In der Phraseologie gibt es verschiedene Typen von Phraseologismen und auch gewisse Randgruppen wie z.B. die Kollokationen (lavarsi i denti) und Sprichwörter. Viele im Bereich der Phraseologie nicht kundigen Sprecher unterscheiden häufig nicht zwischen Redewendungen (far venire la pelle d’oca) und Sprichwörtern (l’apparenza inganna). Das nächste Kapitel soll nun die wichtigsten Typen dieser breiten Palette von Phraseologismen aufzeigen und Unterschiede hervorheben.
Eine Klassifizierung der Phraseologismen erweist sich jedoch als schwierig, da verschiedene Autoren verschiedene Kriterien und Termini verwenden. Man kann Phraseologismen nach ihrer Struktur, ihrer syntaktischen Funktion, ihrer Zeichenfunktion in der Kommunikation und nach semantischen Kriterien klassifizieren. Eine Kombination von verschiedenen Kriterien ist für eine umfassende Analyse natürlich am Sinnvollsten. Im Folgenden soll nun zuerst eine Gliederung des Gesamtbereichs der Phraseologie vorgenommen werden, wobei bestimmte kleine Klassen und für diese Arbeit nicht relevante Typen nur kurz angesprochen werden. Die Basisklassifikation wird grundsätzlich von Harald Burger (1998: 36 – 40) übernommen, der als erstes Kriterium die Zeichenfunktion der Phraseologismen in der Kommunikation heranzieht und in einer weiteren Untergliederung strukturelle, syntaktische und semantische Kriterien berücksichtigt.
Sie beziehen sich auf Objekte, Vorgänge oder Sachverhalte der Wirklichkeit, sei es der realen Welt oder fiktiver Welten. Die referentiellen Phraseologismen unterteilen sich in nominative und propositionale Phraseologismen nach dem semantischen Kriterium, ob sie Objekte und Vorgänge “bezeichnen” (luna di miele, rubare il cuore a qcn) oder ob sie als “Aussagen” über Objekte und Vorgänge fungieren (Ognuno è artefice della propria fortuna.). Für diese zwei Gruppen gilt gleichzeitig eine syntaktische Zweiteilung. Nominative Phraseologismen sind nämlich satzgliedwertig, d.h. sie entsprechen entweder einem oder mehreren Satzgliedern, propositionale Phraseologismen hingegen sind satzwertig, d.h. sie entsprechen einem ganzen Satz.
4.1.1.1 Nominative Phraseologismen
Innerhalb der ersten Gruppe schlägt Burger eine semantische Untergliederung nach dem Grad der Idiomatizität vor. Zu diesem Zweck verwendet Burger eine Dreiteilung mit den Begriffen: Idiom, Teil-Idiom und Kollokation.
Die Eigenschaften dieser drei Klassen wurden bereits im Kapitel über die Idiomatizität geklärt. Diese Klassifizierung unterscheidet sich insofern, dass der Begriff Kollokation für den ganzen Bereich der nicht- bzw. schwachidiomatischen Phraseologismen, die auch direkt motivierbare Phraseologismen genannt werden, gewählt wird. Der Terminus Kollokation nimmt vor allem in den Untersuchungen zur englischen Sprache eine zentrale Stellung ein. Wahrscheinlich deshalb, weil das Englische über einen enormen Wortschatz verfügt und es daher um so mehr präferierte Wortkombinationen gibt.
Der Terminus collocation bezeichnet die bevorzugte, gewohnheitsmäßige Kombination von Einzelwörtern in einer syntaktischen Einheit, ohne dass diese eine Benennungsfunktion auszuüben braucht. Voraussetzung dafür ist die semantische Verträglichkeit (Vereinbarkeit) von Wörtern, die auch als Kollokabilität bzw. Kompatibilität bezeichnet wird und eine Eigenschaft des Sprachsystems ist (GLÄSER 1986: 38).
Mit anderen Worten, die Kollokation bezieht sich darauf, dass innerhalb einer Sprachgemeinschaft bestimmte Kombinationen von Wörtern möglich, andere hingegen unüblich und nicht akzeptabel sind. Im Englischen sagt man zum Beispiel strong coffee, aber nicht *powerful coffee, *to commit a jubilee ist nicht korrekt im Gegensatz zu to commit an error (GLÄSER 1986: 39). Deutsche Kollokationen sind zum Beispiel sich die Zähne putzen oder den Tisch decken. Es ist nämlich nicht üblich zu sagen, *sich die Zähne reinigen/waschen, ohne dass dafür besondere semantische Gründe vorliegen würden. Diese Präferenz wird noch deutlicher, wenn man sieht, dass in anderen Sprachen andere Kombinationen üblich sind: z.B. lavarsi i denti im Italienischen und nicht wie Burger fälschlicherweise angibt *pulire i denti (BURGER 1998: 50). Einen besonders großen Teilbereich der Kollokationen bilden die sogenannten Funktionsverbgefüge. Dies sind Substantiv-Verb-Kollokationen, die aus einem Substantiv, das aus einem Verb nominalisiert wurde, und semantisch “ausgebleichten” Verben bestehen: z.B. zur Entscheidung kommen/bringen/stellen/stehen (BURGER 1998: 51). Im Italienischen werden die Funktionsverbgefüge locuzioni verbali genannt: dar avvio (= avviare), mettere in atto (= attuare) (SKYTTE 1988: 78 – 79).
