2 Lernen Sie Ihren Selbstwert kennen
Es ist kein Geheimnis: Das wahre Selbstbewusstsein kann nur aus dem Wissen um die eigene Identität kommen. Scheuen Sie sich daher nicht, sich mit sich selbst zu beschäftigen, um in Beziehung mit sich selbst zu kommen. Das hat nichts mit egoistischem Verhalten zu tun. Egoisten verschaffen sich Vorteile auf Kosten anderer. Sie setzen stur ihre Interessen durch, ohne Rücksicht auf Verluste – das ist nicht unser Ziel.
Ein gesundes Ego dagegen ist unbedingt notwendig, um einen klaren Standpunkt zu beziehen. Wenn uns der direkte Kontakt zu unserem Selbstwert fehlt, machen wir unseren Wert an Äußerlichkeiten wie Geld, Erfolg und Macht fest. Manchen gelingt das Spiel eine Zeit lang ganz gut, andere schaffen es sogar, sich selbst davon zu überzeugen, und halten an dem Schein fest, um nicht das nagende Gefühl der Unzulänglichkeit spüren zu müssen. Aber dauerhaft ist das keine sinnvolle Lösung, denn außen werden wir unsere Erfüllung nicht finden.
Jetzt fragen Sie sich sicher: Was ist denn dann die Lösung? Auf den Punkt gebracht: die Erkenntnis, dass das Gefühl der Minderwertigkeit ein Missverständnis ist! Richten Sie Ihre Antennen erst nach innen, und dann werden Sie in der Lage sein, Ihr einzigartiges und (wieder-)entdecktes Potenzial, das in Ihnen angelegt ist, im Außen zu verwirklichen.
Um einen klaren Standpunkt zu beziehen, ist ein gesundes Ego unbedingt notwendig.
Zurück zu den Wurzeln
Um die Eigendynamik des Selbstwertgefühls zu entschlüsseln, müssen wir ihr auf den Grund gehen. Dazu ist es sinnvoll, in der Kindheit zu starten. Kindheitserfahrungen haben im hohen Maße Einfluss auf unser späteres Leben. Negative Aussagen und Botschaften von Eltern, Geschwistern und Freunden, seien sie noch so unbedacht dahergesagt oder im Kern vielleicht sogar gut gemeint, brennen sich ein und hinterlassen oft bis in das Erwachsenenalter Spuren. Sie prägen unsere Glaubenssätze und haben eine größere Macht über uns, als gut für uns ist.
Haben Sie früher zum Beispiel regelmäßig gehört, dass Sie ein Dummkopf sind und zwei linke Hände haben oder für eine bestimmte Sportart zu dick, zu groß, zu dünn oder zu klein sind, wird diese Äußerung vermutlich bewusst oder unbewusst eine Auswirkung auf Ihren Umgang mit Herausforderungen oder bei der Auswahl Ihrer Hobbys haben. So haben Sie sich vielleicht gegen eine Sportart entschieden, die Ihnen intuitiv entsprochen hat, oder haben ständig mit Versagensängsten gekämpft. Zum Glück hinterlassen nicht alle negativen Botschaften einen Nachhall. Dennoch überdauern viele dieser Sprüche und bringen unser Selbstwertgefühl langfristig aus der Bahn. Das Ergebnis ist: Wir trauen uns vieles nicht zu, hadern mit unserem Aussehen und warten, bis sich die Botschaften zu selbst erfüllenden Prophezeiungen entwickeln.
Beispiel
Peter war in seiner Kindheit ein überdurchschnittlich aufgeweckter und äußerst neugieriger Junge, der zum Leidwesen seiner Familie ständig Fragen stellte, Dinge ausprobierte, Experimente machte und auch sonst seine Nase in Sachen steckte, die für sein Alter noch nicht gedacht waren. Da seine Eltern wenig Zeit für ihn hatten und leider auch für sein offenes Wesen wenig Verständnis, erlebte er die Reaktion auf sein Verhalten als Ablehnung. Das führte dazu, dass er sich zurückzog und seinen Ideenreichtum und seine Neugierde nicht als Gabe, sondern als Last empfand. Später als Erwachsener entschied er sich für eine Tätigkeit, bei der seine Ideen nicht gefragt sind, und so lebt er ständig mit dem nagenden Gefühl, sein wahres Potenzial nicht entfalten zu dürfen.
Rucksack der Kindheitserfahrungen
Worte haben die Macht, zu erschaffen und leider auch zu zerstören. Sie formen die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Als Mann kennen Sie vielleicht diese Botschaft: „Indianer kennt keinen Schmerz und keine Tränen!“ – Wie soll ein Mann später Gefühle zulassen und zeigen, wenn er selbst davon überzeugt ist, dass ihm das nicht zusteht? Als Frau haben Sie vielleicht diesen Satz öfter gehört: „So vernünftig wie du bist, kannst du das sicher verstehen.“ Wenn Ihnen Mutter und Vater auf diese Weise glaubhaft gemacht haben, dass Sie sich nicht wehren dürfen, wissen Sie, wieso Sie regelmäßig zugunsten anderer zurückstecken. Daraus resultiert Verständnis für alle, nur nicht für sich selbst.
Die gute Nachricht lautet: So muss es nicht bleiben! Sie können Ihre Glaubenssätze auf den Prüfstand stellen, sie analysieren, entkräften und bei Bedarf in positive Affirmationen umwandeln.
