3Methoden
Viele sind hartnäckig in Bezug auf den einmal eingeschlagenen Weg, wenige in Bezug auf das Ziel.
Friedrich Nietzsche
Anders als in früheren Bänden der WerkstattBibel schien es dem Redaktionsteam bei diesem Thema nicht nötig, die Methode ausdrücklich vorzugeben. Die Bewegung auf verschiedenen Wegen und in sehr unterschiedlichen Wegtexten der Bibel schien so selbstverständlich auf der Hand zu liegen, dass sie nicht extra erwähnt werden musste. Außerdem hatte sich bereits in den vergangenen WerkstattBibeln gezeigt, dass die Vorgabe von methodischen Zugängen durchaus zwiespältig ist und Methodenvorgaben nur bedingt sinnvoll sind.
Besonders dann, wenn Text und Methode nicht recht zusammenkommen wollen, ist es schwierig, sich für das eine oder andere entscheiden zu müssen. Bei allzu großer Methodenverliebtheit kann leicht das Ziel, den biblischen Text verstehen zu wollen, aus dem Blick geraten. Ja, im schlechtesten Fall kann Methodenkonsequenz das Textverständnis regelrecht behindern. Umgekehrt kann ein großartiger Umgang mit dem Text ohne bewusste methodisch-didaktische Konzepte dazu führen, dass die Teilnehmenden über die Erfahrungen mit dem Text belehrt werden, selbst aber keine Erfahrung machen können. Beide Extreme sollen vermieden werden.
Methode und Text
Selten ist so deutlich geworden wie in der Werkstatt zu den Wegen, wie sehr alle Planungsgruppen darum bemüht waren, die Methodenwahl jeweils in den Dienst des Textverständnisses zu stellen. So sind eine Reihe von Bibelarbeiten entwickelt worden, die sich Schritt für Schritt in enger Verbindung mit dem Text entfalten (Jes 55; 2 Kön 2; Rut 1; Apg 9), während die anderen jeweils den Text als Ganzes als Grundlage der Bibelarbeit genommen haben (Gen 3; Jos 9; Mt 7,13f). Wie unterschiedlich dabei zum Textverständnis angeregt wird, hat womöglich mit den Zugängen zu tun, die die vorbereitende Gruppe selbst zum Text gefunden hat. Es gibt unzählige Möglichkeiten, dem Text treu zu sein und ihn in die eigene Lebenswirklichkeit hinein zu deuten.
Die Textarbeit löst sich darum von Methodenvorgaben und verselbständigt sich zugunsten der gewählten Deutungsperspektive (siehe „Methode und Ziel“). Dabei ist allerdings zweierlei zu bedenken: zum einen sollte die vorbereitende Gruppe vermeiden, die eigenen Textdeutungen weitervermitteln zu wollen, statt in der Werkstatt selbst Entdeckungen mit dem Text zu ermöglichen. Die Wahl der Methoden kann dabei hilfreich sein (siehe „Weg als Methode“).
Zum anderen kann eine Methode so genau stimmig und passend zum eigenen Textverständnis gewählt werden, dass eine bestens durchdachte Vorführung des Textes entwickelt wird. Doch will die WerkstattBibel keinen Bibeltext und keine Deutung vorführen, sondern die Teilnehmenden aktivieren. Das Motto heißt: „Lehre mich – ich vergesse. Zeige mir – ich erinnere mich. Beteilige mich – ich verstehe.“
Methode und Ziel
Jeder Text, auch jeder biblische Text, kann aus ganz verschiedenen Perspektiven betrachtet werden: aus sozialpolitischer Sicht werden sicher andere Entdeckungen möglich als aus biologischer Sicht; mit sprachwissenschaftlichem Blick ist anderes wichtig als mit historischem Blick; wer die Texte aus wirtschaftlicher Perspektive liest, entdeckt anderes als wer nach der Anwesenheit Gottes im Text fragt. Aus Gender-Sicht öffnet sich anderes als aus der Beziehungs-Perspektive.
Überraschend einheitlich wurde als Perspektive der Bibelarbeiten der ganz persönliche Zugang zu den Texten gewählt: Selbstvergewisserung und sich selbst im Text zu finden, ist ein zentrales Bedürfnis bei der Bibelarbeit heute. Die Beziehung zwischen Text und eigenem Leben steht im Vordergrund, die individuelle Erfüllung ist wesentlich.
Das sollte auf jeden Fall bedacht werden, gerade wenn der eigene Zugang zu biblischen Texten eher sozialpolitisch oder kollektiv-gesellschaftlich wäre. Diese scheinen für viele Teilnehmende weniger drängend zu sein als die persönliche Stärkung zur Bewältigung von Alltag und Glauben.
Weg als Methode
Auf den ersten Blick mag es scheinen, als habe sich nun eine Vielfalt der Zugänge von A wie Apfelkuchen (Gen 3) bis T wie Torbau (Mt 7,13f) ergeben. Bei der genaueren Betrachtung sind die methodischen Textaneignungen sehr wohl systematisch nachvollziehbar und jeweils eng auf den Text bezogen.
