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Soziokratie, S3, Holakratie, Frederic Laloux' "Reinventing Organizations" und New Work

Ein Überblick über die gängigsten Ansätze zur Selbstorganisation und Partizipation. 2. überarbeitete und stark erweiterte Auflage

AutorChristian Rüther
VerlagBooks on Demand
Erscheinungsjahr2018
Seitenanzahl380 Seiten
ISBN9783752853216
FormatePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis8,99 EUR
In diesem Buch werden die drei Ansätze "Soziokratie", "Holakratie" und Lalouxs "Reinventing Organizations" auf jeweils ca. 100 Seiten zusammengefasst und kritisch bewertet. Dieses Buch ist die aktualisierte und erweiterte Paperback-Ausgabe und kann auch gratis auf www.soziokratie.org heruntergeladen werden.

Christian Rüther beschäftigt sich seit 2007 mit dem Ansatz der Soziokratie und beschäftigt sich intensiv mit den neuen Organisationsmodellen. Mehr Infos auf www.newwork-matrix.com

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Leseprobe
1.0 Soziokratie

Der Begriff „Soziokratie“ ist extrem „unsexy“ und „sperrig“. Er weckt Assoziationen von Bürokratie, Sozialdemokratie, Sozialismus, politische Linke und Ähnlichem.

Etymologisch ist der Begriff ein abendländischer Bastard, eine Mischung aus dem lateinischen „socius“ und dem griechischen „kratein“:

  • socius (Nomen) = Gefährte, Kamerad, Bundesgenosse, Verbündeter, Kumpan, Mitglied
  • socius (Adjektiv) = verbündet, gemeinsam, verbunden
  • societas (Nomen) = Gemeinschaft, Bündnis, Gesellschaft, Kumpanei, Gesellschaftsvertrag
  • κρατεiν, krat(e)ía = Macht, Herrschaft, Kraft, Stärke

Beide Wort-Teile zusammen drücken positiv viel von dem Wesen der Soziokratie aus:

Die Macht der Gruppe, geteilte Macht, gemeinsame Stärke, gemeinsame Herrschaft.

Derzeit scheint es für mich das am weitesten entwickelte Modell demokratischer Mitbestimmung in Organisationen zu sein.

Hier möchte ich das Gesamtsystem überblicksmäßig darstellen. Einen umfassenden Überblick der Soziokratie bietet meine Master-Thesis von 201017:

http://soziokratie.org/wp-content/uploads/2011/06/soziokratie-skript2.7.pdf

Viele Textpassagen sind aus dem Skript übernommen und angepasst worden. Ich habe sie nicht näher zitiert, weil mir das zu aufwändig gewesen wäre. Die Soziokratie habe ich so präzise und kurz wie möglich beschrieben und so umfangreich wie nötig. Da die Soziokratie eine wesentliche Basis der Holakratie ist, habe ich einige Elemente umfassender dargestellt, die es auch bei ihrer „Tochter“ Holakratie gibt.

Beginn der Soziokratie

Gerard Endenburg hat Ende der 1960er Jahre den Betrieb seines Vaters übernommen. Endenburg Elektrotechniek ist ein mittelständischer Elektrotechnikbetrieb mit damals ca. 60-80 Mitarbeiterinnen, der vor allem Gesamtlösungen für gewerbliche Kunden erstellt (hat) und bis dahin traditionell hierarchisch geführt wurde.

Auf einer Betriebsversammlung hat er sehr deutlich den Gegensatz zwischen Eigentümer/Management und Betriebsrat/Mitarbeiter erlebt: Es war so laut, chaotisch und unbefriedigend, dass er teilweise seine eigenen Worte nicht verstehen konnte

Endenburg ist in den 1940er Jahren auf eine Reformschule von Kees Boeke 18 gegangen, in der die Schülerinnen im hohen Maße konsensual mitbestimmen konnten.

An diese Erfahrungen anknüpfend und weitere Kenntnisse verbindend, hat er die Soziokratie entwickelt und in seinem eigenen Unternehmen als Laborbetrieb implementiert.

1.1 Grundwerte der Soziokratie19

Die Soziokratie ist einerseits “leer”, das heißt, sie transportiert keine Inhalte oder bestimmte Lösungen für bestimmte unternehmerische Probleme oder Fragen. Sie ist eine soziale Technologie, welche beschreibt wie auf Basis von Gleichwertigkeit, Transparenz und Feedback Entscheidungen getroffen werden können und wie Macht gesteuert werden kann. Ihre wenigen Grundregeln bieten ein Gerüst für jede mögliche Organisation. Sie kann sowohl von einem kleinen mittelständischen Betrieb als auch von einem multinationalen Konzern implementiert werden. Auch die Branche oder die Ausrichtung als Non-Profit- oder Profit-Organisation spielen keine wesentliche Rolle; konzeptionell ist sie universell anwendbar.

