlechter gleichbedeutend beziehen möchte. Vielen Dank für Ihr...