Für eine differenzierende Betrachtung von Ausbildungsbetrieben können quantitative und qualitative Kriterien herangezogen werden. Während quantitative Unterschiede meist auf Kennzahlen basieren, beziehen sich qualitative Abgrenzungen auf funktionale Aspekte.[67]
Die nachfolgende Abbildung veranschaulicht eine gängige Differenzierung nach Unternehmensgrößen (vgl. Abb. 4-1). Im Rahmen der Arbeit wird dieser Einteilung gefolgt und somit ausschließlich die Beschäftigtenzahl als quantitatives Klassifizierungskriterium herangezogen.
Darst. 4-1: Klassifizierung nach Unternehmensgrößen
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an StBA (Hrsg.),
Unternehmensklassen, o.J., HYPERLINK "http://www.destatis.de" www.destatis.de.
Ergänzende Kriterien, wie u. a. Bilanzsummen oder Umsatzerlöse, werden mangels thematischer Bedeutung nicht vertieft. Stattdessen wird mit zunehmender Unternehmensgröße auch eine generelle Zunahme personeller und finanzieller Ressourcen unterstellt.
Qualitative Kriterien sind unternehmensspezifischer Natur und damit schwer generalisier- und vergleichbar. Im Bereich der Ausbildung kann z. B. die Qualität der Ausbildungsleistung genannt werden. Auch aus der Effektivität des Ausbildungsmarketings könnte eine Klassifizierung abgeleitet werden. Die folgende Darstellung
(vgl. Abb. 4-2) berücksichtigt die zielgruppenspezifische Bekanntheit der Arbeitgeber- und Ausbildungsattraktivität als Bewertungsmaßstab für die funktionale Qualität des Ausbildungsmarketings. Mangels empirischer Daten wird jedoch generell auf eine qualitative Klassifizierung verzichtet.
Darst. 4-2: Qualität des Ausbildungsmarketings
In den folgenden Betrachtungen werden die gesamtwirtschaftliche Ausbildungsintensität sowie der konkrete Beitrag der Ausbildungsbetriebe verdeutlicht.
Ungefähr die Hälfte aller Unternehmen in Deutschland besitzt eine Ausbildungsberechtigung. Davon war im Jahr 2008 wiederum nur die Hälfte ausbildend tätig. Jedes dritte der ausbildungsberechtigten Unternehmen ist jedoch dauerhaft nicht ausbildungsaktiv. Dabei handelt es sich vor allem um Kleinbetriebe.[68]
Nach BUCKERT/KLUGE[69] bevorzugen nicht-ausbildende Unternehmen eine "Tritt- brettfahrer-Strategie". Als Gründe werden häufig ökonomische Zwänge vorgeschoben. Die Klagen reichen von zu hohen Ausbildungsvergütungen, bürokratischen Barrieren, unsicherer Auftragslage bis hin zu fehlendem Ausbildungspersonal samt Infrastruktur. Tatsächlich scheint es in vielen Fällen angenehmer zu sein, bereits qualifizierte Fachkräfte zu gewinnen, statt für deren Ausbildung zu sorgen.
Nachfolgend wird die gesamtdeutsche Ausbildungsaktivität nach Unternehmensklassen visualisiert (vgl. Abb. 4-3). Mit ansteigender Unternehmensgröße ist eine Zunahme der Ausbildungsbeteiligung - Ausbildungsbetriebsquote genannt - erkennbar. Großunternehmen liegen mit ca. 87 % weit vor dem Mittelstand mit 24 %. Die Anzahl der Auszubildenden in Relation zur Belegschaft eines Unternehmens (Ausbildungsquote) nimmt jedoch mit zunehmender Unternehmensgröße ab.
Darst. 4-3: Ausbildungsaktivität nach Unternehmensklassen (2008)
Quelle: Eigene Darstellung auf Datenbasis des BIBB (Hrsg.), Berufsbildungsbericht,
2010, HYPERLINK "http://datenreport.bibb.de" http://datenreport.bibb.de.
Darüber hinaus bestehen 70 % aller Unternehmen aus nur einem Betrieb[70]. Im Ergebnis konzentriert sich die Mehrheit der Ausbildungsaktivitäten demnach auf jeweils eine Betriebsstätte bzw. einen Standort.
Zusammengefasst ist derzeit nur jedes vierte Unternehmen ein aktiver Ausbildungsbetrieb. 50 % aller Unternehmen betreiben aufgrund einer fehlenden Ausbildungsberechtigung kein Ausbildungsmarketing. Werden die dauerhaft inaktiven Ausbildungsbetriebe hinzuaddiert, so erweitert sich der Kreis auf ca. 67 % aller Unternehmen.
Die folgende Abbildung (vgl. Abb. 4-4) ermöglicht einen Überblick über die bundesweite Ausbildungsleistung des Jahres 2008. Fast 98 % aller Ausbildungsbetriebe sind KMU. Die restlichen 2 % bestehen aus Großunternehmen. Ungefähr eine halbe Million
KMU beschäftigten ca. 1,3 Millionen Auszubildende. Demgegenüber standen rund
12 000 Großunternehmen mit einer halben Million an Auszubildenden.