4.1.1.2 Propositionale Phraseologismen
Die satzwertigen propositionalen Phraseologismen beinhalten feste Phrasen, Sprichwörter und Gemeinplätze. Feste Phrasen umfassen zwar einen ganzen Satz, sind aber durch ein verweisendes Element an den Kontext angeschlossen. Eine feste Phrase ist zum Beispiel questo è un altro paio di maniche (= das steht auf einem anderen Blatt, das sind zwei Paar Stiefel) (LEGHISSA/GRISHEIM 1971: 64). Feste Phrasen beziehen sich also auf das vorhergehende Gespräch bzw. auf das letzte Argument und sind somit in einen Kontext eingebunden. Sprichwörter und Gemeinplätze hingegen können alleine stehen. Sie sind “in sich geschlossene Sätze, die durch kein lexikalisches Element an den Kontext angeschlossen werden müssen” (BURGER 1998: 39). Palm (1995) stellt jedoch fest, dass Sprichwörter nur aufgrund ihrer Festgeprägtheit und Interpretierbarkeit zur Phraseologie gezählt werden. Zwei weitere Zitate sollen die Sprichwörter näher definieren und auch semantische Aspekte in die Betrachtung miteinbeziehen: “Sprichwörter sind allgemein bekannte, festgeprägte Sätze, die eine Lebensregel oder Weisheit in prägnanter, kurzer Form ausdrücken” (PILZ 1981: 16).
Il proverbio, una sentenza di origine popolare, che esprime un consiglio, un pensiero o un’esperienza, spesso in forma metaforica, con valore generico, rappresenta o esprime la mentalità, il senso umoristico, il senso ottimistico, il senso pessimistico del popolo, ed è un modo di esprimersi, purtroppo in regresso nella lingua moderna, soprattutto in quella scritta di tipo astratto (SKYTTE 1988: 80).
Skytte weist hier zusätzlich darauf hin, dass Sprichwörter auch die Mentalität, die geistige Haltung und den Humor einer Sprachgemeinschaft ausdrücken. Ein Sprachenvergleich könnte in diesem Bereich interessante Aufschlüsse über historische Ereignisse und kulturspezifische Eigenschaften geben. Es gibt aber auch Sprichwörter, die in vielen europäischen Sprachen bekannt sind wie zum Beispiel le disgrazie non vengono mai sole (ein Unglück kommt selten allein) und lontan dagli occhi, lontan dal cuore (aus den Augen, aus dem Sinn). Äußerste Vorsicht ist geboten, versucht man die Entsprechung eines bestimmten Sprichwortes in einer anderen Sprache zu finden. Skytte nennt z.B. l’abito non fa il monaco und Kleider machen Leute (SKYTTE 1988: 82). Diese beiden Sprichwörter weisen nicht nur Bedeutungsunterschiede auf, sondern man könnte fast behaupten, dass Kleider machen Leute das Gegenteil von l’abito non fa il monaco ausdrückt. Während letzteres meint, dass die äußere Erscheinung eines Menschen nicht die entsprechenden inneren Eigenschaften garantiert, heißt ersteres, dass Kleider wesentlich dazu beitragen, wie andere Menschen einen wahrnehmen und einschätzen. Eine passendere deutsche Entsprechung zu l’abito non fa il monaco wäre daher Der Schein trügt oder Es ist nicht alles Gold, was glänzt. Varianten dieses Sprichwortes sind übrigens: non è tutt’oro quello che luce, l’apparenza inganna, la barba non fa il filosofo (PITTÀNO 1992: 15).
Gemeinplätze andererseits formulieren keine “neuen” Einsichten, sondern Selbstverständlichkeiten wie Was sein muss, muss sein oder Man lebt nur einmal (BURGER 1998: 39). Geflügelte Worte gehören eigentlich zu den speziellen Klassen. Entscheidend ist, dass sie auf eine bestimmte und allenfalls bestimmbare Quelle zurückgehen. Sie stammen z.B. aus der Literatur, Filmen, der Werbesprache: Sein oder Nichtsein, das ist hier die Frage (BURGER 1998: 45).
Diese beiden Typen sind für diese Arbeit am wenigsten relevant und werden daher nur kurz erklärt. Es besteht auch keine Gefahr, dass sie mit anderen phraseologischen Klassen verwechselt werden. Man würde sie im Volksmund auch nicht als “Redewendungen” bezeichnen. Strukturelle Phraseologismen haben nur die Funktion, (grammatische) Relationen herzustellen (sowohl – als auch, in Bezug auf). Im Italienischen nennt man sie locuzioni avverbiali, preposizionali und congiunzionali (di volta in volta, nonostante che, in modo da) (SKYTTE 1988: 79). Kommunikative Phraseologismen oder Routineformeln...