2. Mein Freund – der unbekannte Begleiter
Das Team für ein Leben!
Stellen Sie sich einmal Folgendes vor: Sie werden mit ihm zusammen am selben Tag im selben Krankenhaus geboren. Von der ersten Ladung in die Windel bis zur Krabbelgruppe werden Ihre Wege nie getrennt. Sie sind mit ihm in dieselbe Kindergartengruppe gegangen und auch nachmittags im Sandkasten waren Sie unzertrennlich. Sie nehmen jede Mahlzeit miteinander ein, sitzen die gesamte Schulzeit nebeneinander. Sie rennen, turnen, klettern und fallen mit ihm zusammen hin. Lachen und Weinen mit ihm. Sie fahren mit ihm in den Urlaub, jedes Jahr. Selbst beim ersten Rendezvous ist er dabei. Sie machen zusammen Ihren Schulabschluss, gehen gemeinsam studieren oder arbeiten. Sie gehen mit ihm spazieren und bummeln und lassen ihn an den intimsten Dingen des Lebens teilhaben. Sie gehen jeden Abend mit ihm ins Bett und stehen mit ihm gemeinsam auf. Sie fassen ihn an, fühlen ihn, frieren und schwitzen zusammen. Jede Freude teilen Sie mit ihm und jede Trauer. Sie machen schlichtweg alles zusammen. Bis zum heutigen Tag, an dem Sie diese Zeilen lesen und ich komme und Sie frage, kennen Sie ihn überhaupt? Wie ist er? Wie funktioniert Ihr treuer zuverlässiger Weggefährte und wie tickt er? Er … wer ist er?
Er ist Ihr Körper, Ihr ständiger Begleiter in jeder Stunde und Minute Ihres Lebens. Wissen Sie, wie Sie ihn behandeln und pflegen müssen, damit er auch weiterhin so gut funktioniert wie bisher, oder auch, warum er bei anderen eventuell besser oder schmerzfreier funktioniert? Wissen Sie nicht mehr über Gebrauch und Pflege Ihres Handys als über Ihren Körper? Haben Sie sich schon mal in Zeiträumen, wo er reibungslos und einwandfrei funktioniert, gedanklich mit Ihrem Körper beschäftigt? Ja? Oder nehmen Sie diesen Zustand einfach als Selbstverständlichkeit hin? Und wenn er Sie gerade mit Schmerzen oder Unwohlsein quält, Sie zur Verzweiflung bringt, Sie ihn deshalb verfluchen, denken Sie dann auch daran, dass Sie ihn vielleicht auch gequält, ihn hoffnungslos überfordert und „misshandelt“ haben und das vielleicht schon über einen unendlich langen Zeitraum? Viele Fragen, auf die Sie wahrscheinlich auch nicht so auf die Schnelle eine Antwort haben.
Wenn doch und größtenteils mit Nein beantwortet, dann empfehle ich Ihnen, dieses Buch auf jeden Fall bis zum Ende zu lesen, denn in den meisten Fällen ist es die Rache Ihres Körpers an Ihnen!!! „The Revenge of your Body“. Und deshalb haben Sie die Schmerzen jetzt auch verdient. Schon der große Sportphilosoph Berti Vogts formulierte es so: „Man sieht sich immer zweimal im Leben!“
Ich kenn dich nicht, aber wasch dich trotzdem!
Und nun stelle ich die Frage aller Fragen: Wie kommt man dazu, über seinen Körper, seine Gesundheit oder Gesunderhaltung nachzudenken …? Bei den allermeisten Menschen sind es plötzlich auftretende Beschwerden, sich langsam verstärkende Schmerzen oder Bewegungseinschränkungen, häufig gepaart mit dem Verlust von Lebensqualität. Auffällig ist, dass es prozentual deutlich mehr Frauen als Männer sind, die sich mit dem Thema Gesundheit und Gesunderhaltung auseinandersetzen bzw. auch gewillt sind, vorhandene Missstände zu erkennen und etwas dafür oder dagegen zu tun. Da stellt sich nun die Frage, sind Männer einfach gesünder oder haben Frauen einfach nur mehr Zeit und sehen die Gesundheitsvorsorge quasi als Zeitvertreib oder Hobby an? Der Mann schaut die Sportschau und die Frau liest die Rentner-Bravo (kostenlose Apotheken-Zeitschrift). Oder haben Frauen dann doch ein besseres Verhältnis zu ihrem Körper? Aus meiner langjährigen Berufserfahrung heraus vertrete ich die Theorie, Frauen haben einen tieferen Bezug zu ihrem Körper. Vielleicht liegt es auch daran, dass ihr Körper sich in bestimmten Zyklen verändert und sie deshalb schon mehr über sich wissen müssen als Männer. Denn im besten Fall ist die einzige Abwechslung und spürbare Veränderung beim Mann von der beginnenden Pubertät bis zur gezwungenen Einnahme von Viagra das morgendliche Rasieren.
Ganz unterschiedlich ist das Alter, in dem man (Frau) sich das erste Mal ernsthaft mit dem – ich gebe zu nicht gerade als unterhaltsam bekannten Thema – Gesundheit und Körper auseinandersetzen. Das ist meistens der Zeitpunkt, an dem Beschwerden das erste oder zweite Mal verstärkt und länger anhaltend auftreten. Und das kann leider in jeder Altersstufe vorkommen. Der Grund hierfür können chronische Beschwerden aufgrund von Fehlbe- bzw. Überlastung sein. Angeborene Fehlfunktionen, die sich im Laufe der Jahre verschlechtern, aber auch akute Ereignisse, im schlimmsten Fall bedingt durch einen Unfall.
