„Was man als Kind geliebt hat, bleibt im Besitz
des Herzens bis ins hohe Alter.“
Khalil Gibran
Ätherische Öle und Kräuterpräparate für Kinder: Geht das überhaupt? Und ab welchem Alter kann man sie verwenden? Ist das nicht zu viel für kleine Nasen? Wie ist das dann mit der Dosierung?
So oder so ähnlich lauten vielfach die Fragen, mit denen ich immer wieder konfrontiert werde.
Meine Antwort darauf lautet: Ja, man kann ätherische Öle auch schon für die Kleinsten verwenden, vorausgesetzt, man nimmt die richtigen, und dann nur die mit der besten Qualität. Ähnlich verhält es sich mit Hydrolaten und Kräuterzubereitungen. Der Umgang mit diesen Schätzen der Natur sollte allerdings immer verbunden sein mit Vorsicht und mit genauer und kindgerechter Dosierung.
Besonders Kinder reagieren oftmals recht rasch auf die sanften Reizwirkungen richtig eingesetzter ätherischer Öle, Hydrolate und entsprechend verwendeter Heilpflanzen. Diese Seite der Naturheilkunde ist nicht neu: Mit der Schulung unseres eigenen Bewusstseins für die Kräfte von Heilkräutern und ätherischen Ölen schenken wir uns und unseren Kindern etwas sehr Wertvolles – wir schenken uns Zeit und Zuwendung, sei es für die alltägliche Pflege oder im Falle einer Erkrankung. Und wir pflanzen in die Erinnerung der Kinder auch, wie man achtsam mit den Gaben der Natur umgehen sollte. Ich habe im Laufe der Zeit bereits viele Erfahrungen mit Aromaarbeit bei Kindern machen dürfen, zumeist waren die Kinder sehr begeistert von den Düften, und die Eltern von der Wirkung der ätherischen Öle. Ebenso erging es mir mit anderen Naturprodukten, wie heilsamen Pflanzenwässern und Kräutertees, die besonders auch für die kleineren Kinder hervorragend einsetzbar sind.
Diesen Erfahrungsschatz möchte ich gern mit Ihnen teilen. Bedenken Sie dabei aber immer, dass wir es nicht mit kleinen Erwachsenen zu tun haben:
Kinder sind etwas ganz Besonderes!
Beim Einsatz und bei der Dosierung sowohl von ätherischen Ölen als auch von Kräuterzubereitungen müssen wir darauf immer Rücksicht nehmen!
Und bitte bedenken Sie auch, dass die in diesem Buch mitgeteilten Ratschläge keinesfalls den Besuch beim (Kinder-)Arzt Ihres Vertrauens ersetzen können …
Ein wenig Geschichte …
Kräuter, Pflanzenwässer, Tees … all das ist aus unserer Heilkunde schon lange nicht mehr wegzudenken. Und vielfach waren es die Frauen, die ihre Familien mit pflanzlichen Substanzen gesund erhielten, Krankheiten heilten und Wunden versorgten. Von vielen Pflanzen weiß man, dass sie bereits vor vielen hundert Jahren zu Heilzwecken verwendet wurden. Über einen großen Zeitraum hinweg waren sie ja auch die einzigen Mittel, die den Menschen zur Verfügung standen. Vor verhältnismäßig kurzer Zeit – vor knapp 100 Jahren – wurden die Pflanzen fürs erste durch die pharmazeutische Industrie verdrängt. Doch auch diese nahm und nimmt immer wieder Anleihen an der Pflanzenheilkunde …
Heute sind wir sehr schnell mit der Gabe von Medikamenten sowie Präparaten, die für Kinder viel zu oft verordnet werden. Viel zu oft werden Antibiotika sinnlos eingesetzt: nicht nur bei Erkrankungen, die mit natürlichen Mitteln einfacher zu behandeln wären, sondern auch gegen virale Infektionen, gegen die Antibiotika gar nicht helfen können. In vielen Fällen geht es häufig nur darum, dass wir dem Körper Zeit geben, ihm einen kleinen Schubs in Richtung Selbstheilung und „Wiedergesundwerden“ verpassen und uns in Geduld üben.
Papyrus Ebers
Die Phytotherapie (und Aromatherapie ist ja ein Teil davon), wie wir sie heute praktizieren, hat jedenfalls bereits im alten Ägypten ihren Ursprung. Bereits 2700 v. Chr. entstanden dort die ersten schriftlichen Belege über Anwendungen mit Kräutern, geschrieben von einer Ärztin namens Merit Ptah. Wer war sie? Merit Ptah war eine der ersten Frauen, der es gestattet war, die Heilkunst auszuüben. Sie erhielt ihre Ausbildung zur Kräuterheilkundlerin von den Priestern eines Tempels. Ein weiterer Papyrus mit medizinischen Texten, der etwa dem Jahr 1555 v. Chr. zugeschrieben wird1, beschreibt bereits Heilmittel, die starke Parallelen zu unserer heutigen Kräutermedizin und zur Aromatherapie aufweisen.
