Google Lunar XPrize – Reality check
Im letzten Jahr befasste sich SPACE 2017 ausführlich mit dem Google Lunar XPrize, seinen Statuten und seinem Status, seinem Teilnehmerkreis und den Problemen, denen er sich konfrontiert sieht. Sollten Sie kein regelmäßiger Käufer und Leser unseres Raumfahrtjahrbuches sein, und sich drüber informieren wollen: Wir haben noch einige Exemplare der letztjährigen Ausgabe vorrätig. Schauen Sie doch auf http://www.space-jahrbuch.de/ vorbei. Dort können Sie es bestellen (wie auch über den ganz normalen Buchhandel).
Im damaligen Artikel hatte ich die Prognose gewagt, dass nur bestenfalls noch fünf Teams realistische Chancen haben, den Preis zu gewinnen. Allerdings auch nur dann, wenn er von seiner bisherigen Deadline, dem 31.12.2017 um mindestens ein Jahr, besser noch um zwei bis drei Jahre verlängert wird. Ich hatte dabei nur die Wettbewerber in Betracht gezogen, die über eigene Landefahrzeuge verfügen. Alle, die ihren Rover lediglich „piggyback“ bei anderen Wettbewerbern mitfliegen lassen wollten, hatte ich in dieser Aufstellung nicht berücksichtigt. Meine Favoriten im letzten Jahr waren Astrobotic, Moon Express, das Team Indus, die Part Time Scientists und Space IL aus Israel. Dazu kamen noch Hakuto aus Japan mit seinen beiden Rovern und AngelicvM mit einem einzelnen Mondfahrzeug. Diese beiden letzteren hatten das Problem, über keine eigenen Transferstufen und Lander zu verfügen. Um ihre Fahrzeuge zum Erdtrabanten zu transportieren, hatten beide einen Vertrag mit Astrobotic abgeschlossen. Eventuelle Preisgelder hätten sie sich mit diesem Unternehmen teilen müssen. Diese sieben Gruppierungen waren die einzigen von ursprünglich 36 gemeldeten Wettbewerbern, die eine realistische Aussicht auf einen Flug zum Mond hatten. Wie sieht die Situation nun ein Jahr später aus? Schauen wir uns zunächst die wichtigsten Ereignisse an, die sich in den vergangenen 12 Monaten ereignet haben. Und hier das Wesentliche ganz oben: Der Google Lunar XPrize wurde, entgegen meiner Annahmen, zunächst nicht verlängert. Allerdings hat man sich ein kleines Hintertürchen offen gelassen. Das besagt, dass alle Teams, die weiter im Wettbewerb bleiben wollen, über einen bestätigten Startvertrag für das Jahr 2017 verfügen, und auch tatsächlich noch im Jahr 2017 starten müssen. Die Landung auf dem Mond selbst kann, wenn diese beiden Bedingungen erfüllt sind, auch erst im Jahre 2018 erfolgen. Das wäre vor allem für das Team Indus relevant, das aufgrund ihres Missionsprofils eine mehrere Wochen lange Transferzeit zum Mond hat.
Als erster dieser sieben halbwegs aussichtsreichen Kandidaten gab im Dezember 2016 Astrobotic auf, und ließ damit gleichzeitig Hakuto und AngelicvM mit ihren insgesamt drei Rovern gestrandet zurück. Das Unternehmen war das Opfer des Unwillens von Google, die Wettbewerbszeit zu verlängern. Astrobotic gab als erster zu, die Mondlandung frühestens 2019 zu schaffen und schied damit aus. Ihrem Ziel, mit dem Peregrine-Lander auf dem Mond zu landen bleibt das Unternehmen allerdings weiterhin treu. Die Internet-Seite von Astrobotic gibt allerdings, anders als noch vor einem Jahr, keine Auskunft mehr über den geplanten Flugtermin. Somit waren zum Dezember 2016 noch vier ernstzunehmende Wettbewerber im Rennen.
Als nächstes Team stiegen die Part Time Scientists aus. Auch ihnen war klar, dass der Termin nicht mehr zu halten war und offensichtlich flossen auch die Sponsorengelder nicht so schnell (und vielleicht auch nicht in der Höhe), wie es notwendig gewesen wäre. Termin für die Mondlandung bei den PTS jetzt: Vor Ende 2019, bevorzugt etwa zum 50. Jahrestag der ersten Mondlandung. Was somit der 20. Juli 2019 wäre. Da waren es – objektiv gesehen – nur noch drei.
Anfang 2017 gab dann der Google Lunar XPrize bekannt, dass nur noch die folgenden Teams im Rennen waren: SpaceIL aus Israel, Moon Express aus den USA, Synergy Moon, ebenfalls aus den USA, das Team Indus aus Indien und Hakuto aus Japan. Die Nennung von Synergy Moon ist eine komplette Überraschung, denn wenn es ein Team garantiert nicht schaffen wird, dann dieses (das ich folglich in meiner persönlichen Favoritenliste schon seit Jahren nicht mehr führe). Das Team Hakuto war allerdings tatsächlich wieder mit im Rennen, denn die Japaner hatten sich nun mit dem Team Indus zusammengetan, das für den Dezember 2017 eine Startoption vorweisen konnte.
