Problemlösungen erfordern Kreativität. Kreativität ist einerseits eine natürliche Fähigkeit eines jeden Menschen, andererseits lässt sie sich gezielt durch Techniken fördern.
Natürliche Kreativität ist das Auftreten ungewohnter oder ungebräuchlicher aber angemessener Handlungen. Kreative Leistung ist die Kombination von natürlicher Kreativität und Wissen.
Bekannt ist, dass die natürliche Kreativität im Laufe des Lebens abnimmt. Kinder sind sehr kreativ, was sich in ihrem Spiel recht deutlich zeigt. Im Laufe des Lebens verringert sich aber die natürliche Kreativität, was insbesondere durch die Spezialisierung auf wenige Fachgebiete und die Berücksichtigung von eingrenzenden Regeln und Konventionen begründet ist. Es bauen sich Denkblockaden auf. Paradigmen entstehen, Denkschemen, wie etwas zu tun und zu bewerten ist.
Bild 2.1 Veränderung der Kreativität mit dem Lebensalter
Kreativitätsbarrieren können unterschiedliche Ursachen haben
Auffassungsbarriere
Es gelingt nicht, das Problem aus seiner Umwelt „freizuschneiden“.
Unklarheit in der Formulierung, was das eigentliche Problem ist und was nicht.
Emotionale Barriere
Geistige Trägheit, eingefahrenes Denken.
Kulturelle Barriere.
Pflege von Traditionen, gesellschaftliche Schranken und Tabus.
Desinteresse, Übermotivation, Passivität, Widerstand gegen Änderungen.
Furcht vor Fehlern, Risiko oder Misserfolg, mangelnder Mut, mangelnde Konfliktbereitschaft.
Persönliches Wertesystem.
Barrieren der Umwelt
Soziale und organisatorische Einflüsse des Systems, des Arbeitsplatzes, des Industriebetriebes, des Fachbereiches etc.
Mangel an Kooperationsbereitschaft, persönliche Konflikte, Leistungsdruck, Hierarchie, Routine, Allwissenheitsanspruch, Autorität etc.
Aufgabe von Kreativitätstechniken ist es, die mit dem Lebensalter abnehmende natürliche Kreativität gewissermaßen zu kompensieren. Kreativitätstechniken haben das Ziel, Denkblockaden wieder abzubauen, eingefahrene Denkweisen zu verlassen und das kreative Denken wieder „hemmungslos“ freizusetzen. Gleichzeitig helfen Sie, beispielsweise durch Analogienbildung, neue Gedankenwege zu gehen, bisher unberücksichtigte Verknüpfungen zu berücksichtigen.
Intuitive Methoden („rechte Gehirnhälfte“) liefern in kurzer Zeit sehr viele Ideen. Sie fördern Gedankenassoziationen bei der Suche nach neuen Ideen. Sie sind auf Aktivierung des Unbewussten ausgelegt auf Wissen, an das man sonst nicht denkt. Diese Methoden sollen helfen, eingefahrene Denkgleise zu verlassen. Typische intuitive Methoden sind zum Beispiel
Brainstorming, d.h. „frei spinnen“ ohne Bewertung,
Brainwriting oder Methode 6-3-5, d.h. 6 Personen (6 Zettel), je 3 Lösungsvorschläge, 5 mal weitergereicht.
Diskursive Methoden („linke Gehirnhälfte“) liefern „erarbeitete“ Ideen. Sie führen den Prozess der Lösungssuche systematisch und bewusst in einzelnen, logisch ablaufenden Schritten durch (diskursiv = von Begriff zu Begriff logisch fortschreitend). Solche Methoden beschreiben ein Problem vollständig, indem es analytisch in kleinste Einheiten aufgespalten wird.
Typische diskursive Methoden sind zum Beispiel
die morphologische Matrix, die Systematisierung von Varianten von Wirkprinzipien für Teilfunktionen,
Fragebögen, Checklisten, das systematische Durchdenken von Problemen und Lösungsvarianten,
Mind-Map, das grafische Auflisten von Informationen oder Ideen und deren struktureller Zusammenhang.
TRIZ-Werkzeuge nutzen gezielt leistungsfähige Kreativitätstechniken in Form von diskursiven Methoden bei der Suche nach Problemlösungen.
2.2 | Klassische Konstruktionsmethodik |
Seit mehreren Jahrzehnten wird an Hochschulen die klassische Konstruktionsmethodik auf der Grundlage von Pahl und Beitz [Pah97] sowie Koller [Koll98] gelehrt. Sie findet sich wieder in den Richtlinien des Vereins Deutscher Ingenieure (vgl. VDI 2221, VDI 2222, VDI 2223 und VDI 2206). Diese Hinweise beinhalten Methoden der Problemanalyse und kreativen Lösungsfindung, insbesondere
Methoden zur Aufgabenklärung, speziell die Erarbeitung der Anforderungsliste, auch Lastenheft oder WAS-Pflichtenheft genannt.
Einfache Hinweise zur Lösungsfindung wie Literaturrecherche und Analogiebetrachtung.
Intuitiv und diskursiv betonte Methoden, sogenannte Kreativitätstechniken, wie Brainstorming, Methode 635 oder Galeriemethoden.
