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Tiroler Alltagsleben im Ersten Weltkrieg

AutorLukas Morscher
VerlagHaymon
Erscheinungsjahr2014
ReiheVeröffentlichungen des Innsbrucker Stadtarchivs, Neue Folge 55
Seitenanzahl256 Seiten
ISBN9783709935996
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis16,99 EUR
Ein einzigartiger Einblick in den Tiroler Alltag zur Zeit des Ersten Weltkriegs: Zeitungsberichte und eindrucksvolle Bilder erzählen von der Angst um die Männer an der Front, vom Schmerz über die Teilung des Landes, aber auch von weiblicher Feuerwehr, abenteuerlichen Heiratsannoncen und vielem mehr ? so lebten die Menschen in Nord-, Süd- und Osttirol sowie im Trentino. Mit zahlreichen Farbabbildungen.

Lukas Morscher, geboren 1969, Historiker und Jurist, Leiter des Stadtarchiv/Stadtmuseum Innsbruck. Zahlreiche Publikationen, insbesondere zu unterschiedlichen Aspekten der Regionalgeschichte Innsbrucks und Tirols. Bei Haymon erschienen bereits drei Teile seiner Alltagsleben-Reihe: Innsbrucker Alltagsleben 1880?1930 (2011), Innsbrucker Alltagsleben 1930?1980 (2012) und zuletzt Innsbrucker Alltagsleben 1830?1880 (2013).

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Leseprobe

1915


13. JÄNNER

Opferstockdiebstahl


In der Herzog-Friedrich-Straße fand man in der vergangenen Nacht eine Opferbüchse aus schwarz gestrichenem Blech, ungefähr 12 Zentimeter in Breite und Höhe messend; das Schloß war aufgebrochen. Offenbar rührt die Büchse von einem Diebstahle her. IN, Nr. 21, S. 5.

20. JÄNNER

Verlängerung der Arbeitszeit in einzelnen Betrieben


Nach einer Verlautbarung der Statthalterei für Tirol und Vorarlberg, womit die im dritten Quartale 1914 an fabriksmäßig betriebene Gewerbeunternehmungen in Tirol und Vorarlberg auf Grund der Gewerbeordnung bewilligten, bezw. auf Grund früherer Bewilligung von denselben angemeldeten Verlängerungen der elfständigen Arbeitszeit verlautbart werden, erhielten folgende Betriebe die Bewilligung zur Ueberstundenarbeit: Franz Baurs Söhne, G. m. b. H., Loden- und Schafwollwarenfabrik, Mühlau, 70 Arbeiter und Arbeiterinnen; Josef Müller u. Co., Ziegelwerk, Hopfgarten, 40 Arbeiter; Philipp Suchard, Schokoladefabrik in Bludenz, 81 Arbeiter; Gebrüder Sannwald, Wolldeckenfabrik, Hörbranz, 28 Arbeiter; Julius Maggi, G. m. b. H., Nahrungsmittelfabrik, Bregenz, 30 Arbeiter; Gebrüder Sannwald, Wolldeckenfabrik, Hörbranz, 114 Arbeiter und Arbeiterinnen; J. Mößmer u. Co., Nachfolger, Tuchfabrik, Bruneck, 16 Arbeiter und Arbeiterinnen; Herburger u. Rhomberg, Weberei in Dornbirn, 122 Arbeiter; M. J. Elsinger u. Söhne, Leinenweberei in Telfs, 130 Arbeiter. Die genannten Firmen hatten vorwiegend Kriegslieferungen auszuführen. IN, Nr. 34, S. 5.

25. JÄNNER

Im Dusel


Ein angetrunkener Landsturmmann kam heute nach Mitternacht in seine militärische Unterkunft in der Neurauthgasse. Er klopfte an, da ihm aber nach seinen Begriffen nicht rasch genug aufgemacht wurde, stieß er die Füllung der Haustüre ein, natürlich nicht ohne den solche Handlungen begleitenden Lärm. Einen andern Mann in der Unterkunft beschimpfte und bedrohte der gewalttätige, durch den allzureichlichen Alkoholgenuß zu Gewalttaten fähige Landsturmmann in einer solchen Weise, daß der Bedrohte nach einer ihm zunächst stehenden Flasche griff und diese dem Beduselten auf den Kopf schlug. Der Hieb war ziemlich kräftig. Der Verletzte wurde dann von der Polizei zur Rettungsstelle die Rathause gebracht und dann der Militärbehörde übergeben. IN, Nr. 43, S. 7.

Westmeiers Gasthaus zum Stiegele in der Neurauthgasse in Wilten um 1912.

10. FEBRUAR

Urlaube für Militärpersonen bei Todesfällen von Verwandten


Von amtlicher militärischer Seite wird uns mitgeteilt: Das Kriegsministerium beziehungsweise das Ministerium für Landesverteidigung hat die Militärkommandos ermächtigt, im eigenen Wirkungskreise den in ihrem Bereiche stationierten Militärpersonen im amtlich nachgewiesenen Falle des Ablebens oder der lebensgefährlichen Erkrankung ihrer allernächsten Verwandten (Gattin, Kinder, Eltern, Geschwister, Großeltern) kurze Urlaube nach Zulässigkeit des Dienstes zu erteilen. […] IN, Nr. 72, S. 7.

