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E-Book

Unverschämt frei

Lass los, was dich belastet, und umarme dein Leben.

AutorChristine Caine
VerlagGerth Medien
Erscheinungsjahr2018
Seitenanzahl240 Seiten
ISBN9783961223183
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis12,99 EUR
In dem Leben, das Gott für uns vorgesehen hat, haben Schamgefühle keinen Platz. Denn sie belügen uns, rauben den Frieden und ketten an die Vergangenheit. Christine Caine kennt das aus eigener Erfahrung. Sie beleuchtet die oft verborgenen Konsequenzen der Schamgefühle. Gekonnt veranschaulicht sie anhand persönlicher Beispiele und biblischer Personen, dass Gott mächtiger ist als unsere Fehler, Unzulänglichkeiten, Erfahrungen und Begrenzungen. Er ist nicht nur mächtiger als alles, was eine Person jemals getan hat, sondern auch als das, was einem angetan wurde. Legen Sie den schweren Rucksack Ihrer Nöte ab. Und umarmen Sie das Leben!

Christine Caine, ist eine gefragte Referentin und Autorin. Als Gründerin der A21-Kampagne leitet sie eine der weltweit größten gemeinnützigen Organisationen, die sich in zwölf Ländern um Opfer von Menschenhandel kümmert. Mit ihrem Mann Nick und ihren beiden Töchtern lebt sie abwechselnd in Australien und den USA.

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Leseprobe

KAPITEL 1

GESCHULT IN SCHAM

~

Ich habe deine Brotdose fertig gepackt, Christine«, rief meine Mutter aus der Küche. »Komm, ich flechte dir die Haare.«

Ich blickte runter auf meine brandneuen, glänzenden, schwarzen Schuhe, versicherte mich, dass meine weißen Socken an den Fußknöcheln sauber gefaltet waren und sprang aus meinem Zimmer, um meine hübsche, leuchtend pinke Brotdose zu holen, die ich mir für den ersten Schultag hatte aussuchen dürfen. Ich hatte an diesem Morgen versucht, etwas zu frühstücken, konnte aber nur wenige Bissen runterwürgen. Wer wollte schon Zeit mit frühstücken verschwenden? Der große Tag war endlich gekommen. Der erste Schultag. Ich konnte es nicht abwarten, bis ich endlich dort war. Ich zappelte unruhig hin und her, während meine Mutter mein langes, hellbraunes Haar sorgfältig in zwei Zöpfe flocht; dann hüpfte ich mit fliegenden Zöpfen aus dem Haus, um auf den Spuren meines Bruders, der schon Zweitklässler war, zur Schule zu gehen.

Für manche Kinder ist der Schulbeginn ein aufregendes Abenteuer, verbunden mit neuen Freunden, neuen Liedern, Spielen und neuen Entdeckungen, während es für andere eine beängstigende Trennung von den Eltern und der Sicherheit des geliebten Zuhauses bedeutet. Ich gehörte auf jeden Fall zur ersten Kategorie, eine eifrige Sechsjährige voll freudiger Erwartung, dass jetzt lauter gute Dinge passieren würden.

Ich erinnere mich noch lebhaft, wie ich mich das erste Mal im Klassenraum hinsetzte und begeistert über die bunte Welt der Bücherregale und Kreidetafeln auf meinem Stuhl hin und her rutschte – ein Wunderland, das ich unbedingt genauestens erkunden wollte. Aber am allerneugierigsten war ich auf all die anderen Kinder – ein ganzer Raum voll neuer Spielkameraden in meinem Alter! Bis dahin hatte ich nur selten mit Kindern aus der Nachbarschaft gespielt – auch wenn ich es mir öfter gewünscht hatte. Meine Spielkameraden waren meist meine Brüder oder Cousins und Cousinen gewesen, wenn wir als Familie zusammenkamen. Ich konnte die Mittagspause kaum abwarten, um draußen neue Freundschaften zu knüpfen.

Endlich war die Pause da, und wir nahmen alle unsere Brotdosen mit nach draußen und setzten uns auf den Boden des Schulhofes. Doch an dieser Stelle drängt sich eine Szene in meine mit Nostalgie gefüllten Erinnerungen, die meine Wangen erröten ließ und mir einen Stich ins Herz gab.