Ich geh zugrunde, gehst du mit?
Die Aufzählung der Möglichkeiten, wie Schmerzen entstehen können, ist unendlich lang und ich möchte Sie hier nicht langweilen, indem ich versuche, tatsächlich jede Form der Entstehung aufzulisten. Viel interessanter ist, wie gehe ich damit um, wenn er plötzlich oder auch schleichend da ist, der böse Schmerz, der mir die Freude auf alles Schöne nimmt … Und wie gehe ich damit um und vor allem dagegen an? In den meisten Fällen geht das nur, wenn ich mich mit mir und meinem Körper ernsthaft auseinandersetze. Ihn versuche zu verstehen und darauf hoffe, dass ich an Leute gerate, die mir dabei helfen, ihm auch ein schöneres Leben zu bescheren – sei es der Arzt, der Therapeut oder auch der Freund, Mann, Frau etc. Es gibt natürlich auch die Menschen, die versuchen, ihre Beschwerden in aller Ruhe auszusitzen, auf Spontanheilung oder auf den nächsten Papstbesuch hoffen. Ich glaube aber, von dieser Sorte wird auf keinen Fall jemand dieses Buch überhaupt in die Hand nehmen, und deshalb werde ich diese – zwar nicht kleine – Gruppe einfach außer Acht lassen. Dabei ist uns doch eigentlich das richtige Gefühl und der richtige Umgang mit unserem Körper in die Wiege gelegt worden. Jedes Kleinkind hat physiologische (wie von der Natur vorgesehen) und gelenkschonende Bewegungsmuster in seinem Bewegungssystem abgespeichert. Diese Bewegungsmuster haben wir uns dann über Technologie und Fortschritt in der Entwicklung des zivilisierten Menschen langsam aus dem Gedächtnis radiert. In der modernen Welt nennt man das Imitationsverhalten. Früher nannte man das falsche Vorbilder. Und diese falschen Vorbilder sind wir alle. Kinder schauen sich falsche Bewegungsabläufe von den Erwachsenen ab, imitieren und kopieren diese, um sie dann für ihr weiteres Leben als festen Bestandteil zu übernehmen (mehr dazu im Kapitel: „Klein aber oho“.) Das hat zur Folge, dass ein gutes Körpergefühl sich heutzutage ab dem fünften Lebensjahr langsam verflüchtigt. Außer pubertär bedingten Veränderungen nehmen wir unseren Körper erst dann wieder ernsthaft wahr, wenn er uns mit Schmerz und Unwohlsein quält. Wann dieser Punkt eintritt, hängt von der Form und Intensität der vorher zugefügten Belastungen und Fehlbelastungen, aber auch vom Faktor Glück ab. Je später das Zusammentreffen mit dem Schmerz im Lebensweg auftritt, desto schwieriger ist es, diese Menschen davon zu überzeugen, ihr Fehlverhalten und ihre Einstellung zur Gesundheit oder Gesunderhaltung zu verändern.
Wenn möglich – bitte wenden!
Der Umgang mit Menschen, die Schmerzen oder Erkrankungen haben, ist nicht immer einfach. Es gibt Menschen, die verfluchen ihren Schmerz, andere leben ihn aus, wieder andere überspielen ihn und bei einigen ist sogar der schuld, der ihn diagnostiziert hat. Und dann kommt oft noch einer daher, meistens auch noch jünger als der betroffene Schmerzleidende, und überhäuft diesen mit guten Vor-und Ratschlägen, gepaart mit Vorwürfen, was er in seinem bisherigen Leben alles falsch gemacht haben soll und überhaupt. „Wie, meine Haltung ist schlecht, das ist angeboren, dafür kann ich nichts!“ „Ein Körpergefühl wie eine Planierraupe, junger Mann?“ – „ Ich war Kreismeister im Kegeln!“ „Wie, ich hebe den Kasten Bier nicht richtig hoch? Was meinen Sie, was ich schon alles in meinem Leben gehoben habe!“ „Waaas, ich schlafe nicht richtig? Und jetzt soll ich diese Übungen machen …? Wenn Sie mal meine Schmerzen hätten, dann würden Sie anders reden!“ Was meinen Sie, wie oft ich diesen Satz schon gehört habe: „Wenn Sie mal meine Schmerzen oder meine Krankheit hätten. Sie haben gut reden, wissen Sie überhaupt, wie weh das tut?“
Jetzt kann ich von mir mit Fug und Recht behaupten: Ich weiß es! Denn auch mich hat dieses Bewusstsein und das Verständnis für den eigenen Körper nicht mein ganzes Leben lang begleitet. Ich bin auch nicht wie ein Geistlicher in den Stand des Physiotherapeuten berufen worden. Ich habe den klassischen Weg beschritten, den die meisten meiner späteren Patienten oder „Opfer“ ebenfalls gegangen sind. Ich hatte Schmerzen und das ganz plötzlich. Ein schwerer Unfall in jungen Jahren hat mich letztendlich erst dazu gebracht, meine Lebens- und Bewegungsgewohnheiten ändern zu müssen und dann auch nachfolgend den Beruf des Physiotherapeuten zu ergreifen. Ja, ich weiß, was Schmerzen sind und wie schwer und doch einfach es auch ist, etwas zu verändern, wenn man es denn wirklich will oder muss. Was ich...