Die neue, quantenlogische Betrachtungsweise
Was Sie in diesem Buch vorfinden und was Ihnen möglicherweise so neuartig erscheint, ist eine andere Betrachtungsweise. Irgendwann haben Sie sicher auch selbst schon so oder ähnlich gedacht. Aber dann haben Sie es wahrscheinlich wieder verworfen. Vielleicht dachten Sie, Ihre Gedanken seien nicht nachvollziehbar. Vielleicht fürchteten Sie auch, man würde sie für nicht logisch halten.
Sie sind aber logisch. Sie funktionieren nach einer anderen Logik. Es ist die Logik der Ganzheit oder des Zusammenhangs. In ihr regieren die Beziehungen. Diese Logik heißt Quantenlogik.
Der Schöpfer der Ihnen vertrauten, klassischen Logik war der Grieche Aristoteles. Sein Vater war Arzt. Ein Arzt kommt nicht umhin, die vielfältigen Unwägbarkeiten des Lebens kennen zu lernen. Vielleicht war dies der Anstoß, dass sich der Sohn Aristoteles auf die Suche nach Sicherheit machte. Alles Unsichere sollte ausgeschlossen werden. Er wollte ein Reich der Klarheit schaffen, in dem alles durchschaubar ist. Es sollte vom Chaos sicher getrennt werden, wie bei Aschenputtel Linsen und Erbsen aus der Asche.
- Folglich verbannte Aristoteles jegliche Widersprüchlichkeit aus seiner logischen Welt. Fand er zwei Aussagen, die sich widersprachen, schloss er, dass eine von beiden falsch sein musste. Es konnte nur eine Wahrheit geben. Sicherheitshalber ließ er also in seinem logisches Reich Widersprüche grundsätzlich nicht zu. Er schloss sie aus, denn sie gehörten zu dem dunklen Reich des Chaos.
- Weiter sollte alles, was nicht eindeutig zuzuordnen war, heraus- und weggefiltert werden. Entweder ja oder nein; eine dritte Möglichkeit, etwa ein bisschen ja und ein bisschen nein, wollte er nicht zulassen. Er fürchtete, die Menschheit würde durch die entstehende Unklarheit wieder dorthin zurückfallen, wo sie noch wenige hundert Jahre zuvor gestanden hatte. Ohne klare Regeln der Mathematik und der Logik war das Leben schwer gewesen, Wissenschaft bestand in einem mühseligen Vergleich mit Einzelerfahrungen.
Tatsächlich wurde Aristoteles mit dem Ausschluss von Widerspruch und Unsicherheit zwischen ja und nein zum Vater der Wissenschaft. Er schuf die Grundlage der empirischen Wissenschaften, denen zufolge unsere Flugzeuge fliegen und unsere Handys klingeln. Die Physik boomte damit. Doch andere Wissenschaften, die Aristoteles ebenso folgten, wie beispielsweise die Medizin, hatten an diesem Erfolg einen deutlich geringeren Anteil. So sicher wir sind, dass unser Auto morgen anspringt, so unsicher sind wir, ob wir morgen gesund bleiben oder krank werden. Trotz aller Bemühungen vieler hochintelligenter Ärzte gibt es mehr Ungeheilte als Geheilte. Das ist sehr, sehr sonderbar und riecht nach einem Fehler im System. Aber wo mag dieser liegen?
Der Ausschluss des Unsicheren
Aristoteles’ Weg des Ausschlusses des Unsicheren schuf eine zweite, die ausgeschlossene Welt. Es ist die Welt des unsicheren Chaos. Das Vorgehen des Ausschließens zwecks höherer Sicherheit ist nicht untypisch für die exakten Wissenschaften. Es hat sich vielfach bewährt, aber immer nur, solange man noch wusste, dass es da noch etwas gab, das man ausgeschlossen hatte. Wenn das aber vergessen wurde, entwickelte das Ausgeschlossene eine Eigendynamik, die nicht mehr kontrollierbar war. Das ist nicht anders, als vergäße man einen von zwei Zwillingen. Er würde sich schon bemerkbar machen.
In der Geschichte der Wissenschaften über den Menschen wie z. B. der Medizin aber wirkte sich das noch verheerender aus. Hier war und ist das von Aristoteles Ausgeschlossene gerade das eigentlich Wichtige. Damit hatte man sich selbst blind gemacht. Wie Odysseus den einäugigen Polyphem blendete, indem er ihm das »dritte« Auge ausstach, so wurde die Medizin durch den Ausschluss des Dritten von Aristoteles unfähig, den Menschen so zu erkennen, dass sie ihn sicher heilen konnte.
Dabei war das Bild der klassischen Logik zuerst auch für die Medizin so verfänglich »logisch« erschienen. Und wer wollte den Physikern in deren Erfolg nicht nacheifern? Dort hat man entsprechend der Forderung des Aristoteles eine Welt klarer und absolut getrennter Teile geschaffen, einen Kosmos kleinster, punktueller Einheiten. So sah noch vor gut hundert Jahren unser Atommodell aus. Zwischen den Atomen existierte nichts, also nichts Drittes dazwischen, wie von Aristoteles gefordert. Nur durch Kräfte wirken die Teile aufeinander. Der große Newton konnte die Kräfte genau bestimmen und sagen, wie ein Teilchen auf ein anderes einwirkt. Es entstand eine Welt wie ein großer Billardtisch, auf dem die Kugeln aufeinander einwirken. Heute aber wird unübersehbar, dass man in der medizinischen Wissenschaft mehr Erfolg hat, wenn man die Welt mit anderen Augen anschaut. Denn Teilchen sind ebenso Energie wie der Raum zwischen ihnen, sie sind nur Formungen des Raumes. Sie sind also nicht so grundsätzlich anders als die Kräfte und die Beziehungen zwischen ihnen. Die saubere Trennung des Aristoteles hebt sich hier weitgehend auf. Aber etwas Neues wird klar und so deutlich wie zuvor die Teilchen: die Information, die sich in den Zusammenhängen ausdrückt. Die Reizbarkeit ist bleibend, ob sie sich seelisch, als Reizblase oder Reizdarm ausdrückt.