Systematische Analysen und Synthesen, insbesondere funktionale Betrachtungen mit Hilfe der Funktionsstruktur.
Morphologie als umfangreiche systematisierte Suche nach Lösungsvarianten für einzelne Funktionen.
Lösungskataloge für mögliche technische Lösungen funktionaler Anforderungen.
Einige Hinweise zu Bewertungsverfahren.
Die Techniken der klassischen Konstruktionsmethodik legen besonderen Wert auf die Unterteilung des Entwicklungsprozesses in einzelne Phasen. Diese sind
Produktplanung und Klärung der Aufgabenstellung,
Entwicklung prinzipieller Lösungen auf einer zunächst abstrakten Suchebene,
Entwurf des konkreten technischen Systems mit seinen funktionalen Komponenten,
Detaillierte Konstruktion des Entwurfs bzw. seiner Komponenten,
Ausarbeitung der Fertigungsunterlagen.
Diese Phasenorientierung hat sich bewährt und ist Grundlage vieler von der Industrie adaptierter und dokumentierter Produktentwicklungsprozesse.
Ein weiterer Schwerpunkt der klassischen Konstruktionsmethodik ist die Erarbeitung möglichst vieler Varianten von Lösungsideen. Systematische Innovation mit Hilfe der TRIZ bewirkt im Allgemeinen ebenfalls eine Fülle von Lösungsideen. Die Menge der Lösungen ist jedoch nicht das Ziel. Die TRIZ legt frühzeitig Wert auf die Qualität der Lösung und forciert dies durch eine eingegrenzte Lösungssuche mit klaren Lösungskriterien. Die Denkweise der TRIZ ergänzt und ersetzt daher in einigen Teilen die Vorgehensweise der klassischen Konstruktionsmethodik.
2.3 | Kreativität und Methodik ‒ ein Widerspruch? |
Kreativität und Methodik sind kein Widerspruch. Vielmehr ergänzen sie sich im Problemlösungsprozess. Der Problemlösungsprozess läuft in der Regel in fünf Phasen ab:
1. Phase der Problematisierung
In der Phase der Problematisierung geht es zunächst darum, das (Kern-)Problem zu erkennen. Aus marketingstrategischer Sicht geht es sogar darum, das Problem als erster zu erkennen, wenn ein Marktvorsprung erarbeitet werden soll. Hier spricht man von latenten Marktbedürfnissen, die aufgedeckt werden müssen. Weiterhin geht es darum, das Problem und damit die Aufgabenstellung richtig zu formulieren. Ansonsten wird die erarbeitete Lösung nicht das eigentliche Problem lösen können, sondern nur oberflächlich Problemsymptome lindern.
2. Phase der Erforschung
In der Phase der Erforschung werden alle problembezogenen bzw. problemrelevanten Informationen gesammelt. Das Problem wird von allen Seiten beleuchtet und analysiert. Je mehr Informationen zum Problem vorliegen, umso leichter fällt meist die Lösung. Oftmals liegt nach tieferer Analyse des Problems die Lösung geradezu auf der Hand.
3. Phase der Inkubation („Ausbrüten“)
Die Phase der Inkubation wird einerseits deutlich durch den Satz: „Da muss ich nochmal drüber schlafen.“ Andererseits werden in dieser Phase mehr oder weniger systematisch die gesammelten Informationen durchdacht, abstrahiert, strukturiert, verschiedene Ressourcen in Erwägung gezogen oder Bedingungen hinterfragt. Es geht darum, sich mit dem Problem zu beschäftigen, in der Regel auch das Unterbewusstsein für die Lösungsfindung zu aktivieren.
4. Phase der Erleuchtung
Die Phase der Erleuchtung ist eigentlich keine Phase sondern ein Zeitpunkt, der Zeitpunkt der Lösungsidee. Wenn es gelingt, das „Kernproblem“ zu erkennen, ergibt sich die erste Lösungsidee, das erste Lösungskonzept oft fast zwangsläufig.
5. Phase der Ausarbeitung
In der Phase der Ausarbeitung werden die zunächst unpräzisen Ansätze, Konzepte oder Teillösungen bezüglich Brauchbarkeit, Realisierbarkeit, Aufwand und Konsequenzen geprüft, verglichen, ausgewählt und dann gegebenenfalls umgesetzt.
Jede dieser fünf Phasen erfordert einerseits Kreativität und kann andererseits durch methodisches Vorgehen unterstützt werden. Systematische Innovation verbessert die Effizienz des kreativen Problemlösungsprozesses, speziell in den ersten drei Phasen.
Oftmals wird das Vorgehen in Form von „Versuch und Irrtum“ mit Kreativität verwechselt. Es besteht vielfach die Meinung, hochkreative Menschen wären in der Lage, allein durch „Versuch und Irrtum“ zu guten Lösungen zu kommen. Methodik sei nicht notwendig, ja sogar hinderlich. Die Praxis zeigt, dass „Versuch und Irrtum“ bei einfachen Problemstellungen durchaus seine Berechtigung hat, nämlich dann, wenn die Anzahl der „Versuche und Irrtümer“ bis zur Erlangung einer guten Lösung recht gering (etwa 10)...