„Justice is the first virtue of Social Institutions,
as truth is of system of thought.“
(Rawls 1999)
Im Folgenden werden einige Definitionen, die für das Verständnis der Arbeit von Bedeutung sind, ausgeführt und diskutiert. Damit sollen die Komplexität der ethischen und wirtschaftlichen Handlungen und die Vielfalt der ethischen Modelle aufgezeigt werden.
Das Wort Ethik ist griechischer Herkunft; es ist von dem Begriff „Ethos“ zu unterscheiden. Ethos beschreibt die Gewöhnung, aber auch die Gewohnheiten, den Charakter. „Beim Ethos geht es daher um die Einübung der für das Zusammenleben in der Polis wichtigen Grundhaltungen der Tugenden.“(Honecker 2001, S. 404). Mit Ethik wird hingegen die Reflexion auf das richtige Handeln bezeichnet. Sie ist nicht Handeln und Tun, sondern kritische Prüfung des Handelns. Bei den Griechen Platon und Aristoteles wurde Ethik in engem Zusammenhang mit der Politik und der Ökonomie betrachtet. Die Aufgaben und Themen der Ethik sind das kritische Bedenken von Lebensweisen und Handlungen des Menschen. „Man kann demnach ein System zur Regelung der moralischen Grundlagen menschlichen Zusammenlebens – Ethik – und ein System zur Reflexion und Begründung dieser Grundlagen – Metaethik – unterscheiden.“ (Kutscher 2003, S. 31). Dux (1987) schreibt, dass gemäß Parsons und Weber die Werte letzte Bezugspunkte und irreduzible Leitlinien des Handelns sind. Max Weber sieht „Werte als einen Teil kulturellen Selbstverständnisses und als historisch gebunden“. Er unterscheidet zwischen „Werte[n] als individuelle Werte und Kulturwerte[n] als soziale Werte einer Gemeinschaft“ (ebd.).
Aus der theologischen Sicht von Arthur Rich kann Sozialethik Folgendes bedeuten: „Sozialethik beruht auf der im Christusgeschehen sich zeigenden eschatologischen Existenz des Menschen. Die Seinsmerkmale dieser Existenz sind Hoffnung, Glaube und Liebe. In diesen Begriffen spiegelt sich das wahrhaft menschliche, spiegelt sich echte Humanität.“ (Karg 1980 in: Strohm, S. 492). Im Prolog wurde die Belebung der Sozialethik und ihrer Werte für das Stattfinden einer notwendigen gesellschaftlichen Veränderung ebenfalls erwähnt.
Aus philosophischer Sicht werden Sozialethik und Sozialethos von Ethik bzw. Ethos abgeleitet. Sie beschäftigen sich mit der Individual- und Personalethik, die sich mit einzelnen Individuen und deren Verantwortung in zwischenindividuellen Handlungen befasst, d. h. mit der Verfassung und Ordnung der Strukturen menschlichen Zusammenlebens. Sie thematisieren sowohl die Frage der Verantwortung in Strukturen als auch die Verantwortung für Strukturen und die Gestaltung der institutionellen Ordnung (vgl. Honecker 2001, S. 402f).
Aus dieser Perspektive betrachtet, kann gesagt werden, dass das Sozialmanagement sich konsequent mit institutionellen Ordnungen auseinandersetzt, also auch die Verantwortung für die Strukturen übernehmen sollte, die das Zusammenleben und die Teilhabe an den gesellschaftlichen Gütern ermöglicht. Um das Zusammenleben regeln zu können, braucht es ein gesellschaftliches und ethisches Modell, das die professionellen Handlungen begründet. In einem nächsten Arbeitsschritt wird aufgezeigt, welche Modelle überhaupt in Betracht gezogen werden können, um eine eigene ethische Linie zu entwickeln.
Seit Ethik als Thema und Aufgabe definiert wurde, haben die unterschiedlichen Anschauungen von den Aufgaben der Ethik zu verschiedenen Typen und Modellen ethischer Fragestellungen geführt. Eine der vielen Modelle ist die „spirituell-entfaltungsorientierte Entwicklungslinie“, bei der es um die Verwirklichung vollkommener Gottesliebe und der Nächstenliebe geht (ebd. S. 407). Dieser Gedanke ist der Sozialen Arbeit nicht fremd, vielmehr sind die altruistischen Gedanken der Menschenwürde als ethische Maxime und die Idee der Nächstenliebe Bausteine der Sozialen Arbeit. Die Pioniere der Sozialen Arbeit, Alice Salamon und Jane Addams, verfolgten diese Gedanken. Nicht ohne Grund wurde Addams als „selfless giver of ministrations to the poor“ bezeichnet; sie zeigte Nächstenliebe und eine altruistische Haltung[3].