Ich wählte einen Platz neben ein paar anderen Mädchen und öffnete den Deckel der Brotdose, während ich mich freute, dass meine Mutter das Übliche eingepackt hatte: ein Schafskäse-Oliven-Sandwich. Ich genoss gerade den ersten Bissen, als Wayne, ein Junge, der in meiner Nähe saß, seine Nase kräuselte und rief: »Igitt! Was ist denn das für ein schrecklicher Gestank? Was isst du denn da für stinkendes Zeug?«

Plötzlich waren alle Augen auf mich gerichtet. Waynes Freund Raymond verkündete allen: »Sie isst diesen griechischen Schafskäse.« Dann beäugte er mich argwöhnisch und fragte: »Warum könnt ihr Kanaken nicht normal essen wie jeder andere auch? Kein Wunder, dass ihr alle nach Knoblauch stinkt.«

Für einen Moment erstarrte ich; dann begann mein Herz zu klopfen. Ich spürte, wie mein Gesicht heiß wurde. Das Wort, das er benutzt hatte, war ein schreckliches und fieses Wort – eine hetzerische, rassistische Verleumdung für Griechen –, das wir zu Hause nie benutzten, obwohl ich es schon mal gehört hatte – wütend von fremden Menschen auf öffentlichen Plätzen hinausgespien. Warum nannte er mich so? Und mein belegtes Brot roch für mich ganz normal und stank nicht. Aß denn nicht jeder Schafskäse?

Ich sah mich um in der Hoffnung, jemanden mit einem ähnlichen Brot zu finden – nur, um festzustellen, dass alle anderen Kinder etwas dabeihatten, das wir bei mir zu Hause nie aßen: Weißbrot-Sandwiches mit Vegemite, einer typisch australischen Gemüsepaste. Ich fühlte mich entblößt, wie ein kurioses Ausstellungsstück, das von ratlos und finster dreinblickenden Gesichtern unter die Lupe genommen wurde, von denen ich noch vor wenigen Minuten angenommen hatte, sie wären meine neuen Spielkameraden.

Ich hätte mich am liebsten in Luft aufgelöst.

Wayne und Raymond hingegen wurden durch den Rückhalt des neu gewonnenen Publikums wagemutiger. »Mein Vater sagt, ihr Kanaken sollt in euer eigenes Land zurückgehen. Ihr gehört nicht hierher.«

Mein Magen krampfte sich zusammen. Ich verstand nicht, was er meinte. Wohin zurückgehen? Dies war doch mein Land oder etwa nicht? Ich war hier in Australien geboren worden. Ich hatte mein ganzes Leben in derselben Straße gelebt. Wohnte nicht jeder, der hier gerade sein Mittagsbrot aß, im selben australischen Viertel wie meine Familie? In Lalor Park? Warum sagte er, ich gehöre nicht hierhin?

Ich blickte auf die anderen Mädchen neben mir, in der Hoffnung, einen mitfühlenden Ausdruck oder ein aufmunterndes Zeichen zu sehen, aber alle blickten weg und taten so, als ginge ich sie nichts an. Niemand kam mir zu Hilfe. Ich war ganz allein.

Es folgten noch mehr schmerzende Worte über meine Herkunft, begleitet vom Gekicher einiger Kinder. Ich saß still dort, die Augen auf den Boden gerichtet, bis Wayne und Raymond schließlich keine Lust mehr hatten, mich zu hänseln, und sich abwandten. Anscheinend stimmte etwas nicht mit mir, es war irgendetwas Peinliches daran, griechisch zu sein. Kein anderer wurde wegen seines Essens oder seiner Familie gehänselt. Aus Gründen, die ich nicht verstand, war ich merkwürdig, anders und unangenehm für sie; jemand, den man meiden musste. Obwohl es in meinem leeren Magen rumorte, war mir der Appetit vergangen. Ich stopfte mein ungegessenes Sandwich zurück in die Brotdose – die hübsche, pinke Brotdose, über die ich mich kurz zuvor noch so gefreut hatte – und ließ den Verschluss zuschnappen. Die Minuten gingen nur langsam vorbei. Ich sah sehnsüchtig zu, wie andere sich in kleinen Gruppen sammelten, redeten und spielten. Doch niemand sprach mit mir. Ich saß still und allein dort, wollte gern zu den anderen gehen, fühlte mich aber unwillkommen wie ein Außenseiter.

