1. EINLEITUNG
Die derzeitige Epoche ist davon geprägt, dass technologischer Fortschritt und gesellschaftliche Veränderungen scheinbar immer schneller auftauchen und Bekanntes in immer kürzerer Zeit durch Neues ersetzt, akzeptiert und erwartet wird. Mit dieser Feststellung geht die Beobachtung einher, dass Innovationen eine immer beständigere und zentralere Position im gesellschaftlichen Interesse einnehmen (Blättel-Mink & Menez, 2015; John, Aderhold & Bormann, 2012).
Die wirtschaftswissenschaftliche These, nach welcher Innovationen Wachstumsprozesse auslösen (Braun-Thürmann, 2012) hat sich in diesem Kontext zur „alltagsweltliche[n] Selbstverständlichkeit“ und politischen Gewissheit gewandelt, die im Kontext ökonomischen Wachstums, gesellschaftlichen Wohlstandes und sozialstaatlicher Errungenschaften angesehen wird (Braun-Thürmann, 2012; Briken, 2015). Obwohl der kausale Zusammenhang zwischen Produktivitätsfortschritt, Wachstum und Wohlstand durch Innovation und technischen Fortschritt umstritten und in einer weiter gefassten Form zu verstehen ist (Briken, 2015), zielen politische Maßnahmen zur Innovationsförderungen darauf ab, die Innovationsfähigkeit und -bereitschaft von Unternehmen zu stärken, „ihre Position im Wettbewerb [...] durch innovatorische Bemühungen zu verbessern“ und die Realisierung des technischen Fortschritts1 auf Unternehmensebene zu beschleunigen (Gabler Wirtschaftslexikon, 2015).
Ungeachtet dessen, dass Innovationen als „eigensinnige und flüchtige Phänomene“ (Bormann, 2012, S. 40) angesehen werden und empirisch „erst ex-post beobachtet und bewertet werden“ (Bormann, 2012, S. 40), existiert ein großes Interesse daran, das aus den Indikatoren von Innovation generierte Wissen „zur Gestaltung einer zukünftigen Gegenwart“ (Innovation) heranzuziehen (Bormann, 2012, S. 41). In Folge der Festlegungen des Oslo-Manuals (Mortensen & Bloch, 2005) werden Aktivitäten und Investitionen, die auf Forschung und Entwicklung ausgerichtet sind, als Indikatoren der Innovation angesehen. Auf der Unternehmensebene werden Innovationen vordergründig durch Neuproduktentwicklungen indiziert (Mortensen & Bloch, 2005), die „prinzipiell als Mittel verstanden [werden], Wettbewerbsvorteile im Sinne eines Wettbewerbsvorsprungs“ zu erreichen (Braun-Thürmann, 2012, S. 26), Extragewinne auf dem Markt durch Produktivitätsgewinne zu erzielen und die weiteren Verbreitung – durch den Anreiz zur Imitation – zu fördern (Braun-Thürmann, 2012; Hotz-Hart & Rohner, 2014b).
Einerseits gehen diese mit der Innovation verbundenen Erwartungen mit dem Wunsch einher, Innovationen als strategisches Mittel (Instrument) einzusetzen, andererseits interessiert aus organisationaler Sicht besonders die Leistung vor der Innovation (Invention), da sie in stärkerem Maß durch die Organisation der Arbeit und den Einsatz unternehmensinterner Instrumente und Mechanismen geregelt werden kann.
Forschung und Praxis stimmen darin überein, dass die der Innovation zugrundeliegenden Wissensgewinnungs- und Handlungsprozesse häufig einer hohen Unvorhersehbarkeit unterliegen, und dass die dafür notwendigen Bedingungen nicht nur in der neuartigen Kombination des vorhandenen technologischen Wissens, sondern vor allem in der Herausbildung neuer Technologien und Märkte sowie der Entwicklung von neuen Anwendungsmöglichkeiten auf der Seite des Kunden (Kundennutzen) bestehen. Die Integration unterschiedlicher betrieblicher Funktionsbereiche (bspw. die Integration des Marketing in Forschung und Entwicklung; vgl. Gupta, Raj & Wilemon, 1985), aber auch altersheterogene Gruppenarbeit (Backes-Gellner & Veen, 2013), werden dabei häufig als förderliche Bedingungen angesehen, weil dadurch unterschiedliches Wissen bzw. Möglichkeiten eingebracht werden können. Die Einflüsse von Altersheterogenität auf die Innovationsfähigkeit der Beschäftigten und die betriebliche Innovationskraft beziehen zusätzliche Relevanz aus der Tatsache, dass sich Unternehmen zunehmend mit den Folgen des demografischen Wandels2 konfrontiert sehen (Jasper, Rohwedder & Duell, 2001). Ein Mangel an qualifiziertem Nachwuchs (Facharbeitermangel), Wissensverlust durch das Ausscheiden älterer Mitarbeiter und die sich weiter öffnende Schere innerhalb der Altersstruktur von Personen im erwerbsfähigen Alter erfordern es von der Forschung zunehmend, ihren Fokus auf die Theorien der organisationalen Gestaltung durch sozialwissenschaftliche Erkenntnisse zu erweitern. Während die Sozialpsychologie in der Kleingruppen- und Teamforschung bis zum Ende des letzten Jahrhunderts einen relativ geringen Einfluss aufzeigt (Ilgen, Hollenbeck, Johnson & Jundt, 2005; Levine & Moreland, 1990), ist auch innerhalb der betriebswirtschaftlichen und organisationspsychologischen Domäne der Trend zu beobachten, sich zunehmen weg von der reinen Prognose von Teameffektivität und Rentabilität eher komplexeren Fragestellungen zuzuwenden, die aufzeigen, warum einige Gruppen effektiver als andere sind (Ilgen et al., 2005). Während die klassische Forschung dabei zumeist auf der Input-Process-Outcome-Verspektive aufbaut, werden verstärkt Versuche unternommen, dieses Rahmenmodell insbesondere im Kontext komplexer, neuartiger Aufgabenstellungen zu erweitert (Ilgen et al., 2005). Einerseits werden Teams dabei zunehmend als komplexe, adaptive und dynamische Systeme angesehen, deren Prozesse aufgrund ihres Ursprungs im System von emergenten Gruppeneigenschaften differenziert werden (Ilgen et al., 2005). Andererseits wird hervorgehoben, dass sich das Team an sich (i.S.v. einem sozialen System) erst durch die Interaktionen der Beteiligten und die Wechselwirkungen innerhalb des übergeordneten organisationalen Rahmens herausbildet und Wandlungen einschließt (Ilgen et al., 2005; Kozlowski & Chao, 2012).