Ein anderes Modell befasst sich mit „Regeln und Normen für das Handeln und für die Praxis des Lebens; kausuistisch-anwendungsorientierte Entwicklungslinie“ (vgl. Honecker 2001, S. 407). Dieses Modell kennt die Soziale Arbeit ebenfalls seit 1850. Als Beispiel sei hier die Bewegung der Elberfelder[4] Armenordnung „Arbeit statt Almosen“ im Rahmen des Arbeitszwangs als Ziel der Armenpflege erwähnt (vgl. Landwehr 1995, S. 24). Darin ist die Idee der Wiedergutmachung und Leistung ersichtlich, wie sie in dieser Entwicklungslinie ist. Bis heute haben sich solche Gedanken über Rechte und Pflichten von Sozialhilfe-Empfangenden (hartnäckig) gehalten. Als ein weiteres Modell oder eine weitere Linie kann die Tugendlehre oder Vernunftseinsicht genannt werden. Dieses Modell, das seine Wurzeln in der Lehre des Aristoteles (Naturrecht) oder des Thomas von Aquin bzw. Kant hat, wird im 20. Jahrhundert zu einer “Verantwortungsethik“ umdefiniert. Sie „verbindet die Frage nach dem Subjekt, dem Träger von Verantwortung, mit der Wahrnehmung von Aufgaben, Aufträgen von Verantwortung wie Friede oder Beseitigung von Welthunger […]“ (Honecker 2001, S. 407ff). Als Beispiel für eine solche Verantwortung gilt die Friedensbewegung; auch die Beseitigung von Welthunger und Armut, wie von sozialen Institutionen forciert, kann als Konsequenz dieses Modells betrachtet werden.
Nachdem die Modelle und Linien der Sozialen Arbeit als Bausteine des Sozialmanagements untersucht und definiert worden sind, wird im nächsten Abschnitt der Utilitarismus als ein Ethikmodell diskutiert, das die Wurzeln des Managements gießt.
Die utilitaristische Ethik wurde Ende des 18. Jahrhunderts in England vom Jeremy Bentham konzipiert und später vom John Stuart Mill wie folgt proklamiert: „Das größtmögl. Glück der größtmögl. Zahl. Der Utilitarismus bewertet die Folgen einer Handlung (Konsequentialismus) u. misst sie am Nutzenprinzip als allgemein verbindl. Moralprinzip.“ (ebd., S. 409f).
Umstritten sind Begründung und Beurteilung von Handlungen. Im Handlungsutilitarismus wird der Nutzen für den Handelnden gemessen, und im Regelutilitarismus wird eine Klasse von Handlungen auf den allgemeinen Nutzen hin untersucht. Umstritten bleiben im Utilitarismus ferner „die Möglichkeit der Ermittlung des Gesamtnutzens und die Notwendigkeit der Ergänzung des Nutzenprinzips durch ein Gerechtigkeitsprinzip“ (ebd., S. 411).
Management hat seine Wurzeln im Militär, im Klerus und in der Leitung von Krankenhäusern. Es orientiert sich an Hierarchien und einem utilitaristischen Wertesystem. In Anbetracht seiner Orientierung und Wertehaltung löst das Management einen ethischen Konflikt aus innerhalb der sozialen Berufe und des Sozialmanagements. Beide Systeme, sowohl das hierarchische als auch das utilitaristische, schränken die Autonomie der Individuen enorm ein, insbesondere dann, wenn die Handlungsanweisungen vom oberen Management kommen und die hierarchisch Untergeordneten für Fehler verantwortlich gemacht werden. So referiert auch Annemarie Pieper (vgl. SozialAktuell 2007, S. 5ff).
Die Autonomie kann infolge der Werteorientierung der Sozialen Arbeit, die in ihrer Grundhaltung an der Sozialethik und an der Ethik der Sozialen Arbeit inhärent festhält, die Wertehaltung und die ethische Orientierung des Utilitarismus als Vorbild des Managements nicht vertreten. Wenn das Management sich grundsätzlich an wirtschaftlicher Moral und Ethik orientieren soll, muss es dennoch auf dessen Nutzen und Vorteil für die Gesellschaft untersucht werden. John von Neumann und Oskar Morgenstern weisen in ihrem Buch Theory of Games and Economic Behavior (1994) auf eine wichtige moralische Überlegung hin in Bezug auf egoistische Präferenzen in der Wirtschaftsethik; die ethischen Ansätze werden danach in den Disziplinen Wirtschaft und Soziales sinnvoll auseinander gehalten. Sie meinen Folgendes: „Innerhalb der Ökonomie wird die Annahme durchgehend selbstinteressierter Präferenzen fast durchweg als Selbstverständlichkeit behandelt.“ (Hegselmann in: Lenk 1998, S. 167). Hegselmann führt weiter aus, dass Rationalität selbstinteressierter Akteure mit ihren egoistischen Präferenzen und ihrem Eigennutz zu einem kollektiven Desaster führen kann. Dieses Argument wird mit dem berühmten Gefangenen-Dilemma (prisoner’s dilemma) erklärt (ebd., S. 168).
Henry Sidgwick als ein Vertreter des Utilitarismus ist der Auffassung, dass die Motive der Nutzenerwartung und des Egoismus nicht zwingend zusammen gehören. Er sieht Moral und Ökonomie nicht in versus, sondern unterscheidet zwischen Egoismus und Utilitarismus, indem er die argumentativen Strukturen von Egoismus, Intuitionismus und...