Nicht zu vergessen ist der griechische Arzt Hippokrates (460–370 v. Chr.), der auf Kos lebte und wirkte. Auch er verwendete Kräutermedizin für die ihm anvertrauten Kranken. Er verfasste um die 60 Abhandlungen über Krankheitssymptome und Beschreibungen einzelner Leiden.
Dioskurides, Galenos von Pergamon und Plinius sind nur einige der gewichtigen Namen und Ärzte, die uns in der Geschichte der Kräuterheilkunde begegnen.
Frankfurter Paradiesgärtlein um 1400
Viel später – zur Zeit der Völkerwanderung und danach – waren es vor allem die Frauen, die sich mit der Heilkunst beschäftigten. Sie wurden oftmals als Kräuterweiblein oder auch Kräuterhexen bezeichnet und hatten ein großes Wissen über die Heilkraft der Pflanzen und über allerlei aus Kräutern Hergestelltes.
Allerdings nicht nur sie: auch Kaiser Karl der Große (747–814) war sich der Heilkraft der Kräuter bewusst. In seinen Schriften („Capitulare de villis“ – Landgüterverordnung) bestimmte er ganz genau, welche Pflanzen in seinen Burggärten und seinen Klöstern angebaut werden sollten.
In den früheren Jahrhunderten wurden die Arzneipflanzen vor allem im eigenen Umfeld gesucht und für die Behandlung von Krankheiten oder Verletzungen verwendet. Aus dem Mittelalter beispielsweise stammt eine Anzahl von Kräuterbüchern, die von Ärzten und Botanikern (oftmals waren sie das in einer Person) niedergeschrieben wurden.2
Hildegard von Bingen
Eine der ersten Frauen Mitteleuropas, die ihre Erkenntnisse festhielt bzw. aufschreiben ließ, war Hildegard von Bingen. In ihren Büchern beschreibt sie nicht nur, welche der Kräutlein aus ihrer Umgebung sich für die damals bekannten Krankheiten einsetzen ließen, sondern es werden darin auch solche Pflanzen und Heilmittel genannt, die über die Seidenstraße nach Europa gebracht wurden.
Ein weiterer großer Kräuterkundiger war Paracelsus. Er stellte fest: „Alle Dinge sind Gift und nichts ist ohne Gift. Allein die Dosis macht, dass ein Ding kein Gift ist.“ Von Paracelsus gibt es viele überlieferte Schriften. Auch er beschäftigte sich vor allem mit dem, „was ums Haus wächst“.
Neben Hildegard von Bingen und Paracelsus gab es noch sehr viele Gelehrte, die sich mit der Anwendung von Heilpflanzen auseinandersetzten. Und so gelangte die Kräuterheilkunde letztlich als wichtigster Teil der Volksheilkunde auch bis in unsere Zeit. Von Pfarrer Kneipp bis zum Kräuterpfarrer Weidinger, über Rudolf Steiner bis Maria Treben – die Geschichte kennt unzählige wichtige, bekannte aber auch viele unbekannte Vorreiter und Weise der Pflanzenheilkunde.
In den letzten Jahren hat erfreulicherweise ein leises Umdenken begonnen: Wir wollen nicht alles und jedes kleine Problem gleich mit einer Arznei-Keule bekämpfen. Immer mehr Menschen denken darüber nach, welcher Schaden denn durch die Anwendung von zu vielen Pharmaka gerade in den kleinen Körpern der Kinder angerichtet wird, wenn sie gleich beim ersten Anzeichen eines Schnupfens oder Hustens mit starken Mitteln „versorgt“ werden.
Victoria und Johanna beim Düftemischen
Meiner persönlichen Meinung nach ist es sicherlich besser, bei kleinen Beschwerden zu einem bewährten Hausmittel zu greifen. Das heißt aber nicht, dass man bedenkenlos darauf los therapieren soll! Ernsthafte Erkrankungen gehören immer abgeklärt und dazu benötigen wir einen guten Arzt oder Heilpraktiker unseres Vertrauens.
Mit phytotherapeutischen Anwendungen können wir jedoch auch das Immunsystem stärken, damit erst gar keine Krankheit ausbrechen kann. Und im Krankheitsfall sollen unsere Kräuter, ätherischen Öle und Hydrolate dabei helfen, die Gesundheit rasch wiederherzustellen oder das Gesundwerden zu unterstützen.
Wann können unsere ätherischen Öle,
Hydrolate und Kräuter bei Kindern
eingesetzt werden?
Allgemein gesehen können pflanzliche Hilfsmittel bei Erkältungskrankheiten, bei Schlafstörungen und vor allem bei kleinen Wehwehchen, immer dem Alter des Kindes entsprechend, sehr gut eingesetzt werden.
Ätherische Öle können daneben aber auch im Zusammenhang mit Lernschwierigkeiten, Hyperaktivität und Unruhe verwendet werden.
› Ätherische Öle können – je nach Art und Anwendungsgebiet – ab ca. dem dritten Lebensmonat in stark verdünnter Form (mit fettem Pflanzenöl gemischt) verwendet werden.
› Fette Pflanzenöle sind schon bald nach der Geburt einsetzbar.
› Mazerate –...