So wird bspw. altersheterogene Gruppenarbeit durchaus als effektiv angesehen, weil unterschiedliches Wissen, Formen der Repräsentation, Erfahrungen und Standpunkte verfügbar werden. Die weitergehende Betrachtung zeigt jedoch auf, dass diese Ressourcen nur unzureichend genutzt bzw. tatsächlich eingebracht werden, wenn etwa Identifikationsprobleme oder soziale Konflikte auftreten. Obwohl in der Organisationsforschung auf die Notwendigkeit hingewiesen wird, Leistungsunterschiede durch die Mediation affektiver, kognitiver und verhaltensbezogener Prozesse zu erklären, erscheint die Forschung diesbezüglich fragmentiert und unkumuliert (Ilgen et al., 2005). Dies wird durch den Einsatz undeutlich abgrenzbarer Konstrukte auf konzeptueller Ebene und Überschneidungen in der Messung von Konstrukten innerhalb einzelner Studien zusätzlich verstärkt (Ilgen et al., 2005). Eine Übersicht der sozialpsychologischen Beiträge auf die Leistung und Entscheidungsbildung in Kleingruppen geben Kerr und Tindale (2004). Zu den anerkanntesten jüngeren Forschungsbeiträgen zählen der Kategorisierungs-Informationsverarbeitungs-Ansatz von van Knippenberg, De Dreu und Homan (2004); van Knippenberg und Hogg (2001), sowie die Perspektiven der Ziel-Orientierung (Alexander & van Knippenberg, 2014) und der Wertschätzung von Heterogenität (Wegge, Schmidt, Liebermann & van Knippenberg, 2011).
Der erste Aspekt der vorliegenden Arbeit verfolgt die zentrale Frage, wie Leistungsunterschiede in Innovationsprojekten angemessen erfasst werden können. Derartige Aufgabenstellungen, die durch eine hohe Neuartigkeit geprägt sind, können ein höheres Maß an Engagement, Zusammenhalt und Wissen erfordern. Über den Teamprozess hinaus wird dabei das meta-theoretische Rahmenmodell von Kozlowski und Chao (2012) einbezogen, welches das Auftreten emergenter Phänomene durch wechselseitige Einflüsse von Eingangsgrößen und Prozessen auf unterschiedlichen Ebenen des organisationalen Systems beschreibt (Ilgen et al., 2005; Kozlowski & Chao, 2012). Dabei verfolgt die Arbeit die Annahme, dass sowohl die Wahrnehmung des Teams als auch die Herausbildung von Teamwissen als derartige emergente Phänomene anzusehen sind und eine zentrale Rolle bei der Bearbeitung neuartiger Aufgabenstellungen einnehmen. Dabei wird untersucht, welche Bedeutung der Teamprozess auf den Austausch und die Integration von Wissen sowie die Wahrnehmung des Teams als geschlossene Einheit einnimmt.
Der dritte Fragenschwerpunkt zielt auf das Problem, welchen Einfluss Altersunterschiede innerhalb von Gruppen auf deren Wahrnehmung als Team aufweisen und welche Konsequenzen daraus für das Teamwissen und die Leistung des Teams resultieren. Im Kontext der Theorie des sozialen Austausches geht die Arbeit dabei differenzierter auf den Aspekt der Wertschätzung von Heterogenität (im Sinne eines instrumentellen Wertes) ein und soll aufzeigen, warum Altersunterschiede in unterschiedlicher Weise auf die Wahrnehmung, das Wissen und die Leistung von Teams wirken.
Betriebswirtschaftliche Disziplinen wie etwa das strategische Management verfolgen die Zielsetzung, den langfristigen Erfolg von Organisationen durch den Aufbau, die Nutzung und Pflege von Erfolgspotenzialen zu sichern. Einen hohen Stellenwert nehmen dabei ressourcenorientierte Ansätze ein (Jones & Bouncken, 2008), weil sie dazu beitragen, das Verständnis des strategischen Managements in Unternehmen zu erweitern (Barney, Wright & Ketchen, 2001), Ursachen und Konsequenzen von Ressourcen auf individueller, organisationaler und gesellschaftlicher Ebene zu identifizieren (Dogruel, 2013) und die Möglichkeit aufzeigen, Ressourcen der betriebliche Mikro-Ebene (Individuum) durch organisationale Prozesse (Meso-Ebene) mit Erfolg oder Misserfolg auf höheren Ebenen zu verknüpfen (Barney et al., 2001).
Eine Grundannahme der ressourcenbasierten Sichtweise (Barney, 1991; Barney et al., 2001) ist es, dass Unternehmenserfolg nicht...