Jeder Urban Explorer, der sein Hobby ernst nimmt, befolgt einige Regeln, die sich die internationale Urbexer-Gemeinde selbst auferlegt hat, um sich von Vandalen und ähnlichen zwielichtigen Gestalten abzugrenzen. Die einzelnen Regeln sind zwar nicht in Gesetzestafeln geritzt und werden auch recht unterschiedlich formuliert, doch der Tenor ist immer derselbe.
Verändere nichts, nimm nichts mit, mache nur Fotos und lass nichts zurück außer deinen Fußspuren. Dieser Ehrenkodex lässt sich auch etwas ausführlicher interpretieren. Dazu seien hier Regeln zitiert, die sich so auf zahlreichen Webseiten der Urbex-Szene finden:
Dieser Codex lässt sich um weitere Regeln ergänzen, die eigentlich jedem eingängig und klar sein sollten, der sich in verlassenen Gefilden herumtreibt: Selbstverständlich entsorgt man keinen Müll in oder um einen Lost Place, selbst wenn es dort schon aussieht wie bei einem Messie im Wohnzimmer. Man besprüht nichts mit Graffiti und wirft nichts um. Eine der wichtigsten Regeln aber sollte sein, in oder an einem Gebäude, das weder einen Wasseranschluss noch eine Sprinkleranlage noch einen Feuermelder hat, zu rauchen oder Kippen wegzuwerfen!
Jedes Jahr brennen einige schöne Lost Places ganz oder teilweise ab. In vielen Fällen dürften Brandstifter am Werk gewesen sein. Ich gehe aber davon aus, dass manche Feuersbrunst auch durch die hirnlose Unachtsamkeit irgendeines nikotinsüchtigen Urbexers, Paintballers oder Geisterjägers verursacht wird. Jeder Lost Place ist einmalig und unwiederbringlich. Ist er erst mal abgefackelt, baut ihn niemand wieder auf.
Schweigegelübde
Um keine Vandalen, Brandstifter oder Kupferdiebe anzulocken und die Zerstörung gefundener Lost Places zu forcieren, folge auch ich dem Beispiel der meisten Urbexer und gebe keinerlei Auskünfte darüber, wo ich meine Motive gefunden und fotografiert habe. Anfragen dazu sind völlig zwecklos und werden nicht beantwortet! Werden in diesem Buch die Namen und Standorte von Locations genannt, handelt es sich dabei um allgemein bekannte und normalerweise auch frei zugängige Orte, die also weder verloren noch verlassen sind. Die Geheimhaltung ist kein Affront gegen ernsthafte Fotografen, die den Codex befolgen. Man kann aber nie ausschließen, dass ein solches Buch auch in die Hände von Leuten gelangt, die keinen Respekt vor fremdem Eigentum haben. Selbst einige Protagonisten der Urbex-Szene halten sich nicht an die selbst auferlegten Regeln. Daher erscheint es geraten, sensible Informationen unter Verschluss zu halten, um die erkundeten Lost Places nicht zu gefährden. Bei einigen Eigentümern morbider Orte stehe ich zudem im Wort, nichts preiszugeben. Ich bitte um Verständnis für diese Entscheidung.
Worauf man sich einlässt
Ruinen sind keine rechtsfreien Räume. Verlassene Gebäude sind nicht herrenlos. Wer sie erkundet, wandelt auf einem schmalen Grat zwischen einem harmlosen Fotoabenteuer und einem kriminellen Akt. Sie sollten also zumindest wissen, worauf Sie sich einlassen, bevor Sie sich durch ein Loch im Zaun zwängen oder in eine leere Fensterhöhle steigen.
Riskante Touren
Betreten Sie privaten Grund und Boden oder gar ein Gebäude, um dort zu fotografieren, ohne eine Genehmigung des Eigentümers zu haben, ist dies streng genommen bereits Hausfriedensbruch und eine Straftat, die sogar mit Gefängnis bestraft werden könnte. Vielen Urbexern ist dies vielleicht nicht bewusst oder zumindest egal, wenn sie in verlassene Bauwerke einsteigen oder über Mauern klettern, um dorthin zu gelangen. Werden sie erwischt und angezeigt, kann das teuer werden.
24 mm | f/11 | 1/60 s | ISO 200
"Dezenter Hinweis auf einem verlassenen Grundstück."
Nun ist es ja oft recht schwer, manchmal auch kaum möglich, schon vor dem Betreten eines Privatgeländes den Eigentümer zu befragen oder diesen überhaupt erst mal ausfindig zu machen. Hier bewegen Sie sich auf unsicherem Terrain. Gibt es keinen Zaun, keine Mauer und keine Schilder, die Sie darauf hinweisen, dass Sie nun privates Eigentum betreten, kann man Ihnen vermutlich nur schwer einen Gesetzesbruch vorwerfen oder nachweisen. Betreten Sie aber ein Gebäude, auch wenn dies völlig verlassen und verfallen irgendwo in freier Landschaft steht, muss Ihnen bewusst sein, dass es keine Hinweisschilder braucht, um zu wissen, dass man eine Grenze überschritten hat.