Erleichterung machte sich breit, als schließlich die Glocke läutete. Auf dem Weg zurück ins Klassenzimmer kämpfte ich mit den Tränen, nahm heimlich mein Brot aus der Dose und warf es in den Mülleimer. Nie wieder wollte ich zulassen, dass sich jemand über mich lustig machte, weil ich anders war. Ich würde versuchen, wie jeder andere zu sein. Ich wollte nicht mehr griechisch sein. Unterschied ich mich vielleicht noch auf eine andere Art von ihnen? Hatte ich einen Akzent? Benutzte ich andere Wörter? Gab es noch etwas anderes an mir, über das die anderen lachen würden? Von nun an würde ich versuchen, nichts zu sagen oder zu machen, was die anderen nicht auch sagten oder taten.

Die Sechsjährige von damals kannte noch nicht wirklich ein Wort für das, was sie an dem Tag empfand. Später habe ich es gelernt.

Beschämt.

Den Rest des Jahres ging ich beinahe jeden Tag still mit dem von meiner Mutter so liebevoll eingepackten Brot zum Mülleimer und warf es weg – egal, wie hungrig ich war. Die Scham bringt einen dazu, so etwas zu tun. Sie bringt uns dazu, die guten Dinge, die uns gegeben wurden, einfach wegzuwerfen.

LEKTION GELERNT

Alles, was du wirklich wissen musst, hast du schon als Kind gelernt ist ein bekanntes Buch von Robert Fulghum. Was er damit natürlich meint, ist die Tatsache, dass wir in den ersten Schuljahren lernen, was von uns erwartet wird, um in der Welt zurechtzukommen: zu teilen. Fair zu spielen. Uns an den Händen zu halten und zusammenzustehen.

Aber die Lektion, die ich an dem besagten Tag in der Schule gelernt hatte, war die Lektion der Scham gewesen. Ich lernte sie so dermaßen gut in der Schule, dass ich bereits ab der ersten Klasse quasi täglich mit Hohn und Spott rechnete – mit Beschimpfungen und Mobbing. Mir war jetzt auch klar geworden, dass die verunglimpfenden Graffitizeilen, die an die Wände unseres Wohnbauprojekts gesprüht worden waren, gegen mich und meine griechische Immigranten-Familie gerichtet waren – die einzigen Griechen in unserem Sozialwohnungsviertel für Geringverdiener. Ich hatte durch bittere Erfahrung gelernt, dass ich nichts tun konnte, um die Kluft zwischen meinen Klassenkameraden und mir zu überbrücken. Mein Plan, mich während der Grundschulzeit anzupassen und einzufügen, war kläglich gescheitert. Stattdessen wurde ich aufgrund des griechischen Bluts, das durch meine Adern floss, immer wieder bloßgestellt.

Meine Reaktion? Ich wurde ein richtiges Raufbalg, stets bereit zurückzuschlagen. Wenn ich schon keine Sicherheit in meiner Herkunft finden konnte, dann wollte ich wenigstens auf Kraft und Zähigkeit setzen. Wenn ich nicht die Liebe und Freundschaft meiner Klassenkameraden gewinnen konnte, wollte ich wenigstens ihren Respekt gewinnen. Da ich Sport – und ganz besonders Fußball – liebte, trainierte ich hart, um die Beste zu sein. Ich trieb mich dazu an, am schnellsten zu rennen, den Ball am weitesten zu schießen, mich an den besten Spieler zu halten – der immer ein Junge war –, und dann daran zu arbeiten, besser zu sein als er. Bald konnte ich mich auf dem Schulhof wacker behaupten und es sogar mit den Jungs aufnehmen.

An einem Tag in jenem Jahr – ich war inzwischen sieben Jahre alt – ging ich mit meinem Bruder zusammen nach Hause, als eine Gruppe neunjähriger Jungen begann, ihn zu schubsen. Er versuchte, sie zu ignorieren und weiterzugehen, aber einer von ihnen schrie: »Komm schon, Kanake, hast wohl...

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