Vielleicht werfen wir, bevor wir zu einer abschließenden Bewertung kommen, noch einen kurzen Blick auf die völlig überraschend genannten „Synergy Moon“, die wir auch gleich wieder getrost und für immer vergessen können. Denn ganz gleich, wie weit sie tatsächlich mit ihrem Rover sind, sie sind allein deshalb völlig aussichtslos, weil sie den Wahnsinn betrieben, sich mit Interorbital Systems zusammen zu tun, einem dubiosen Unternehmen, das in Mojave angesiedelt ist, und dort seit etwa 15 Jahren an der NEPTUN-Rakete bastelt. Die bisherigen Erfolge waren extrem mager, um es noch milde auszudrücken. Jeder nur halbwegs begabte Amateur wäre nach diesem langen Zeitraum wesentlich weiter fortgeschritten gewesen. Zum Zeitpunkt, an dem ich diese Zeilen schreibe, hat noch keine einzige ihrer Raketen auch nur eine Höhe von 3.000 Metern erreicht.
Um Synergy Moons Lander und Rover zum Mond zu bringen, bedarf es der NEPTUN 36-Variante ihres Trägers. Das wäre die vierte Evolutionsstufe des Basisvehikels mit der Bezeichnung NEPTUN 3, von dem alleine schon in den Sternen steht, wann sie jemals fliegen wird. Auch der Status des Synergy Moon-Landers, der ja den Rest der Strecke hinunter auf die Mondoberfläche schaffen und dort mindestens 500 Meter weit fahren muss, steht in den Sternen. Nirgendwo sieht oder hört man etwas von erfolgreichen Tests, die ja die Voraussetzung für einen Einsatz wären. Wie gesagt: gleich wieder vergessen.
Wir hatten also zum Zeitpunkt der Google Lunar XPrize-Pressemeldung noch drei Teams im Rennen, die es aus eigener Kraft zum Mond hätten schaffen können, plus den japanischen Rover Hakuto, der ja nun inzwischen mit den Indern fliegen sollte. Doch auch diese Zahl hielt nicht lange, denn im Laufe des Jahres musste auch SpaceIL erkennen, dass die Sache mit dem Termin nicht mehr sonderlich gut mit dem Stand der Arbeiten zusammenpasste. Und so stiegen auch sie aus, vertagten die Mondlandung in die mittelfristige Zukunft und verzichteten auf eventuelle Preisgelder.
Bleiben somit noch zwei: Das Team Indus, verstärkt um den Hakuto-Rover und Moon Express. Das Team Indus verbreitete während des gesamten ersten Halbjahres erheblichen Optimismus, bis sich dann im Juni gewisse Schwierigkeiten offenbarten. Team Indus gab nämlich zu, dass da noch ein kleines Problem zu lösen wäre: was darin bestünde, einen Sponsor für die Rakete aufzutreiben. Der müsste so in etwa 60 Millionen € mitbringen. Anfang August 2017 sah es allerdings so aus, als hätte sich die indische Raumfahrtagentur ISRO erbarmt, denn sie gab bekannt, Anfang 2018 zwei Mondmissionen zu starten, einmal die institutionelle Mission Chandrayaan-2 und zum anderen das Team Indus Raumfahrzeug. Die erstere mit einem Gewicht für die Transferbahn von 1.400 Kilogramm, benötigt eine GSLV-Trägerrakete. Die andere, mit 600 Kilogramm „Wurfgewicht“ ist eine PSLV-Rakete. In der Pressemeldung wurde nicht erwähnt, wie dabei die Start-Reihenfolge aussehen wird. Aber wie auch immer sie sein wird, 2018 wäre es zu spät für den Google Lunar XPrize.
Damit bleibt nur noch ein Team übrig: Moon Express. Und das hat tatsächlich eine Minimalchance. Moon Express beschreibt den Mond sehr bildhaft als den „Achten Kontinent“, den es zu erforschen gilt. Anfang Oktober letzten Jahres kündigten die Kalifornier an, ihr Landefahrzeug MX-1 mit der Elektron-Rakete des neuseeländischen Start-ups Rocket Lab zum Mond zu schicken. Der Vorteil dieser Rakete: sie ist vergleichsweise billig. Der Start soll Moon Express nur fünf Millionen Dollar kosten. Die Nachteile: die Trägerrakete ist sehr klein und kann daher nur eine sehr geringe Nutzlast zum Mond transportieren. Obendrein ist sie noch nicht sonderlich flugerprobt. Sie hat genau einen Testflug hinter sich, der in der vierten Minute versehentlich abgebrochen wurde, weil ein Softwarefehler die Terminierung der Mission befahl. Das war ärgerlich, denn die Rakete funktionierte eigentlich gut und war genau auf Kurs. Jetzt werden noch zwei weitere Testflüge erfolgen. Mission vier ist dann für den Moon Express Lander bestimmt. Diese vierte Mission wird aber garantiert erst im Jahr 2018 möglich sein. Die Nutzlast der Elektron für eine Transferbahn zum Mond beträgt weniger als 100 Kilogramm. Mehr darf die MX-1 somit auch gar nicht wiegen, und entsprechend klein ist sie denn auch. Tatsächlich ist der Moon Express Lander kaum größer als ein Sitzkissen. Das Unternehmen hat übrigens gleich drei Missionen bei Rocket Lab geordert. Die Gruppe sieht das ähnlich wie die Ingenieure bei Astrobotic oder den Part Time Scientists (und neuerdings auch beim Team Hakuto): Man will gleich ein Geschäftsmodell aus der Entwicklung machen. Das MX-1 soll das „IPhone“ der Raumfahrt werden, wie es Moon Express vollmundig beschreibt. Das Raumfahrzeug ist für viele Anwendungen nutzbar, nicht nur für Mondlandungen. Das geht vom Absetzen von Cubesats in einer Erdumlaufbahn, über die Betankung von Satelliten im Orbit und den Einsatz als universelle Oberstufe bis hin zur Funktion als eigenständiger Satellit für Erdbeobachtung.
MX-1 ist ein sehr einfaches, einstufiges System mit Triebwerken, die Moon Express selbst konstruiert hat. Sie arbeiten mit...