Das eigentliche Sein ist die Information, die diese Formen formt, sich in ihnen formt und ausdrückt. Alles ist Information, aber an manchen Stellen kommt sie »in Form«. Dort nennen wir sie Substanz. Aber sie ist auch ohne Substanz Information. Denken Sie nur an Ihr Handy, das bei einer SMS auf Ihrem Display Buchstaben aus dem substanziellen Nichts formt. »Bleibend ist nur die mathematische Form, nicht die Substanz«, schrieb der Nobelpreisträger Werner von Heisenberg.
Lange haben Physiker über diese Revolution nachgedacht. Sie begann 1899 mit einer Entdeckung von Max Planck im atomaren Bereich. Die Physiker schlossen das so schamlos neu Erscheinende sicherheitshalber wie Aristoteles erst einmal aus der fassbaren Wirklichkeit aus. Diesmal machte man es so, dass man die Revolution nur in den Größenordnungen unterhalb des Atoms stattfinden ließ. Darüber ließ man sie – zunächst jedenfalls – einfach nicht zu.
So enthielten sich auch die Mediziner der Nutzung dieses neuen Wissens. Darüber wunderten sich doch manche Physiker, weil sie dachten, dass gerade die Mediziner am Menschen feststellen müssten, dass dieser mehr als nur eine Summe von Teilchen ist. Ein in Atome zerlegter Mensch hat doch nichts mehr vom Menschen an sich. Teilchen wie die des Menschen finden sich vielfältig in der Natur, teilweise auch im Auto und im Schrank. Wer wollte behaupten, es sei nur die Summe und Art der Teilchen, die einen Menschen zum Menschen macht? Oder an einem anderen Beispiel: Sind hundert Euro als Schein das Gleiche wie ein in viele Papierstückchen zerschnittener Schein? Wohl kaum.
Die Struktur macht den Unterschied
Aber was ist der Unterschied? Es ist die Struktur! Es ist die Information, mit der die Teilchen in eine Form oder Struktur gekommen sind. Ein Schein hat oder ist eine andere Struktur als die Schnipsel. Und ein Nachbar namens Müller wird nach zwanzig Jahren eben anders aussehen als heute, aber er ist immer noch er. Er hat seine Substanz geändert, gegessen und wieder abgegeben. Aber etwas ist bleibend wie ein roter Faden, wie ein Grundmuster oder eine funktionale Grundstruktur. Diese Information ist sein eigentliches Sein. Nicht die Substanz, sondern das in der Entwicklung Bleibende, das die Entwicklung Leitende ist bleibend. Der Nachbar war und bleibt der Herr Müller.
Diese Information scheint wie ein Drittes zwischen den Teilen und in den Teilen die Ordnung und Formung zu gestalten. Wer nur die Teilchen getrennt sieht, übersieht es, als schaue er nur Fotos an und keinen fortlaufenden Film. Der Film in seiner Bewegung scheint zunächst unsicherer. Aber er zeigt das über die Zeit Bleibende und gibt dann bleibendere Informationen. Wegen der primären Unsicherheit hatte Aristoteles diesen Faktor in der Logik, nicht in seiner Philosophie, ausgeschlossen.
Die hier waltende Information ist aus der klassischen Sicht in und zwischen den Teilen wirksam, wie ein Zwischensein, lateinisch: ein »Interesse«. Und tatsächlich scheint das Interesse als Information den Menschen zu formen und zu prägen. Das ist gar nicht so schwer zu begreifen. So sagen wir üblicherweise, dass die Liebe Mann und Frau verbindet. Doch müssen beide bereits zuvor Mann oder Frau sein, damit sie sich lieben können. Also hat die Liebe beide schon im Mutterleib als Junge und Mädchen geformt, damit sie hinterher das Interesse der Liebe ausdrücken und verwirklichen können. Was war also zuerst: Die Liebe oder die einzelnen Menschen, die sich lieben? Doch wohl die Liebe. Die Liebe oder das Interesse ist der eigentliche Impuls des Seins. Er formt die Menschen in Mann und Frau. Nicht umgekehrt.
In dieser neuen, ganz anderen Welt, in der Beziehungen das Eigentliche sind, ist auch der Widerspruch nicht mehr ausgeschlossen wie bei Aristoteles, sondern er ist gesucht! Mann und Frau müssen sich widersprechen, müssen verschieden sein und gerade nicht gleich, um die Liebe klassisch vollziehen zu können. Sie sind durch ihre Gegensätzlichkeit eine Einheit, ein Ganzes. Physiker suchen nach sich ausschließenden, gegensätzlichen Alternativen in ihrer Forschung, nach so genannten Komplementaritäten, um die Existenz solcher Ganzheiten auszukundschaften.
Die neue Logik
Damit ist eine neue Logik entstanden, die Ganzheits- oder Quantenlogik. Sie nimmt die Welt in ihrer Widersprüchlichkeit auf, um sie als Ganzes zu erforschen und nicht nur in ihren punktuellen Eckdaten des...