Regisseure
In den Jahren 1933–1938 verließen zahlreiche jüdische und/oder politisch missliebige Filmschaffende Nazi-Deutschland, die die formalen Anforderungen der Fachverbände nicht mehr erfüllten. Die Mitgliedschaft darin war obligatorisch und Teil der von den Nazis betriebenen »Gleichschaltung« aller Bereiche der deutschen Gesellschaft. Aufnahmebedingungen für die Reichsfachschaft Film (als Teil der Reichsfilmkammer) waren »fachliche Befähigung«, »Zuverlässigkeit« sowie »arische« Abstammung und deutsche Staatsbürgerschaft. Insbesondere das Kriterium »Zuverlässigkeit« bot reichlich Deutungsspielraum und war ein Instrument der Disziplinierung und Willkür im Interesse der Partei. Hunderte Angehörige kreativer, kaufmännisch-administrativer oder filmtechnischer Berufe wurden nach 1933 durch Ausschluss aus der Filmkammer arbeitslos. Allein die Ufa zahlte im Geschäftsjahr 1932/33 rund 250 000 Reichsmark an Abfindungen. Die Verluste durch abgesagte Produktionen, verbotene Filme (etwa Fritz Langs Das Testament des Dr. Mabuse) oder stornierte Exportgeschäfte betrugen 2,5 Millionen RM.
Die deutsche Filmindustrie, ohnehin gebeutelt von den Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise, befand sich in einem Dilemma: Einerseits war sie gezwungen, den politischen Vorgaben der Machthaber zu folgen (die sie in Teilen auch bereitwillig übernahm), andererseits schwächte sie der Aderlass an Kräften, die dem deutschen Film in der Weimarer Republik zu Weltgeltung verholfen hatten. An erster Stelle zu nennen ist hier Erich Pommer, dessen Ufa-Vertrag im Frühjahr 1933 aufgelöst wurde und der einem Angebot nach Paris folgte. Neben Autoren, Kameraleuten und Schauspielern emigrierten u.a. Regisseure, wie Erik Charell, E. A. Dupont, Fritz Lang, Joe May, Hanns Schwarz, Robert Siodmak und Richard Oswald. Einige, wie Oswald, fanden zunächst in Österreich Zuflucht und konnten dort ihre Arbeit fortsetzen, bis sie nach dem »Anschluss« durch das Deutsche Reich auch hier zum Aufbruch gezwungen wurden. Bei anderen zog es sich länger hin, z. T. weil für sie Ausnahmeregelungen galten. So blieben die jüdischen Produzenten Arnold Pressburger und Gregor Rabinowitsch bis 1935 in Deutschland tätig, Rabinowitsch beriet aufgrund seiner Expertise und vielfältigen Kontakte die Ufa bis 1938. Mit einer Sondergenehmigung des Propagandaministers durfte auch der »Halbjude« Reinhold Schünzel weiter beschäftigt werden – und drehte mit Viktor und Viktoria (1933) und Amphitryon (1935) zwei der aufwendigsten bzw. erfolgreichsten Filme jener Jahre. Wieder andere Regisseure, die weder jüdischer Abstammung waren noch politisch ungewollt, emigrierten, weil sie in Ungnade fielen, das repressive Klima in Deutschland nicht mehr ertrugen oder private Gründe hatten. Zu nennen wären Frank Wysbar, der seiner jüdischen Frau in die USA folgte, ebenso Detlef Sierck, der mit seiner jüdischen Frau 1937 über die Niederlande und Frankreich nach Hollywood übersiedelte, wo er sich in Douglas Sirk umbenannte und nach sechsjähriger Zwangspause 1943 seine Karriere als Spezialist erfolgreicher Melodramen fortsetzen konnte. Wie auch immer: Der deutsche Film sah sich nach 1933 mit einem massiven Verlust von Fachkräften konfrontiert, den es zu kompensieren galt. Neue Talente mussten angeworben, aufgebaut werden. Dies galt insbesondere für eine Schlüsselposition wie die der Regie.
Die meisten im Kino der NS-Zeit maßgeblichen und von Goebbels geförderten Regisseure waren um 1900 geboren, gehörten also zur gleichen Generation der 30–40-Jährigen. Bei einigen, wie Veit Harlan oder Hans Steinhoff, wirkte das Bekenntnis zum Nationalsozialismus karrierefördernd. Aufstiegsvoraussetzung war dies freilich nicht, ebenso wenig eine Parteimitgliedschaft, wie die regimeferne Haltung Helmut Käutners belegt. In einigen Fällen wurden Regisseure weiter beschäftigt und mit hochkarätigen Aufgaben betraut, obwohl Filme von ihnen verboten worden waren (wie etwa Rolf Hansen). Andere, die sich als glühende Parteigänger hervortaten, schützte dies nicht davor, in Ungnade zu fallen – so Karl Ritter mit seinen künstlerisch belanglosen wie politisch plumpen Propagandafilmen.
Veit Harlan
Der Regisseur, der in Goebbels’ Augen am perfektesten Handwerk, Kunst und Ideologie miteinander verband, mit Projekten von herausragender staatspolitischer Bedeutung betraut wurde und in der deutschen Öffentlichkeit entsprechend wahrgenommen wurde, war Veit Harlan.
