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Terpene, Bedeutung, Bauprinzip, Biosynthese
1.1 Begriff und Bedeutung
Der Begriff Terpene stammt vom Terpentin (Balsamum Terebinthinae) ab. Terpentin, das „Kiefernharz“, ist der zähflüssige Balsam mit seinem angenehm frischen Geruch, welcher beim Anschneiden oder Einkerben aus der Rinde und dem jungen Holz verschiedener Kiefern (Pinaceae) fließt. Terpentin enthält die „Harzsäuren“ und einige Kohlenwasserstoffe, die zunächst herkunftsgemäß als Terpene bezeichnet wurden. Traditionell versteht man unter Terpenen Naturstoffe weit überwiegend pflanzlicher Herkunft, die durchweg aus Isopren-Untereinheiten aufgebaut sind 1 (Abschn. 1.2).
Schon lange ist bekannt, daß Nadelhölzer, Balsambäume und Citrusfrüchte, Coriander, Eucalyptus, Lavendel, Lemongras, Lilien, Nelken, Kümmel, Pfefferminz-Arten, Rosen, Rosmarin, Salbei, Thymian, Veilchen und viele andere Pflanzen oder deren Teile (Wurzeln, Rhizome, Stengel, Blätter, Blüten, Früchte, Samen) charakteristische, meist angenehme Düfte verbreiten, würzig schmecken oder bestimmte pharmakologische Wirkungen entfalten. Terpene prägen überwiegend diese Eigenschaften; um sie anzureichern, werden die Pflanzen entweder angeritzt wie zur Produktion des Wcihrauchs und der Myrrhe aus Balsambäumen, hauptsächlich jedoch extrahiert oder wasserdampfdestilliert wie zur Gewinnung des kostbaren Rosenblütenöls aus den duftenden Blüten bestimmter Rosenarten. Diese als ätherische Öle bekannten Extrakte oder Wasserdampfdestillate werden als Rohstoffe („essence absolue“) in der Parfümerie, zur Geschmacks- und Duftveredelung von Speisen und Getränken sowie zur Herstellung pflanzlicher Arzneimittel (Phytopharmaka) verwendet.
Die biologische, ökochemische Funktion der Terpene ist nur lückenhaft bekannt. Viele Pflanzen erzeugen flüchtige Terpene, um bestimmte Insekten zur Bestäubung anzulocken, andere dagegen als Fraßfeinde zu vertreiben; weniger flüchtige, jedoch toxische Terpene schützen die Pflanzen ebenfalls vor Fraßfeinden. Nicht zuletzt spielen die Terpene als Signalstoffe und Wachstumsregulatoren der Pflanzen (Phytohormone) eine wesentliche, erst in Ansätzen aufgeklärte Rolle.
Viele Insekten metabolisieren die mit der pflanzlichen Nahrung aufgenommenen Terpene zu Entwicklungshormonen und Pheromonen. Pheromone sind Lock- und Signalstoffe (Soziohormone), welche die Insekten zur Kommunikation mit ihren Artgenossen ausscheiden, z. B. zur Warnung (Alarmpheromone), zur Markierung von Nahrungsquellen, dem Weg dorthin (Spurpheromone), von Versammlungsplätzen (Aggregationspheromone) oder zur Paarung (Sexualpheromone). Sie können auf umweltfreundliche Weise konventionelle Insektizide ersetzen, indem sie Schadinsekten wie Borkenkäfer mit ihren eigenen Pheromonen in eine Falle locken.
1.2 Bauprinzip: Isopren-Regel
Rund 20000 Terpene sind derzeit bekannt2-7. Ihre Konstitution folgt einem einheitlichem Bauprinzip: Sie bestehen aus 2-Methylbutan- bzw. Isopren-Einheiten, (C5)n, und werden daher auch Isoprenoide genannt (Isopren-Regel 1 nach RUZICKA und WALLACH, Tab. 1). Terpene kommen in der Natur hauptsächlich als Kohlenwasserstoffe, als Alkohole und deren Glycoside, als Ether, Aldehyde, Ketone, Carbonsäuren und Ester vor.
Tab. 1. Stammkohlenwasserstoffe der Terpene (Isoprenoide)
Je nach Anzahl der 2-Methylbutan- bzw. Isopren-Untereinheiten unterscheidet man gemäß Tab. 1 Hemi- (C5), Mono- (C10), Sesqui- (C15), Di- (C20), Sester- (C25), Tri- (C30), Tetraterpene (C40) sowie Polyterpene (C5)n mit n > 8.
Die Isopropyl-Gruppe des 2-Methylbutans wird als Kopf, die Ethyl-Gruppe als Schwanz bezeichnet (Tab. 1). In Mono-, Sesqui-, Di- und Sesterterpenen sind die Isopren-Einheiten Kopf an Schwanz verknüpft; Tri- und Tetraterpene enthalten je eine Schwanz-Schwanz-Verknüpfung.
1.3 Biosynthese
Biogenetische Vorstufe der Terpene ist das Acetyl-Coenzym A, die aktivierte Essigsäure (Abb. 1)9-11. Nach einer Art CLAISEN-Kondensation zweier Äquivalente Acetyl-CoA entsteht Acetoacetyl-CoA, eine biologische Version des Acetessigesters. Acetoacetyl-CoA reagiert mit einem weiteren Äquivalent Acetyl-CoA als C-Nucleophil nach dem Muster einer Aldol-Reaktion zum β-Hydroxy-β-methylglutaryl-CoA weiter, bevor eine enzymatische Reduktion mit Dihydronicotinadenindinucleotid (NADPH + H+) in Gegenwart von Wasser die (R)-Mevalonsäure ergibt. Deren Phosphorylierung mit Adenosintriphosphat (ATP) führt über Mevalonsäuremono- und diphosphat unter Decarboxylierung und Dehydratisierung zum Isopentenylpyrophosphat (Isopentenyldiphosphat, IPP), das durch eine SH-Gruppen enthaltende Isomerase zum γ,γ-Dimethylallylpyrophosphat isomerisiert. Verknüpfung der elektrophilen Allyl-CH2-Gruppe des γ,γ-Dimethylallylpyrophosphats mit der nucleophilen Methylen-Gruppe des Isopentenylpyrophosphats führt zum Geranylpyrophosphat als Monoterpen. Dessen Weiterreaktion mit einem Äquivalent Isopentenylpyrophosphat liefert Farnesylpyrophosphat als Sesquiterpen (Abb. 1).