Darst. 4-4: Betriebliche Ausbildungsbilanz (2008)
Insgesamt wurden 66 % der Auszubildenden im Dienstleistungsgewerbe beschäftigt. Dem folgte als zweitgrößter Nachfrager das verarbeitende Gewerbe mit 31 %. Die durchschnittliche Übernahmequote der Auszubildenden lag im Jahr 2008 Unternehmensübergreifend bei 61 %.
Der Schwerpunkt der Ausbildung fand im Dualen System statt (89 %). Circa 11 % der Auszubildenden verteilten sich auf alternative Berufsausbildungswege. 80 % der Auszubildenden waren in Westdeutschland und 20 % in Ostdeutschland beschäftigt. Die Frauenquote war im Dualen System mit 40 % eher schwach ausgeprägt.
Nachfolgend werden quantitative und qualitative Herausforderungen der Ausbildungsbetriebe in Hinblick auf den Berufsnachwuchs analysiert.
In den letzten zehn Jahren ist die Anzahl der Schulabgänger in Ostdeutschland um
41 % zurückgegangen. Diese Entwicklung wird sich noch bis 2011 fortsetzen und sichdanach voraussichtlich bei ca. 130 000 Schulabgängern pro Jahr einpendeln. In Westdeutschland stieg im gleichen Zeitraum die Zahl der Schulabsolventen um 10 % an. Ab
2013 beginnt jedoch ebenfalls ein drastischer Rückgang[71]. In den nächsten zehn Jahren ist mit einer Reduzierung der gesamtdeutschen Schulabgängerzahlen um 11 % zu
rechnen.[72] Die nachfolgende Grafik verdeutlicht die Entwicklung unter Berücksichtigung einzelner Schulabschlüsse (vgl. Abb. 4-5).
Darst. 4-5: Schulabgängerzahlen von 2010 bis 2020
Quelle: Eigene Darstellung und Berechnung auf Prognosen des BIBB (Hrsg.), Berufsbildungsbericht, 2010, HYPERLINK "http://datenreport.bibb.de" http://datenreport.bibb.de
In der Summe ergibt sich bis 2020 ein Rückgang um 94 000 Schulabgänger. Werden einzelne Schulabschlüsse betrachtet, so gehen die Hauptschulabschlüsse um 13,3 %, die Realschulabschlüsse um 14,3 % und Abschlüsse mit Hochschulreife um 6,1 % zurück.
Jedes ausbildungsaktive Unternehmen kann im Jahre 2010 theoretisch auf 1,7 Schul-abgänger zurückgreifen. Im Jahr 2020 wären es nur noch 1,5 Schulabgänger[73]. DieAnzahl an jährlich verfügbaren Schulabgängern fällt gemäß dem BIBB[74] jedoch wesentlich geringer aus. Seit dem Jahr 2004 gestalten sich die zeitnah realisierten Bildungs- und Berufswege der Schulabgänger wie folgt:
Das BIBB[75] hat zu o. g. Zahlen für 2008 auch eine Analyse der Schulabschlüsse durchgeführt. Die betriebliche Berufsausbildung umfasste 38 % der Hauptschüler,
62 % der Realschüler und 45 % der Abiturienten. 20 % aller Abiturienten nahmen ein Studium auf. Im Übergangssystem landeten 21 % der Hauptschüler, 8 % der Realschüler und 2 % der Abiturienten. Der Besuch einer weiterführenden und allgemeinbildenden Schule kam für jeweils 7 % der Haupt- und Realschüler in Betracht. Zu den arbeitslosen Jugendlichen zählten 8 % der Hauptschüler gefolgt von jeweils 5 % an Realschülern und Abiturienten.
Aufgrund der genannten Zahlen stehen im Jahr 2010 pro ausbildungsaktivem Unternehmen im Durchschnitt tatsächlich nur 0,5 Schulabgänger unmittelbar zur Verfügung. Bei gleichbleibender Ausgangssituation reduziert sich die Zahl bis zum Jahre 2020 auf 0,4 Schulabgänger. Wird unterstellt, dass die Ausbildungsquote und Ausbildungsbetriebsqoute als Reaktion auf den Fachkräftemangel tendenziell ansteigt, so zeichnet sich eine gravierende Entwicklung ab. Die rechnerische Wahrscheinlichkeit, unmittelbar einen Schulabgänger zu rekrutieren, wird in dem Fall nochmals wesentlich geringer. Das wahre Ausmaß der Problematik wird derzeit noch durch die
Einstellung zahlreicher Altbewerber[76] kaschiert. Von 2007 bis 2009 sank die Anzahl der Altbewerber von 385 000 auf 244 000, was bereits einem Rückgang von 37 % entspricht.[77]
Die Konsequenzen der demografischen Entwicklung...