Valentin Tomberg
Leben und Werk
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Die christliche Hermetik und ihre Beziehung zu Hermes Trismegistos
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Rudolf Steiner Haus, Berlin
25./26. Oktober 2008
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Die Großen Arcana des Tarot, eine Geistesschulung
Dr. Robert Powell
(aus dem Englischen von Krista Kösters)
www.sophiafoundation.org
sophia@sophiafoundation.org
Einleitung
„Denn im Grunde sind es zweiundzwanzig geistige Übungen, mittels deren Sie, lieber Unbekannter Freund, in den Strom der lebendigen Tradition hineintauchen …“ (S. XVII ff.)
Zitat aus dem Vorwort des anonymen Verfassers zu dem Buch: Die Großen Arcana des Tarot, Meditationen, Verlag Herder, Basel, 1983.
Zu dieser „lebendigen Tradition“ hat nicht erst Valentin Tomberg beigetragen, sondern vor ihm schon, als einer der geistigen Lehrer des zwanzigsten Jahrhunderts, Rudolf Steiner (1861 – 1925), denn er sprach vom Tarot als dem „Buch des Thot“:
„Das Buch des Thot bei den Ägyptern bestand aus 78 Karten, die die Weltgeheimnisse enthielten. In der ägyptischen Einweihung kannte man dieses sehr wohl. … Diejenigen, die eingeweiht waren in die ägyptischen Mysterien, verstanden das Zeichen für Tarot zu lesen. Sie verstanden auch das Buch Thot zu lesen, das aus 78 Kartenblättern bestand, in welchen alle Weltgeschehnisse vom Anfang bis zum Ende, von Alpha bis Omega, verzeichnet waren und die man lesen konnte, wenn man sie in der richtigen Reihenfolge verband und zusammensetzte. Es enthielt in Bildern das Leben, das zum Tode erstirbt und wieder aufsprießt, zu neuem Leben. Wer die richtigen Zahlen und die richtigen Bilder miteinander vereinen konnte, der konnte in ihm lesen …“
Rudolf Steiner, Zur Geschichte und aus den Inhalten der esoterischen Stunden der erkenntniskultischen Abteilung der Esoterischen Schule 1904 – 1914, GA 265, Aus: Instruktionsstunde München, 12. Dezember 1906, S. 361, Das Buch des Thot (Tarot); an dieser Stelle wird auch das Symbol für den Tarot angegeben.
Mit diesen beiden Zitaten ist umrissen, was der heutige Vortrag zur Tagung beitragen möchte: Wir wollen den Blick auf die innere Verbindung lenken, die zwischen der hermetischen Tradition besteht, wie sie der Verfasser Der Großen Arcana des Tarot, Meditationen darstellt und Rudolf Steiners Beitrag zu dieser Tradition. Folgt man dieser inneren Verbindung, dann entdeckt man eine wunderbare und befruchtende Symbiose dieser beiden Wege. So ist zum Beispiel das Symbol für den Tarot, das Rudolf Steiner in der genannten esoterischen Stunde angibt, ein tiefgreifender Ausgangspunkt, um den spirituellen Weg zu verstehen, der in den Großen Arcana des Tarot angeboten wird.
Die Großen Arcana des Tarot wurden in den Jahren von 1963 – 1967 geschrieben. Die Fertigstellung des Manuskriptes wird vom Autor mit dem 21. Mai 1967 angegeben. Heute, 41 Jahre später, geht die Leserschaft dieses spirituellen Klassikers in die Tausende, denn er ist mittlerweile nicht nur aus dem Französischen ins Englische, sondern auch ins Deutsche, Italienische, Spanische, Portugiesische und ins Russische übersetzt.
Die Auferstehung der Ägyptischen Mysterien
So kann man davon ausgehen, dass in vielen verschiedenen Ländern Menschen mit dem Buch Die Großen Arcana des Tarot arbeiten und als Übersetzer dieses Buches konnte ich immer wieder erleben, dass man mir für die Übersetzung dieses Buch herzlich dankte. Viele berichteten auch, dass dieses Buch ihr Leben verändert habe. Schon allein diese Tatsache vermittelt etwas über das Werk und stellt es in eine ganz andere Kategorie als vergleichsweise jedes normale Buch.
Dann kommt noch hinzu, dass der Autor des Buches schon im Vorwort mitteilt, dass er uns von „jenseits des Grabes“ grüßt und anspricht, d. h., dass man, wenn man mit diesem Buch zu arbeiten beginnt, mit einem Wesen in Verbindung tritt, das nicht mehr auf der Erde weilt und dieses Buch mit dem Bewusstsein geschrieben wurde, dass Menschen es dann für eine spirituelle Schulung in die Hand nehmen würden, wenn der Autor aus der geistigen Welt die Leser wird begleiten können. So beschreibt der Autor das Buch als eine spirituelle Schulung in zweiundzwanzig Meditationen. Er ist also ein geistiger Führer aus der jenseitigen Welt, der uns beim Studium dieses Buches hilft. Dies ist ein weiterer Grund, der dieses Buch zu einem ganz besonderen Buch macht.
