Oberbayern
Adelschlag (Lkr. Eichstätt)
Der Moir von Adelschlag hat’s meist Feld;
der Moir von Landershofen hat’s meist Geld;
der Moir von Walting hat’s meiste Holz;
der Moir von Gungolding hat’n meist’n Stolz.1
Diese sprichwörtliche Ortslitanei erinnert an die erste Hälfte eines Rhönspruchs, der sich auf Mellrichstadt, Münnerstadt, Fladungen und Bad Neustadt a. d. Saale bezieht: „Mellerscht hat’s Feld, Münnerscht hat’s Geld, Flade hat’s Holz, Neusch’t hat ’n Stolz …“2 Der Spruch scheint demnach auch in der über 200 km entfernten Region Eichstätt bekannt gewesen und entsprechend abgeändert worden zu sein. Mit „Moir“ war dabei jeweils ein anderer Träger des Familiennamens Maier / Meier / Mayer etc. gemeint. Der Meier von Adelschlag („Olschlou“) war also einst der größte Grundbesitzer vor Ort.
▶ Der ursprüngliche Besitzer des Ortes scheint aber, so lässt der Ortsname vermuten, ein gewisser Adelolt gewesen zu sein.3 Die Gem. Adelschlag ist Mitglied der VG Nassenfels. Landershofen ist ein Ortsteil von → Eichstätt, Gungolding gehört zur Gemeinde → Walting.
Altmannstein (Lkr. Eichstätt)
In Schwabstetten hängt der Teufel an der Ketten;
vor Sinzhausen möcht’ ein’ grausen;
in Laimerstadt ham s’ noch nie was g’habt;
in Tettenwang kommt d’ Not z’samm.
„Ortsspottkette.“1 Alle Orte gehören mittlerweile zu Altmannstein. Der „Teufel an der Kette“ ist hier wohl eine Metapher für angebliche Armut. Zur Zeile mit „Sinzhausen“, vor dem „einen grausen möchte“, merkte Bronner an: „Ort mit großem Schloßgut, aber lauter kleinen Leuten.“2 Es handelt sich um Neuenhinzenhausen, wobei das dortige Wasserschloss aber schon 1866 abgetragen wurde. Laimerstadt, dessen Bewohner angeblich „noch nie was gehabt haben“, hat dennoch etwas: Es liegt am Obergermanisch-Raetischen Limes, der einst zwischen Rhein und Donau die Außengrenze des Römischen Reiches bildete.
▶ Der im Riedenburger Schambachtal gelegene Markt Altmannstein wechselte im Zuge der Gebietsreform 1972 von der Oberpfalz zu Oberbayern. Beim Ortsteil Pondorf steht die berühmte „Bavaria-Buche“, eine über 500 Jahre alte Rotbuche.
Altötting (Lkr. Altötting)
Hilf, Sankt-Mergen im Grimmenthal,
zu Altenötting,
zu Heilbrunn in Nesseln
und in Pfannenstil.1
„Sankt Mergen“ ist in diesem sprichwörtlichen Hilfeersuchen eine Variante von St. Marien. Bei den erwähnten Orten (Obermaßfeld-Grimmenthal, Altötting, Heilbronn und Ravensburg-Pfannenstiel) handelt es sich also um Stätten der Marienverehrung. Das zum Bistum Passau gehörende Altötting ist dabei nicht nur der bedeutendste Marienwallfahrtsort Deutschlands, sondern auch der größte deutsche Wallfahrtsort überhaupt. So heißt es in einem alten bayerischen Sprichwort: Von jeder Haustür geht ein Weg nach Altötting2,und eine abweisende Redensart besagt, dass man eher rücklings nach Altötting wallfahren würde als dies oder jenes zu tun: Liaba wallfahr i ärschlings nach Öding.3Den Weg zur Muttergottes-Figur nach Altötting nehmen Pilger nun schon seit über 500 Jahren. Ende des 15. Jhs. bildeten zwei wundersame, dem Gnadenbild zugeschriebene Heilungen den Anfang. Und 1657 hieß es beispielsweise in Merians Topographia Bavariae: „Und ist dieses Orth / wo nicht das vornehmbste in Teutschland / so wol der Andacht / als grossen KirchenSchatz halben / doch guten Theils andern solchen Gotteshäusern / wol zuvergleichen / und das Teutsche Loreta nicht unbillich zu nennen.“4
Das „deutsche Loreto“ war ein Epitheton ornans Altöttings, das sich auf Loreto bei Ancona, Italiens berühmten Wallfahrtsort, bezieht. Dort steht die „Santa Casa“, das Haus der Heiligen Familie, welches Engel aus Nazareth hingebracht haben sollen. Und wie Loreto hat Altötting eine „Schwarze Madonna“. Über diese Art von Gnadenbild ist in Schäfers Städtewahrzeichen von 1858 Folgendes zu lesen: „Als die seltsamste Variante in der Marienverehrung dürfte aber unstreitig der Cultus der ‚schwarzen Maria‘, gewissermaßen wol nur als eine Reminiszenz aus der vorchristlichen Zeit, anzusehen sein. Die nichtchristliche Vorzeit hatte eine … Ceres nigra … und sogar eine Diana nigra verehrt, und so konnte es bei den mannigfachen Accomodationen nicht fehlen, daß man auch nach Analogie des ‚schwarzen Herrgottes‘ u.s.w. eine ‚schwarze Maria‘ im Christenthume … sich dachte und hochverehrte Bildnisse derselben aufstellte.“5 Mit seinen Ausführungen geht Schäfer offensichtlich davon aus, dass diese Darstellung der Madonna durchaus gewollt war und die Rußfärbung in der Hauptsache keineswegs einer Feuersbrunst oder dem Rauch der vielen Kerzen geschuldet ist. Der Sage nach sollen nämlich die Ungarn im 10. Jh. den Ort in Brand gesteckt haben, die Gluten aber vor dem Marienbild auf wunderbare Weise erloschen sein. Nur wurde das Bild „von Hitze und Feuersqualm ganz schwarz, so schwarz, wie man es heute noch sieht. Weniger Wundergläubige erklären die Sache freilich einfacher und natürlicher und sagen, ‚das Angesicht und die Hände des Gnadenbildes haben durch hohes Alter die schwärzliche Farbe bekommen‘.“6 Wie dem auch sei, die um 1300 (also lange nach den historischen Ungarneinfällen!) entstandene und aus Lindenholz gefertigte „Schwarze Muttergottes“ hat Altötting zum „religiösen Herzen Bayerns“ werden lassen.