12. FEBRUAR

Auf Abenteuer


Ein Bauernknecht aus Platt in Passeier, der in den letzten Tagen in Innsbruck weilte, geriet hier, zufälligerweise natürlich, in liederliche Gesellschaft, die er in Wirtshäusern antraf. Er ließ einige Liter Bier auffahren, denn der Passeirer war seiner Gesellschaft gegenüber, einem polizeibekannten Taglöhner und seiner Zuhälterin, nicht bloß gastfreundlich, sondern auch galant; dies betrifft natürlich nur den weiblichen Teil der Gesellschaft. In einem der Wirtshäuser schlief der Knecht auf einige Augenblicke ein und dies wurde von seinen teilnahmsvollen Begleitern benützt, um ihm die Uhr aus der Tasche zu ziehen. Als der Passeirer den Abgang seiner Uhr bemerkt hatte, eilte er zur Polizei um dies anzuzeigen. Die Polizei traf die beiden des Taschendiebstahls verdächtigten Personen in einem Wirthause in der Hofgasse und nahm sie mit. Auf dem Wege zum Hauptwachzimmer warf der Zuhälter die dem Bauern gestohlene Uhr fort. Die zwei Personen wurden verhaftet. IN, Nr. 76, S. 7.

4. MÄRZ

Bitten aus einem Reserve-Spital


Edle Menschenfreunde werden innigst gebeten, die in liebevoller Weise einst gespendeten, aber leider schon vollständig verausgabten Widmungen für das Reserve-Spital „Gewerbe-Schule, Anichstraße“ zu erneuern, da der frische und hohe Krankenbelag der öffentlichen Wohltätigkeit dringend bedarf. Auch um kroatische und polnische Bücher wird gebeten. IN, Nr. 113, S. 6.

15. MÄRZ

Bitte für die seuchenkranken Krieger


Wenn auch von Seite der Bevölkerung für die Verwundeten in Innsbruck durch Zuwendung von Liebesgaben aller Art hocherfreulicherweise sehr viel geschieht, so gibt es doch eine Gattung von den hieher überführten kranken Kriegern, welche entweder ganz vergessen sind, oder denen ängstlich ausgewichen wird, obwohl sie eigentlich die Bedauernswertesten von Allen sind: die Seuchenkranken, die an Ruhr, Typhus und dergleichen Infektionskrankheiten leidenden Verwundeten. Und gerade diesen unverschuldet Schwerkranken und Genesenden, welche von allem Außenverkehr im hiesigen Garnisonsspital vollkommen abgeschlossen sind und die nur die tägliche Diät erhalten, tut Anteilnahme an ihrem herben Geschick doppelt not! Diese Braven erhalten wenig oder nichts von den Liebesgaben, welche in andere Spitäler gebracht werden. […] IN, Nr. 132, S. 7.

Zimmer mit bettlägrigen Kriegsverletzten in einem Innsbrucker Reservespital – vermutlich ein Klassenzimmer entweder in der Müllerstraße 38 oder im Pädagogium.

24. MÄRZ

Der Rechenhof


… ist um diese Zeit ein beliebtes Ausflugsziel, es ist aber infolge der Verhältnisse nötig geworden, daß sich jetzt ein jeder Gast selbst mit Brot versorgt.

Freundlichst zum Besuche einladend Speckbacher, Besitzer. IN, Nr. 149, S. 11.

3. MAI

Drei russische Offiziere entwichen


Aus Zell a. Z. wird uns unterm 2. Mai berichtet: Am 1. d. M. um 10 Uhr abends entwichen drei russische Offiziere aus der Offiziersstation in Kriml. Alle drei haben kurz gestutzte Schnurrbärte, kurzgeschorenes Haar und sprechen nicht deutsch. IN, Nr. 218, S. 7.

4. MAI

Der „Eiserne Blumenteufel“


Die Soldatenfigur „Der Eiserne Blumenteufel“, nach dem Gedanken des Majors Franz Höringer und nach den Skizzen des Prof. Egger-Lienz vom Grödner Schnitzer Unterjäger Ennrich verfertigt, ist nun vollendet und am 12. ds. M. soll in feierlicher Weise die Nagelung der Figur erfolgen. Dieser Akt wird im Säulengange (Erdgeschoß) des Landhauses erfolgen. IN, Nr. 220, S. 6.

Das Bild zeigt eine Westansicht vom Rechenhof in Arzl bei Innsbruck. Das Gasthaus verfügt über einen verglasten Festsaal, der an das Gasthaus 1906 angebaut wurde. Im Vordergrund eine große Wiese, auf der Kinder spielen, sowie ein Gastgarten mit Tischen, Bänken und zahlreichen Gästen. An der Fassade Spaliere für Obstbäume.

5. MAI

Unsinnige Gerüchte


Gestern abends gab es in unserer Stadt wieder einmal eine große, aber ganz unberechtigte Aufregung: Die Nachricht von dem glänzenden Siege der Verbündeten in Galizien war den Leuten in den Kopf gestiegen und gewissenlose Menschen benützten diese empfängliche Stimmung, um allen Leichtgläubigen einen riesigen Bären aufzubinden. Die neuesten amtlichen Angaben der Heeresleitungen über das bisherige Ergebnis des Sieges, welche von den hiesigen Amtsblättern veröffentlicht wurden, waren dem Publikum zuwenig – man steigerte daher die Zahl der Gefangenen, der eroberten Geschütze usw. ins Unermeßliche und nannte dabei die „allerneuesten und ganz genauen“ Ziffern, um dadurch den Anschein zu erwecken, als ob diese Nachricht wirklich aus amtlicher, verläßlicher Quelle stammte. Einer erzählte es dem andern und jeder glaubte es mit einer Inbrunst, gegen die alle Vernunftsgründe machtlos waren. Wer an der Wahrheit des Gerüchtes zu zweifeln wagte, der konnte sogar einer saftigen Grobheit gewärtig sein, und wenn das noch immer nichts half, so wurde der allerletzte und beste Trumpf ausgespielt, indem man...

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