»Und morgen wird eine andere Sau durchs Dorf getrieben« – wer kennt dieses Sprichwort nicht? Gemeint ist damit, dass die Sache wohl schnell vergessen sein wird, weil längst ein neues Thema die Runde macht. Gerade in der Presse wird oft mit einer spektakulären Nachricht eine hohe Aufmerksamkeit erzeugt. Ebenso schnell legt sich die Aufregung aber auch wieder, weil ein neuer brandaktueller Skandal durch die Medien geht. Sie fragen sich vielleicht, was das alles mit unserem Thema zu tun hat?
Lassen Sie es uns mal so sagen: Wir alle kennen es, wenn im Unternehmen durch ein neues hippes Thema plötzlich alles in Frage gestellt wird. Verstehen Sie uns bitte nicht falsch! Wir hängen weder an »alten Zöpfen«, noch schätzen wir die bekannten Formulierungen »Das haben wir schon immer bzw. noch nie so gemacht«! Doch mit genau jener Einstellung »Und morgen wird eine andere/neue Sau durchs Dorf getrieben« gehen viele Mitarbeiter mit Änderungen um. Da ordert der Chef etwas an, das so modern klingt wie »agile Transformation«, und alle schauen weg, sind gespannt, warten ab – ob denn das Schreckgespenst wieder einmal vorübergeht, wie so viele vor ihm auch. Und die Führungskräfte wundern sich, dass die Umsetzung nicht gelingt, dass sie scheitern, dass sie ihre Mitarbeiter einfach nicht motiviert bekommen.
Sehen Sie, und schon sind wir mitten im S.A.U.-Prozess – der übrigens nicht mehr unmittelbar etwas mit der durchs Dorf getriebenen Sau zu tun hat, aber genauso »stinkt«.
Definition
Der S.A.U.-Prozess beschreibt ganz einfach das
»Scheitern An Umsetzung«.
Scheitern wird definiert als Misserfolg. Das Nichterreichen eines Ziels. Etwas misslingt, hat also nicht den angestrebten Erfolg. Ein menschlicher Fehlschlag. Versagen. Logisch, dass man so etwas nicht will und es deshalb möglichst mit allen Mitteln zu vermeiden sucht. Dabei wusste schon Winston Churchill: »Erfolg ist die Fähigkeit, von Misserfolg zu Misserfolg zu schreiten, ohne die Begeisterung zu verlieren.« So gesehen wäre das Scheitern nicht nur ein Misserfolg, sondern auch eine Kunst. Die Kunst nämlich, das Scheitern nur als einen – manchmal notwendigen – Schritt auf dem Weg zum Erfolg zu sehen. Schließlich kann nur scheitern, wer überhaupt aktiv wird und einen oder gar mehrere Versuche wagt. Ohne diese Versuche wäre der Stillstand vorprogrammiert, ein Vorwärtskommen als Mensch und Unternehmen unmöglich.
Klar ist aber auch: Wir leben in einer Leistungsgesellschaft, in der Menschen an ihren Erfolgen gemessen und für ihre Niederlagen verurteilt bzw. geächtet werden. Dabei gehören Niederlagen zum menschlichen Leben dazu. Glücklich, wer nur Erfolg hat – allerdings wissen wir, dass sich beim »Blick hinter die Kulissen« oft ein ganz anderes Bild zeigt. Und das ist gut so, schließlich sind wir alle »nur« Menschen! Damit wir Menschen allerdings an Niederlagen wachsen können, heißt es, richtig mit ihnen – den Niederlagen und den Menschen – umzugehen. In Unternehmen sind beispielsweise Fehlertoleranzen sehr wichtig – nicht nur in der Produktion, sondern generell bei allen Prozessen oder in Projekten: Wo Menschen zusammenarbeiten, dürfen Fehler nicht nur passieren, sie sollen es sogar, weil genau diese eine Weiterentwicklung ermöglichen.
Ein erster Weg raus aus dem S.A.U.-Prozess würde also bedeuten, Scheitern nicht länger negativ zu verwenden und zu bewerten. Nehmen wir uns ein Beispiel an vielen namhaften Forschern, die ihre bahnbrechenden Erfindungen niemals ohne unzählige Fehlversuche hätten machen können. Berühmtestes Beispiel ist wohl Thomas Alva Edison. Der Erfinder der Glühbirne sah das locker: »Ich bin nicht gescheitert. Ich habe 10.000 Wege gefunden, wie es nicht funktioniert.«
Kommen wir zum zweiten zentralen Aspekt unseres S.A.U.-Prozesses: die Umsetzung. Oft spricht man auch von Umsetzungskompetenz, die beschreibt, wie ein Mensch sein Ziel durch einen Plan konsequent erreicht. Wollen wir etwas erreichen – noch dazu etwas Neues, was wir noch nie zuvor gemacht haben –, brauchen wir genau diese Stärke. Im Mittelpunkt steht dabei immer die Verwirklichung. Wir haben einen Wunsch, eine Vision, ein Ziel – und eine Strategie soll uns dahinführen. Manchmal gelingt dies mit relativ geringem Aufwand, manchmal bedeutet es, sich schon deutlich mehr anzustrengen. Aber immer ist es unsere Aufgabe, erst einmal aktiv zu werden, denn von Nichts kommt bekanntlicherweise auch nichts!
Um in die Umsetzung zu kommen, bleibt uns oft nichts anderes übrig, als unser Verhalten zu ändern. Viel zu sehr hängen wir an dem, was wir bereits kennen und können. Also Vorsicht: Verhaltensänderungen gehören zu den größten Herausforderungen eines Menschen. Auch weil Veränderung mit einem hohen Maß an Selbstdisziplin einhergeht. Diese und der Wille, das Ziel zu erreichen, führen dann aber beinahe automatisch zu einer konsequenten Selbststeuerung. Wichtig gerade im Zusammenhang mit der Umsetzung in Unternehmen: Haben Menschen diese Selbststeuerung, brauchen sie weniger Motivation von außen, weil sie diese praktisch in sich haben. Was es natürlich auch für Führungskräfte wesentlich leichter macht, Mitarbeiter zur Umsetzung zu bewegen. Schließlich ist dann kein Bewegen mehr von außen notwendig, sondern es geschieht praktisch von ganz alleine. Führung heißt dann, den natürlichen Prozess einfach nur zu begleiten und von Fall zu Fall punktuell einzugreifen, wenn es dieser notwendig macht.
Apropos Prozess – auch diesen wollen wir noch einmal kurz definieren, damit Sie als Leser wissen, was wir darunter verstehen und wie wir diesen Begriff auch im weiteren Buchverlauf verwenden. Ein Prozess ist die logische Abfolge von einzelnen Teilschritten. Diese sogenannten Prozess-Phasen werden durch ein vorher definiertes Ergebnis bestimmt. Jetzt braucht es nur noch ausreichend Ressourcen und die richtigen Methoden, damit der Prozess durch die Ausführung aller notwendigen Einzelaufgaben am Ende zum Ziel führt. Aber auch dann ist ein Prozess noch lange kein Selbstläufer: Denn ohne die Beachtung vorher festgelegter Regeln sowie einer aktiven Steuerung ist jeder Prozess zum Scheitern verurteilt.