Übung
Wir dürfen auch mal einen Blick in den Rucksack der Kindheitserfahrungen hinein wagen, um veraltete und belastende Muster zu identifizieren und rauszuwerfen. Das entlastet für die Zukunft, auch wenn es zunächst leichter gesagt als getan ist. Nehmen Sie dazu ein Bild Ihrer Ursprungsfamilie und schauen Sie es sich genau an. Lassen Sie es zunächst nur auf sich wirken. Wenn Sie kein Bild zur Hand haben, schließen Sie Ihre Augen und lassen ein Bild vor Ihrem inneren Auge entstehen. Überlegen Sie im zweiten Schritt, welche Werte und damit Botschaften Ihnen Ihre Eltern in Ihrer Kindheit vermittelt haben, und notieren Sie diese. Alles, was wir verschriftlichen, machen wir auch der visuellen Wahrnehmung zugänglich. Auf diese Weise werden Zusammenhänge besser sichtbar und verständlicher.
Wenn Ihnen dabei (zunächst) nur positive Aussagen einfallen, dann listen Sie auch diese auf, und erfreuen Sie sich an der Vorstellung, an ihnen gewachsen zu sein.
Tauchen dagegen negative Leitsätze auf, überlegen Sie im nächsten Schritt, wie Sie diese in positive ändern können.
Schreiben Sie Ihren neuen Leitsatz auf, und legen oder kleben Sie den Zettel an eine strategisch günstige Stelle, wo Sie ihn immer wieder entdecken, sodass Sie sich den Inhalt stets aufs Neue ins Gedächtnis rufen. Die alten Leitsätze können Sie gern in einem Ritual loswerden, zum Beispiel indem Sie diese auf einen Zettel schreiben und ihn feierlich verbrennen oder zerschreddern. Tauchen diese später noch auf, was nicht ungewöhnlich wäre, dann ärgern Sie sich nicht darüber, sondern rufen Sie sich den neuen Leitsatz bewusst ins Gedächtnis. Mit der Zeit wird er den alten überdecken und aus Ihrer mentalen Software verdrängen. Loben Sie sich für jeden Fortschritt, den Sie auf dem Weg zu mehr Selbstwertgefühl verzeichnen. Denn Sie sind es wirklich wert!
Essenz des Selbstwerts
Spiegelung und zwischenmenschliche Bindungen tragen wesentlich zur Entwicklung eines positiven Selbstwertgefühls bei. „Spiegeln“ bedeutet, von anderen beachtet und ernst genommen zu werden. Wird ein Kind nicht gespiegelt, erlebt es sich als allein gelassen und abgelehnt. Es entsteht ein Defizit im Selbstwertgefühl, weil sich dieses nicht entwickeln kann. Diese Erfahrung wird im Gehirn im sogenannten limbischen System gespeichert und steht dem Betroffenen unter Umständen unbewusst noch im Erwachsenenalter im Weg. Wenn wir uns dagegen in den Augen einer vertrauten Person als wichtig und liebenswert erleben, empfinden wir das Wohlwollen und die Zuwendung anderer als natürlich. Wir sind nicht in den Gefühlen der Unzulänglichkeit gefangen, sondern vielmehr bereit, unsere positiven Gefühle in Fürsorge und Empathie anderen Menschen gegenüber zu kanalisieren, Liebe und Dankbarkeit zu empfinden. Sich selbst auf diese Weise wertzuschätzen, ist die Essenz des Selbstwertgefühls.
Tipp
Ein Kind, das spürbar geliebt und ermutigt wird, statt dauernd ermahnt und kritisiert, tut sich meist leichter, von seinem Selbstwert überzeugt zu sein. Dagegen sucht ein Kind, das Spiegelung nie erlebt hat, diese zeitlebens in der Bewunderung durch andere Menschen. Beachten Sie dies bei der Erziehung Ihrer eigenen Kinder oder in der Begegnung mit anderen. Denn auch Fremde können einen enormen Einfluss auf ein Kind haben.
Seelenverträge
Glaubenssätze
Glaubenssätze entwickeln sich nicht nur in der Kindheit, sondern ein Leben lang. Sie entstehen durch ein eindrückliches Einzelerlebnis oder durch lang andauernde Erfahrung. Sie werden zu Verträgen, die unser Handeln und Erleben auf dieser Welt bestimmen. Wer zum Beispiel glaubt, das Leben sei ein Geschenk, sieht jedem Tag mit Freude und Zuversicht entgegen – und er wird meist auch als besonders stark und belastbar empfunden. Diese Menschen haben es sicher nicht objektiv leichter, aber sie scheinen Krisen gefestigter zu überstehen und blicken voller Selbstvertrauen auf die Zeit danach. Woran liegt das? In den meisten Fällen liegt es an ihren Seelenverträgen, die sich im Gewand positiver Glaubenssätze manifestiert haben.
Manche Glaubenssätze tarnen sich übrigens so raffiniert, dass wir sie für Tatsachen halten. Insbesondere wenn wir in einem Umfeld aufwachsen oder leben, in dem gewisse Überzeugungen von allen geteilt werden. Sie formen unseren Geist und unsere Grundhaltung dem Leben gegenüber. Während ein Pessimist sagen würde: „Wer hoch hinaus will, fällt tief“, würde ein Optimist rufen: „Nichts ist unmöglich!“
Übung
Überlegen Sie in aller Ruhe, welche Überzeugungen und Seelenverträge Ihr Dasein bestimmen. Vielleicht mögen Sie auch darüber nachsinnen, wie diese entstanden sind. Es kann durchaus Überschneidungen geben mit den Glaubenssätzen aus der letzten Übung. Nichts wäre einleuchtender als das. Nutzen Sie diese Tatsache als Antrieb, um Ihre verzerrte Wahrnehmung richtigzustellen.
Halten Sie bei verschiedenen Gelegenheiten einmal inne, und sehen Sie sich den Glaubenssatz, der in diesem...