Abb. 1: Altöttings Schwarze Muttergottes
Zudem sind in der Gnadenkapelle die Herzen bayerischer Herrscher aufbewahrt. Und in der Stiftspfarrkirche fanden z. B. König Karlmann, der Urenkel Karls des Großen, oder der Heerführer der Katholischen Liga im Dreißigjährigen Krieg, Johann Tserclaes Graf von Tilly, ihre letzte Ruhestätte. In dieser Kirche ist auch der „Tod vo Eding“ zu sehen:
Der schaut aus wie der Tod zu Ötting.7
Die in Süd- und Ostbayern durchaus noch gebräuchliche Metapher „Dea schaud aus wia da Doud z Eedeng“ gibt es auch in erweiterter Lesart: Der schaut aus wiaran Toud vo Öding sei Geschäftsreisender.8 So findet sich in Finks „Allerhand Schmai aus Niederbayern“ dieser Passus, dem dort noch die Pointe der ganzen Geschichte folgt: „Da hockt in der früheren Bahnhofswirtschaft … der Stammtisch beieinander, unter dem Balken mit der eingebrannten Inschrift: ‚Dasitzendiebeinanderdiewodaallweilbeinandersitzen.‘ Sagt einer zu seinen beiden Nachbarn: ‚Was schauts denn es zwoa heit so dasig?‘ Ein anderer: ‚Wirkli, wia-r-an Toud vo Öding sei Gschäftsreisender!‘…“9
Abb. 2: Der sogenannte Tod z’ Eding
In Niederbayern benutzt man zudem den sprichwörtlichen Vergleich kasweiß wie der Tod zu Ötting für einen kreidebleich Aussehenden, der „den Totenschein schon im Sack hat“.10 Die genannten Versionen bezeichnen also eine todkranke, ausgezehrte, schwächliche Person11, während weitere hauptsächlich auf einen allzu Dürren abzielen, im Vergleich zu dem der Altöttinger „Sensenmann“ bzw. „Boandlkramer“ ein Mastschwein wäre: Gega den is da Tod z’ Öding a Mastsau.12 bzw. Der is so dürr, daß der Toud vo Eding a Spegsa is dageng.13 Letztere, zu der Haller anmerkt: „Der ist nur mehr Haut und Knochen!“14, lautet auf hochdeutsch: „Der ist so dürr, daß der Tod von Altötting dagegen eine Specksau ist.“ Der „Tod z’ Eding“, dessen Gerippe sich auf einer 7 m hohen Schrankuhr in der Stiftspfarrkirche St. Philipp und Jakob befindet, hat sich Pilgern wohl besonders nachdrücklich eingeprägt, zumal mit jedem Schwung seiner Sense (bei 60 Sensenhieben pro Minute) irgendwo ein Mensch sein Leben lassen soll.
Mit dem kannst auf Ötting reiten.15
In der Mundart hat der populäre Ausspruch folgende Form: „Mid dem kasd auf Eeden raiddn.“16 Er besagt, dass ein Messer derart stumpf ist, dass man damit nach Altötting reiten könnte. Zum Vorschein kommt hier ein alter Aberglaube, der diesen Messerritt mit einem Hexenritt gleichsetzt. Was übrigens das in bayerischen Landen einst übliche Mitführen eines Messers betrifft, so gab es dazu für die frommen, aber gleichwohl rauflustigen Bewohner des nahen Niederbayern den Spruch „An Rosenkranz in der Taschn, ’s Messer in der Hand.“17 „Von dieser doppelten Grundausrüstung“ soll man sich allerdings inzwischen „längst emanzipiert“ haben.18 Einst aber galt das lange Messer als „niederbayerisches Legitimationszeichen“.19
Der kimmt bis af Eding,
bis der ebbs awer bringt von Mäu.20
(= Der kommt bis nach Altötting, ehe der etwas aus dem Mund herausbringt.) „Dieser Mann redet umständlich.“21 Die Mundartversion stammt aus Bodenmais im Bayerischen Wald. Von dort aus sind es rund 120 km zum religiösen Herzen Bayerns. Die „Waidler“, insbesondere die aus Bodenmais, pilgerten aber auch gern zum nahen Neukirchen b. Hl. Blut.
▶ Die Kreisstadt Altötting ist über Shrines of Europe mit den ausländischen Marienwallfahrtsorten Loreto, Tschenstochau, Mariazell, Fátima und Lourdes verbunden. In 11 km Entfernung befindet sich Marktl, der Geburtsort von Papst Benedikt XVI.
Ampfing (Lkr. Mühldorf am Inn)
Z’ Ampfing und z’ Nuifin
san d’...