Abb. 1. Schema zur Biogenese der Mono- und Sesquiterpene
Allerdings zeigten vergebliche Einbauversuche von 13C-markiertem Acetat und erfolgreiche von 13C-markiertem Glycerol sowie Pyruvat in Hopane und Ubichinone, daß sich Isopentenyldiphosphat (IPP) nicht nur auf dem Acetat-Mevalonat- Weg, sondern auch aus aktiviertem Acetaldehyd (C2, aus Pyruvat und Thiamindiphosphat) und Glyceraldehyd-3-phosphat (C3) bilden kann 12. Als erste unverzweigte C5-Vorstufe des IPP entsteht dabei 1-Deoxypentulose-5-phosphat.
Abb. 2. Schema zur Biogenese der Di-, Tri- und Tetraterpene
Bindet ein Isopentenylpyrophosphat mit nucleophilem Kopf an Farnesylpyrophosphat mit elektrophilem Schwanz, so entsteht Geranylgeranylpyrophosphat als Diterpen (Abb. 2). Sesterterpene (C25) bilden sich durch eine weitere Kopf-Schwanz-Verknüpfung von Isopentenylpyrophosphat (C5) mit Geranylgeranylpyrophosphat (C20). Schwanz-Schwanz-Verknüpfung zweier Äquivalente Farnesylpyrophosphat führt zu Squalen als Triterpen (Abb. 2). Analog bilden sich Tetraterpene (Carotenoide wie 16-trans-Phytoen) durch Schwanz-Schwanz-Dimerisierung von Geranylgeranylpyrophosphat (Abb. 2).
Die in vivo bisher nur vereinzelt nachgewiesenen Hypothesen zum Mechanismus der Biogenese cyclischer und polycyclischer Terpene 9-10 gründen sich überwiegend auf die Chemie der intermediären Carbenium Ionen. Im einfachsten Fall monocyclischer Monoterpene wie des Limonens cyclisiert das nach Abspaltung des Pyrophosphat-Anions gebildete Allyl-Kation zum Cyclohexyl-Kation. Dessen Deprotonierung ergibt (R)- oder (S)-Limonen.
Die nichtklassische Formulierung der nach Abspaltung des Pyrophosphat-Anions entstehenden Carbenium-Ionen macht die Cyclisierung zu mehreren cyclischen Carbenium Ionen verständlich 8, wie es sich exemplarisch an einigen Sesquiterpenen zeigt (Abb. 3). Zusätzliche Vielfalt ergibt sich einerseits aus 1,2-Hydrid- und 1,2-Alkyl-Verschiebungen (WAGNER-MEERWEIN-Umlagerungen) sowie sigmatropen Reaktionen (Cope-Umlagerungen), andererseits aus der Bildung von Diastereomeren und Enantiomeren, wenn die Cyclisierungen neue asymmetrische C-Atome erzeugen (Abb. 3)8-10.
So erklärt das nach Abspaltung des Pyrophosphat-Anions aus Farnesylpyrophosphat hervorgehende nichtklassische Carbenium Ion die Bildung der monocyclischen Sesquiterpene Humulatrien und Germacratrien durch Deprotonierung. Die COPE-Umlagerung des Germacratriens führt zum Elematrien. Das durch Protonierung des Germacratriens unter MARKOWNIKOW-Orientierung zunächst entstehende (höher alkylierte und daher stabilere) Carbenium Ion kann durch 1,2-Hydrid- Verschiebungen zu bicyclischen Carbenium Ionen mit Eudesman- und Guajan- Grundskelett umlagern. Deprotonierungen fuhren zu diastereomeren Eudesmadienen und Guajadienen. Eudesmane können schließlich durch 1,2-Methyl-Verschiebung zu Eremophilanen umlagern (Abb. 3).
Abb. 3. Biogenese einiger mono- und bicyclischer Sesquiterpene aus Farnesylpyrophosphat
Entsprechend bildet sich das vierzehngliedrige Grundskelett des Cembrans, von dem zahlreiche weitere polycyclische Diterpene abstammen. Das als Cembren A bekannte 3,7,11,15-Cembratetraen entsteht unmittelbar aus Geranylgeranylpyrophosphat (Abb. 2) durch Cyclisierung des resultierenden Allyl-Kations 9-10.
Die Biogenese des Pimarans als Stammverbindung zahlreicher polycyclischer Diterpene geht sehr wahrscheinlich vom iso-Geranylgeranylpyrophosphat aus 9-10 Das nach Abspaltung des Pyrophosphat-Anions gebildete acyclische Allyl-Kation cyclisiert nach 1,3-sigmatroper H-Verschiebung zu einem monocyclischen Carbenium-Ion, das seinerseits unter 1,2-Hydrid-Verschiebung zur ionischen Vorstufe des tricyclischen Pimaran-Grundskeletts umlagert.
Tab. 2. Isoprenoide, Überblick
Das 2,3-Epoxy-Derivat des Squalens ist aufgrund von...