Andererseits ist die Soziokratie wert-voll - nicht leer - in ihren Grundwerten, die dem Organisationsmodell zugrunde liegen und die hinter den Prinzipien und Instrumenten hervorscheinen. Dabei wird Wert als ein abstrakter Begriff definiert, der unabhängig von Zeit, Raum und Person existiert. Er ist positiv konnotiert und universell gültig für alle Menschen, wie zum Beispiel Autonomie, Wertschätzung, Freiheit oder gute Zusammenarbeit.20

In der mir bekannten Soziokratie-Literatur stoße ich immer wieder auf den Wert der Gleichwertigkeit in der Beschlussfassung, ansonsten wird kaum der Fokus auf diese Wertebene gelegt. Ich habe versucht anhand der soziokratischen Praxis und den mir bekannten Prinzipien einige Werte herauszuschälen und zu erläutern, die dahinter zum Vorschein kommen:

  • Gleichwertigkeit aller Beteiligten, partnerschaftlicher Umgang
  • Selbstorganisation und Selbstverantwortung der Mitarbeiterinnen und des Teams
  • Transparenz
  • Effizienz, Effektivität und Pragmatismus
  • Fairness, gerechter Ausgleich im Geben und Nehmen
  • Empowerment und Entwicklung

Bei der konkreten Beschreibung der Werte greife ich teilweise schon vor auf die Instrumente und Methoden der Soziokratie, die ich erst im nächsten Kapitel näher erläutern werde.

Gleichwertigkeit und partnerschaftlicher Umgang

Ein wesentliches Element in der soziokratischen Moderation sind die Kreisrunden: Zu einer bestimmten Frage kann jeder nacheinander seine Meinung sagen, wobei es mindestens zwei Runden gibt und jeder seine Meinung aufgrund der bisher gehörten wieder ändern kann. So kommen alle zu Wort und können auch in Ruhe zuhören. Gemeinsam werden die Argumente und Kriterien gesammelt, die für eine bestimmte Entscheidung wichtig sind. In der KonsenT-Runde sagen alle nacheinander, ob es für sie einen schwerwiegenden Einwand gegen den Beschlussvorschlag gibt. Alle können ihre Einwände einbringen und die dazugehörigen Argumente. Jede Sichtweise zählt unabhängig von der jeweiligen Position, dem Rang oder der Dauer der Betriebszugehörigkeit. Jede kann ein Thema auf die Agenda setzen lassen und ihren KonsenT zu einer bereits gefällten Entscheidung zurückziehen. Es herrscht auf der Kreisebene und in der soziokratischen Moderation absolute Gleichwertigkeit, es ist ein Miteinander auf Augenhöhe.

Selbstorganisation und Selbstverantwortung der Mitarbeiter

Für mich korreliert die Selbstorganisation und Selbstverantwortung stark mit dem Subsidiaritätsprinzip. Auf den unteren Ebenen sollen die Teams/Kreise all das selbst regeln, was sie selbst regeln können. Ihnen wird jeweils vom nächsthöheren Kreis ein Rahmen vorgegeben, in dem sie selbstverantwortlich bestimmen können. Und durch die doppelte Verknüpfung haben Leiterin und Delegierter die Möglichkeit im nächsthöheren Kreis diesen Rahmen selbst mitzubestimmen.

Dieses System „erzieht“ damit zur Selbstverantwortung. Der Kreis, d.h. die Mitarbeiter und die Führungskraft entscheiden gemeinsam im KonsenT über die Rahmenbedingungen ihrer Arbeit. Meistens ist dann die Führungskraft verantwortlich, die Umsetzung zu „managen“. So können die Mitarbeiterinnen aktiv mitgestalten und nicht mehr den Leiter für die Missstände allein verantwortlich machen. Wenn jemand etwas anders tun möchte, kann sie ihr Anliegen in den Kreis einbringen und so eine neue Vereinbarung herbeiführen.

Des Weiteren können auch Elemente der Selbstorganisation installiert werden, wie zum Beispiel das Rollen-Konzept der Soziokratie/Holakratie. Dort wird die Arbeit in der Ausführung an einzelne Rollenträger delegiert, die weitgehend selbstverantwortlich über ihren Bereich entscheiden können. In der Soziokratie gibt es als Ergänzung auch den 9-Schritte-Plan mit dessen Hilfe jeder Mitarbeiter seinen Aufgabenbereich und die persönlichen Schnittstellen sehr gut klären kann.

Beide Ergänzungen (Rollenmodell und 9-Schritte-Plan) sind in der Soziokratie nicht zwingend vorgegeben, können aber als Ergänzung der „leeren“ Methode ähnlich einer „App“ eingeführt werden.21

Transparenz

Die Soziokratie basiert auf hoher Transparenz. Wer mitbestimmen soll, braucht auch die notwendigen Informationen. Dieser Grundsatz ist im Ablaufschema für die soziokratische Moderation gesichert wie beispielsweise in der erste Phase der Themenbehandlung, in der Informationsrunde. Jeder Teilnehmer wird gefragt, welche Information er noch braucht, um sich eine Meinung bilden zu können.

Der Geist der Transparenz wird auch in einer kleinen Geste aus der Anfangszeit der Soziokratie deutlich, als Endenburg als neuer CEO sein Gehalt offenlegte.22 Auch Piet Slieker war freiwillig bereit vor der Wahl zum CEO alle Ergebnisse aus seinem Assessment offenzulegen, auch die persönlichen. Er habe nichts geheim halten müssen, sagte Slieker.23

Effizienz, Effektivität und Pragmatismus

Auch in der Soziokratie geht es um den sorgsamen Umgang mit den persönlichen und betrieblichen Ressourcen.

Auf der Kreisebene gibt es zwei Aspekte, die das sicherstellen sollen.

Zum einen die Moderationsmethode mit dem Hintereinander-Reden und dem recht schnellen Übergang zur Entscheidungsrunde. Es kommen alle mit ihren Sichtweisen zu Wort und es werden schnell Entscheidungen getroffen.

Zum anderen sorgt die Dynamische Steuerung – das Hören auf das Feedback der Betroffenen innerhalb oder...

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