Innerhalb dieses Abschnitts wird die wertorientierte Ausrichtung im strategischen Management implementiert. Die Anwendung des Shareholder Value Konzept bzw. des wertorientierten Managements und das Strategische Management haben eine Grundausrichtung gemeinsam: Es handelt sich hierbei eine langfristige Gesamtplanung zur Erreichung der gesteckten Zielpositionen. Die Entscheidungen, die im strategischen Management getroffen werden, sind analog zum wertorientierten Management mit einem hohen Maß von Unsicherheit verbunden und schwer zu strukturieren.
Die Wertorientierung in das Zielsystem[63] einer Unternehmung einzuarbeiten, stellt eine Grundvoraussetzung für die erfolgreiche Implementierung eines wertorientierten Managements dar. Wie oben bereits angedeutet und in der Diskussion verdeutlicht wird, hat das Shareholder Value, als Oberziel, Schwächen, da es nur die Steigerung der Eigentümerrenditen in Form von Aktienkurssteigerungen und Dividenden im Fokus hat. Aufgrund der Schwächen des Shareholder Value erscheint die Unternehmenswertsteigerung im Zielfokus als der geeignete Wert und müsste in unterer Grafik den SV als Oberziel ablösen. Eine konsequente Orientierung an den Unternehmenswert geht dabei einher mit steigenden Aktienkursen und Dividenden[64], wie im empirischen Teil der Arbeit gezeigt wird. Auch beim wertorientierten Management umfasst der Prozess die bekannten Phasen des Strategischen Managements: Zielplanung, Strategische Analyse, Strategieformulierung– und Bewertung und die Strategieimplementierung.[65] Das Strategische Management geführt als wertorientiertes Management wird in dieser Arbeit als Prozess dargestellt und folgt damit dem klassischen Strategieverständnis in der Harvard Tradition. Die Kernaufgabe eines wertorientierten Managements liegt in der Bewertung zukünftiger Strategie- und Investitionsalternativen.
Abbildung 1 Ansatzpunkte eines wertorientierten Managements
Quelle: Welge/Al-Laham (2001), S. 145
Der Planungsprozess bei einem wertorientierten Management unterscheidet sich nicht vom Planungsprozess anderer Strategiekonzepte. Auch hier müssen Ziele gebildet, die die normative Vorstellung über den Zielzustand der Unternehmung wiedergeben. Es müssen Strategische Geschäftseinheiten[66] abgegrenzt werden, für die einzelne Strategien entwickelt werden. Gomez schlägt unter anderem die Bildung einer Vision vor.[67] Eine Vision gibt dabei den gewünschten Zukunftszustand der Unternehmung wieder. Die Vorstellungen und Ziele sind in der Regel wenig konkretisiert. Vielmehr müssen Fragen beantwortet, wie „Was stellt das Unternehmen heute dar“; „Wer ist der Kunde und wie sieht er das Unternehmen“; „wie wird das Unternehmen in Zukunft aussehen bzw. was sollte das Unternehmen in Zukunft sein“, um eine stufenweise Entwicklung der Vision und der Ziele vornehmen zu können.[68] Aufgrund divergierender Ziele innerhalb der Anspruchsgruppen erscheint das Ziel, eine Vision für alle zu schaffen, unrealistisch. Vielmehr muss ein gemeinsames Ziel verfolgt werden, was in gewisser Art und Weise allen zu Gute kommt. Aus diesem Grunde scheint die Unternehmenswertsteigerung als gemeinsames Oberziel sehr geeignet. Dieses Problem der Zielbildung wird ausführlicher im Diskussionsteil behandelt. Die Wichtigkeit der Zielbildung, vor allem auch im wertorientierten Management, fassen Welge/Al-Laham zusammen.[69] Dabei kommt den Zielen eine Selektionsfunktion zu Gute, weil die bewusste Auswahlentscheidung von Strategien erst durch Ziele ermöglicht wird. Das Ziel dient der Orientierung, Steuerung, Koordination, der Motivation, dem Anreiz, der Bewertung, sowie der Kontrolle, wobei in dieser Arbeit nicht näher auf die einzelnen Funktionen eingegangen wird.[70] Unabhängig davon müssen die abgeleiteten Ziele des Oberziels operationalisiert werden, weil ansonsten keine ausreichende Erfolgskontrolle vorgenommen werden kann. Die Unternehmenswertschaffung als Oberziel wird diesen Voraussetzungen gerecht. Es stellt ein klar operationalisiertes Ziel dar, welches überwacht und kontrolliert werden kann.