„Wo kein Kläger ist, ist auch kein Richter.“
Das trifft natürlich in vielen auch zweifelhaften Fällen zu. Sie können also Glück haben, und niemand interessiert sich dafür, ob Sie unerlaubt in einen privaten Besitz eindringen und dort fotografieren. Es kann aber auch schiefgehen. Wer seine fotografischen Jagdtrophäen stolz im Internet präsentiert, bezichtigt sich damit nicht nur selbst einer Straftat, sondern liefert auch die Beweismittel dafür gleich mit.
Panoramafreiheit?
In Deutschland dürfen Sie von öffentlichem Grund und Boden aus jedes Bauwerk ohne besondere Zustimmung des Eigentümers fotografieren und diese Fotos auch veröffentlichen, selbst wenn das fotografierte Gebäude auf Privatgrund steht. Ausnahmen von dieser sogenannten Panoramafreiheit, die im Urheberrechtsgesetz verankert ist, gibt es zwar, diese sind aber sehr selten und oft auch juristisch strittig (z. B. im Schlosspark Sanssouci in Potsdam). Ausnahmen von dieser Regel können zum Beispiel dann bestehen, wenn das Gebäude zeitweilig als Kunstwerk klassifiziert ist, wie es zum Beispiel der Berliner Reichstag war, als er von dem Künstler Christo gänzlich in silbrige Folie gepackt worden war. Die Panoramafreiheit gilt generell nur für die äußere Ansicht eines Bauwerks, allerdings auch in öffentlich zugängigen Parks, sofern diese für die Öffentlichkeit ungehindert betretbar sind. Müssen Sie Eintritt bezahlen, um in einen umzäunten Park zu gelangen, ist das kein ungehinderter öffentlicher Zugang mehr. Auch Ihr Kamerastandort muss öffentlich und allgemein frei zugängig sein. Wollen Sie beispielsweise ein Gebäude von einem benachbarten Balkon, Fenster oder Dach aus fotografieren, ist diese Aktion nicht durch die Panoramafreiheit abgedeckt, weil Ihr Aufnahmestandort in dem Fall nicht frei und öffentlich zugängig ist.
12 mm | f/9 | 1/40 s | ISO 400
"Um einen Lost Place wie diesen von der Straße aus zu fotografieren, benötigen Sie keine Genehmigung. Wollen Sie in diese Ruine hinein, dürfen Sie das nur mit der Zustimmung des Eigentümers."
Sie dürfen also jede Ruine, jeden Lost Place, jedes mystische Bauwerk ungehindert und ganz legal fotografieren, sofern Sie dies von öffentlich zugängigem Gelände aus tun. Betreten Sie bei Ihren Fotoarbeiten privates, nicht öffentliches Gelände, benötigen Sie eine Genehmigung des Eigentümers sowohl des Bodens, auf dem Sie stehen, als auch des Gebäudes, das Sie fotografieren wollen. Schwierig wird die Geschichte, wenn Sie sich und Ihre Kamera auf privatem Gelände postieren, das nur schwer als solches auszumachen ist. Es gibt zahlreiche Haken und Ösen bei dieser Gesetzeslage. Man muss ja immer auch erst Recht bekommen, selbst wenn man im Recht ist. Werden Sie also von einem Eigentümer verklagt, dem Ihr Foto oder Ihre Veröffentlichung nicht passt, können Sie sich vor Gericht auf die Panoramafreiheit berufen, sollten dabei aber sicher sein, auch gesetzeskonform gehandelt zu haben. Die Panoramafreiheit gilt nicht auf Friedhöfen, obwohl diese öffentlich und frei zugängig sind, und schon gar nicht in militärischen Anlagen. Sie gilt auch nicht im Inneren von Gebäuden.
Legal Notice (oder Rechtshinweis)
Der Autor und der Verlag dieses Buchs möchten Sie keineswegs ermutigen oder anstiften, gegen geltende Gesetze zu verstoßen. Sie betreten alle Locations auf eigenes Risiko und auf eigene Verantwortung. Wir übernehmen dafür selbstverständlich keinerlei Haftung.
Alle Fotos in diesem Buch sind auf legale Weise entstanden. Fotografiert wurden sie von öffentlich zugängigen Orten aus oder mit dem Einverständnis der Eigentümer. Der Autor hat sich bemüht, alle Eigentümer ausfindig zu machen...