Wenn man die Tradition charakterisieren sollte, in der das Buch geschrieben wurde, dann reicht sie zurück bis zu den ägyptischen Mysterien, die jetzt jedoch auf neue Art vermittelt werden. Man könnte von einer „Auferstehung“ der ägyptischen Mysterien sprechen und diese Auferstehung geschah durch Christus, der als der Meister auf diesem spirituellen Weg christlicher Hermetik im ersten Kapitel eingeführt wird.
Im ersten Brief (oder Arcanum) der Meditationen über den Tarot – mit dem Titel DER GAUKLER, Das Arcanum der Mystik (auf heutigen deutschen Karten als DER MAGIER bezeichnet), wird zum einen auf die große Einweihung Bezug genommen, und dann, dass diese Einweihung durch den Meister, d. h. durch die Begegnung mit dem Meister geschieht, und dass diese Begegnung von ewigem Wert ist, und dies bringt den wahren Wert dieses Buches zum Ausdruck. Stellt man einen Bezug zwischen der Begegnung mit dem Meister und dem Inhalt der Briefe her, dann wird offensichtlich, dass zwischen den zweiundzwanzig Briefen der Großen Arcana des Tarot und den zweiundzwanzig Kapiteln der Offenbarung des Johannes eine Parallele besteht. Die Begegnung mit dem Meister auf der Insel Patmos, die im ersten Kapitel der Offenbarung beschrieben wird, war eine Begegnung des Johannes mit dem Hierophanten/Initiator, wodurch Johannes die Mysterien der Zukunft erfuhr. Auf diese Begegnung oder etwas Vergleichbares, bezieht sich das erste Arcanum der Meditation – auf die große Initiation/Einweihung nämlich –, die man am besten versteht, wenn man das erste Arcanum mit dem ersten Kapitel der Offenbarung gleichsetzt. Nimmt man also Bezug auf die große Einweihung, d. h. auf die Begegnung mit dem Meister, dann stellt man fest, dass es dasselbe ist, wovon auch im ersten Kapitel der Offenbarung gesprochen wird. Wenn man also Die Großen Arcana des Tarot in den Zusammenhang eines fortlaufenden spirituellen Stromes setzt, dann sind sie einerseits die Auferstehung des Ägyptischen Mysterienstromes und andererseits Ausdruck des Johanneischen Stroms, wie er in der Offenbarung des Johannes dargestellt wird.
Jeder, der dieses Buch in die Hand nimmt, es zu lesen beginnt und sich darauf einlässt, macht die Erfahrung, in die Realität einer atmosphärisch anwesenden, tiefen Liebe einzutauchen. Es ist die Erfahrung, sich mit dem Johanneischen Strom zu verbinden. Diese Anwesenheit tiefer Liebe, kann man auch in den Augenblicken der Ruhe und des Schweigens erfahren und auf sie wird im ersten Arcanum, im Zusammenhang mit der Übung „Konzentration ohne Anstrengung“, hingewiesen. Sie wird als eine Übung beschrieben, dem Schlagen des Weltenherzens, dem „Herzschlag des geistigen Lebens der Menschheit“ (S. 5) zu lauschen, denn durch sein eigenes Herz lernt man, sich mit dem Schlagen des Weltherzens zu verbinden.
Wie eingangs schon erwähnt, gilt unser heutiges Interesse besonders Den Großen Arcana des Tarot in Verbindung mit dem Werk Rudolf Steiners. Viele von uns kennen Rudolf Steiner als einen großen spirituellen Lehrer. Er lebte und wirkte im ersten Viertel des 20sten Jahrhunderts und hat durch seine Bücher und Vortragstätigkeit der Menschheit große Erkenntnisse und tiefe Weisheit als Vermächtnis hinterlassen1.
So wollen wir unseren Blick auf die Entsprechungen des geistigen Weges legen, wie er einerseits in Die Großen Arcana des Tarot dargelegt ist, und andererseits von Rudolf Steiner beschrieben wurde. Rudolf Steiner erwähnte den Tarot zum erstenmal am 12. Dezember 19062, in einem Vortrag für die Esoterische Schule und zwar machte er hier im Zusammenhang mit dem Buch des Thot einen kurzen Hinweis auf den Tarot.
Bevor wir auf diesen Hinweis weiter eingehen, sei zum besseren Verständnis erwähnt, dass im 18. Jahrhundert, genauer im Jahre 1781, der französische Esoteriker und Ägyptologe Court de Gébelin die Idee verbreitete, dass der Satz Spielkarten, den man Tarot nannte, (zu dieser Zeit war es wirklich nur ein einfaches Kartenspiel), das verlorene Buch des Hermes, des großen Lehrers der Ägypter, wäre. Dieser Hinweis von Court de Gébelin weckte am Tarot ein Interesse, das über das reine Kartenspiel hinaus ging, denn man begann langsam zu begreifen, dass der Tarot ein spiritueller Schulungsweg war, der aus dem alten Ägypten in metamorphosierter Form überliefert worden war. Wir kommen später darauf zurück und werden im einzelnen darauf eingehen.
Das neue Interesse am Tarot begann also in Frankreich gegen Ende des 18. Jahrhunderts und seit dieser Zeit ist zu diesem Thema eine umfangreiche Literatur publiziert worden, verständlicherweise besonders auf Französisch. Der Tarot wird sowohl als das Buch des Hermes...