Zweimal finden sich Stationenwege (Gen 3 und Rut 1), die bewusst werden lassen, dass vor allem weite, beschwerliche oder das Leben völlig verändernde Wege in einzelne Etappen gegliedert sind. Jeder Zwischenhalt ist eine Gelegenheit zum Zurückblicken und oft genug eine Herausforderung für eine Entscheidung: welcher Ort eignet sich für eine Rast? Wie lang soll diese Rast dauern, welche Wahl wird an der nächsten Weggabelung getroffen und welche verworfen? Der Stationenweg lenkt den Blick auf die kleineren Einheiten und richtet die Aufmerksamkeit auf Details, ohne das Ganze aus dem Auge zu verlieren. Dabei kann auch bewusst werden, dass der gleiche Weg für verschiedene Personen ganz unterschiedlich sein kann.
Auch bei den bibliodramatischen Elementen (Jos 9 und 2 Kön 2) geht es um eine Erweiterung der Horizonte und zugleich darum, sich selbst einzugliedern und sich als Teil des Geschehens zu erleben: Orte werden von der Kursleitung im Raum zugeordnet, die biblischen Figuren(gruppen) werden separat von den Teilnehmenden erkundet, um eine Annäherung an eine Figur oder Situation zu ermöglichen. Daran kann eine Befragung der Teilnehmenden an ihren Standorten oder in ihrer Rolle anschließen. Bei diesem Zugang ist die subjektive Erfahrbarkeit des biblischen Textes sehr zentral – wobei diese jeweils ganz stark von der Lebenswirklichkeit der sich identifizierenden Person geprägt ist. Hier wird besonders deutlich, dass der Zugang zum biblischen Text niemals von der eigenen Person zu trennen ist und dass der Text viele biografische Wahrheiten enthält. Besonders geglückt ist dieser Zugang, wenn den einzelnen Teilnehmenden bewusst wird, dass neben der eigenen Wahrnehmung und ganzheitlichen Deutung noch andere Deutungen genau so richtig und wahr sind.
Der methodische Zugang über Symbole für den Weg (Jos 9; Apg 9) dient in den Bibelarbeiten zum Weg einer individuellen Annäherung an den Text. Makramee-Schnur (Jos 9) und Elektrodraht (Apg 9) eignen sich gut, einen (Lebens-)Weg in die eigenen Hände zu nehmen und durch Abtasten, Formen oder Biegen zu gestalten. Hier werden in beiden Fällen die eigenen Lebenswege fokussiert, doch könnte die Methode genauso gut dazu dienen, biblische Lebenswege gestalterisch nachzuempfinden. Es könnte ja zum Beispiel durchaus reizvoll sein, das Leben des Apostels Paulus mit einem Elektrodraht darzustellen. So ähnlich die beiden Zugänge erscheinen mögen, sind sie durch Material und Aufgabenstellung doch ganz unterschiedlich verstanden worden. Makramee-Schnur und Elektrodraht signalisieren beide, wie mitteleuropäisches Denken das Leben als zeitlich linear wahrnimmt. Das Leben von der Geburt bis zum Tod als Zeitstrahl zu verstehen, ist allerdings nur eine konkrete Variante von verschiedenen Möglichkeiten. So kann das Leben auch zyklisch oder spiralförmig angesehen werden – doch würde solch eine Blickweise das Textverständnis in andere Richtungen führen.
Durch Visualisieren (Jes 55; Mt 7,13f) kann ein erster thematischer Zugang zum Text eröffnet werden, der Text selbst ausgelotet werden oder zur persönlichen Vertiefung einer Bibelarbeit dienen. Am vertrautesten ist sicher eine Visualisierung mit Farbstiften und Papier, wobei die Wahl des Materials die Teilnehmenden ganz unterschiedlich anregen und motivieren kann: Wachsblöcke und Seidenpapier ermutigen zu großflächigem, kräftigen Arbeiten, während Pastell- und Buntstifte mehr den Wunsch nach Ästhetik wecken. Auch der Umgang mit Ton ist den meisten Menschen nicht ganz neu – aber nicht allen gleich angenehm. Dass es nicht darum geht, Kunstwerke zu schaffen, die den Ansprüchen einer Kunstakademie entsprechen, sondern darum, „die Hände denken zu lassen“ und dabei den Text neu auszuloten, sollte sehr deutlich gemacht werden. Malerband als Schreibwerkzeug („Tapen“) war für die Werkstatt-Teilnehmenden eine neue Entdeckung: die großzügige, raumgreifende und zugleich etwas unbeholfene Schreibweise führt von sich aus zu Entschleunigung und Reduktion: keine Romane sondern einzelne Worte werden formuliert – und es überrascht wieder einmal, wie wenig Doppelungen dabei entstehen. Wo immer möglich, sollten diese Statements auch über die Kurszeit hinaus bestehen bleiben können!
Vielleicht ist es kein Zufall, dass gerade die beiden neutestamentlichen Texte zu Ritualen (Mt 7,13f und Apg 9) angeregt haben, die die spirituelle Dimension des biblischen Textes am eigenen Leib spürbar werden lassen. Sie stimmen – ohne eigentlich liturgisch zu sein – gottesdienstlich ein,...