1899 als Sohn des bekannten Autors und Dramaturgen Walter Harlan in Berlin geboren, bekannte er sich nach der Machtergreifung Hitlers öffentlich zum Nationalsozialismus. Er debütierte 1934 mit der Inszenierung einer Berlin-Posse (»Hochzeit an der Panke«) zunächst als Theaterregisseur und verfilmte dann im folgenden Jahr Krach im Hinterhaus, eine von ihm inszenierte Erfolgsproduktion des Schiffbauerdamm-Theaters. Mit dem Emil-Jannings-Film Der Herrscher, einer freien Bearbeitung von Gerhart Hauptmanns Vor Sonnenuntergang, die das Führerprinzip beschwört, weckte Harlan das Lob des Propagandaministers: »Modern und nationalsozialistisch. So wie ich mir die Filme wünsche.« Es folgten, rasch hintereinander, Mein Sohn, der Herr Minister (1937), Jugend (1938, nach Max Halbe), Verwehte Spuren (1938) und Die Reise nach Tilsit (1939, nach Hermann Sudermann).
Seit Jugend, einem kirchenkritischen Drama um den Schuldkomplex eines unehelich geborenen Mädchens, besetzte Harlan sämtliche weiblichen Hauptrollen mit der Schwedin Kristina Söderbaum, die er 1939 heiratete. Söderbaum geriet fortan zur Personifizierung jener »Opferfrau«, die in Harlans weiterem Œuvre meist im Mittelpunkt des Geschehens stand. So in Das unsterbliche Herz (1939), der Hommage an den Erfinder der Taschenuhr Peter Henlein (1479–1542). Aber auch in Filmen wie Jud Süß als Vergewaltigungsopfer, in Die goldene Stadt als Opfer ihrer eigenen Determiniertheit, in Opfergang als Opfer einer verschleppten Tropenkrankheit, in Der große König (1942) und Kolberg (1945) als Hauptleidtragende des Krieges.
Obwohl einzelne von Harlans frühen Filmen ideologische Tendenzen (Der Herrscher) oder rassistische Charakterzeichnungen (Die Reise nach Tilsit) aufwiesen, waren es keine expliziten Propagandafilme. Dies änderte sich mit Jud Süß. Nach Harlans Auskunft ein von Goebbels befohlenes Projekt, dem er nur widerwillig nachgekommen sei. Die Wahl des Propagandaministers war kein Zufall: Er schätzte an Harlan nicht nur dessen moderne Bildsprache, sondern auch die emotionale Wucht und Wirkung seiner Arbeiten. Harlans Filme setzten die Zuschauer menschlichen Konflikten aus, die quasi ungebremst aufeinanderprallen. Mit seinem schnörkellosen, dichten Inszenierungsstil, der sich stets nah an den Figuren und ihren Gefühlen bewegt, mobilisierte Harlan jenes Überwältigungspotenzial, das Goebbels für sein antisemitisches Lehrstück brauchte und das seinen Vorstellungen von nationalsozialistischer Massenbeeinflussung entsprach. Dass Harlan diesen Auftrag quasi übererfüllte und, statt Routine, ein in Drehbuch, Besetzung, Schauspielführung, Schnitt und Musikdramaturgie perfektes Werk ablieferte, straft seine Behauptung von einer aufgezwungenen Arbeit Lügen. Gemessen an Harlans handwerklicher Leistung, ist Jud Süß ein Kunstwerk. Dass der Regisseur damit den staatlich organisierten Massenmord an den europäischen Juden medial vorbereitete, ist unbestritten. Jud Süß ist nicht der erste und bei weitem nicht der einzige antisemitische Film. Aber es ist der einzige antisemitische Propagandafilm mit einer singulären Kunstfertigkeit. Das verstärkt seine Perfidie noch. »Ein antisemitischer Film, wie wir ihn uns nur wünschen können«, lobte der Auftraggeber. Danach und bestärkt durch den Kassenerfolg von Jud Süß, den allein im Berliner Uraufführungskino in den ersten vier Wochen über 100 000 Zuschauer sahen, realisierte Harlan nur noch Großprojekte. So den Fridericus-Film Der große König, danach die ebenso prestigeträchtigen wie europaweit erfolgreichen Agfacolor-Kammerspiele Die goldene Stadt (1942), Opfergang und Immensee (beide 1943/44). Arbeiten, mit denen er einmal mehr sein melodramatisches Talent unter Beweis stellen konnte, ehe Kolberg Volkssturm-Propaganda, Schlachtengetümmel und Melodramatik mischend zur großen, filmischen Schlussapotheose auf das ›tausendjährige Reich‹ geriet. Ein Werk, das, wenige Monate vor Kriegsende gestartet, nur noch einen Bruchteil des deutschen Volkes – seiner Zielgruppe – erreichte.
Rolf Hansen
Ebenfalls einen akademischen Hintergrund hatte Rolf Hansen (geb. 1904). Nach abgebrochenem Jura-Studium und einer Zwischenstation als Theaterschauspieler kam er 1933 als Regieassistent zum Film und wurde bald die rechte Hand des Produzenten und Regisseurs Carl Froelich. Nach der Realisierung mehrerer Kurzfilme (darunter 1936 der...