Die klassische strategische Analyse und die wertorientierte Analyse sind als komplementäre ganzheitliche Instrumente des wertorientierten Management zu verstehen. Zukünftige Chancen und Risiken hängen zum einen von den Parametern der externen Umwelt (Globale Umwelt, Branchenstruktur und Branchendynamik[71]) und zum anderen von der Internen Umwelt (Unternehmensumwelt) ab. Die interne Umwelt repräsentiert die internen Stärken und Schwächen einer Unternehmung. Die Analyse dient der Entdeckung der Voraussetzungen die innerhalb einer Unternehmung gegeben sein müssen, damit Wettbewerbsvorteile überhaupt entstehen können. Stellvertretend für diese Grundausrichtungen strategischer Managementansätze stehen Porter[72] (marktorientierte Sicht; Anwendung primär durch eine systematische, Branchenstruktur-, Wettbewerbs- und Wertkettenanalyse), Wernerfelt (ressourcenorientierte Sicht; Analyse setzt hierbei bei den Ressourcen bzw. Kernkompetenzen an), und eben Rappaport[73] mit seiner wertorientierten Sicht (systematische Wertsteigerungsanalyse über Wertkettenanalyse und Bewertung nach Wertbeitrag). Dabei ist das wertorientierte Konzept nicht als konkurrierend zu den anderen Strategiekonzepten anzusehen, sondern baut vielmehr auf den gewonnen Kenntnissen aus den Analysen nach Wernerfelt und Porter auf. Ein wertorientiertes Management kann nur dann erfolgreich umgesetzt werden, wenn vorher eine ausreichende Beurteilung des Marktes bzw. der Branche vorgenommen wurde, die Wettbewerbsanalyse unter Einschluss der Ressourcen- und Kernkompetenzanalyse erfolgt ist. So können der markt- und der ressourcenorientierte Ansatz wichtige Grundlagen für die Strategieformulierung liefern. Wie soll auch eine Strategie formuliert werden, ohne vorher die Bedingungen des Wettbewerbs geprüft zu haben bzw. die verfügbaren Ressourcen und Kernkompetenzen zu kennen. Zu Ermittlung der Intensität des Wettbewerbs und der Branchenstruktur dienen die von Porter stammende Branchenstrukturanalyse sowie die Branchensegmentierung. Ohne jetzt näher auf das Grundgerüst von Porter einzugehen, bleibt für das wertorientierte Management festzuhalten, dass die fünf Wettbewerbskräfte innerhalb der Branchenstrukturanalyse die Wertsteigerung bzw. Eigentümerrendite maßgeblich beeinflussen.[74] Die Wettbewerbskräfte können Preise, Verkaufsmengen, Kosten, Investitionen und das Risiko innerhalb einer Branche beeinflussen und bilden damit die Bausteine für die Werttreiber. Die Bedrohung durch neue Anbieter ist z.B. beeinflussbar durch die Schaffung von Eintrittsbarrieren. Eintrittsbarrieren stellen für neue Anbieter in bestehenden Branchen Markteintrittsbeschränkungen dar. Die Höhe der Eintrittsbarrieren wird beeinflusst durch die Schaffung von economies of scale (Größenkostenvorteile), Produktdifferenzierung, Umstellungskosten, die speziell verbunden sind mit den Kosten des Eintritts und dem späteren etwaigen Austritt (Entstehung von sunk costs), Kapitalbedarf und staatlichen Einflüssen. Economies of Scale liegend dann vor, wenn mit steigender Produktionsmenge die Stückkosten pro Periode sinken. Diese Größenvorteile würden den Zutritt neuer Konkurrenten immens erschweren, da die Konkurrenten ebenfalls mit großen Produktionsvolumina in Markt einsteigen müssten, um bei den Kosten und schließlich beim Preis konkurrenzfähig zu sein.[75] Die Kostenvorteile können über alle Funktionsbereiche hinweg generiert werden (Einkauf, Produktion, Vertrieb, Forschung), die dann schließlich die Werttreiber betriebliche Gewinnmarge, Investitionen ins Umlaufvermögen und den Investitionen ins Anlagevermögen beeinflussen.[76]
Die Produktdifferenzierung dient ebenfalls als Eintrittsbarriere, da die Unternehmung durch Schaffung eines Zusatznutzen beim Produkt, einen besonders außergewöhnlichen Kundendienst oder auch tatsächlichen Unterschieden in den Produktmerkmalen einen höheren Preis fordern kann. Dieser erhöhte Preis wirkt sich dann wieder auf die Werttreiber Umsatzwachstum und betriebliche Gewinnmarge aus. So lassen sich die jeweiligen Wettbewerbskräfte, mit den strukturellen Einflusskräften und den Werttreibern in Verbindung bringen. Wichtig ist die Feststellung, dass es einen entscheidenden Zusammenhang zwischen den Wettbewerbskräften und den Werttreibern gibt. Auch wenn die Branche attraktiv erscheint, ist es wichtig, die eigene Position innerhalb der Branche zu beurteilen. Auch wenn sich die Geschäftseinheit in einer sehr attraktiven Branche befindet, kann eine schwache Wettbewerbsposition das Wertsteigerungspotential beschränken. Andererseits können schwache Wettbewerbspositionen durch Änderungen der eingesetzten Strategien positiv beeinflusst werden.[77] Eine starke Wettbewerbsposition in unattraktiven Branchen kann ebenfalls ein großes Wertsteigerungspotential aufweisen. Selbst innerhalb der Branche kann es verschiedene Branchensegmente geben, die unterschiedliche Strukturen aufweisen. Deshalb ist es wichtig, die Wettbewerbsposition vor dem Hintergrund jenes...