Gute Geschichten
Eines kalten Novembertages 1944 saß der englische Holzarbeiter Donald Watson vor seinem Magazin für „non-dairy vegetarians“ (auf Milchprodukte verzichtende Vegetarier). Ein Newsletter, der viermal im Jahr erscheinen sollte und sich einer Abonnentenschar von 25 seltenen Exemplaren erfreute. In dieser ersten Ausgabe behandelt Watson nun direkt das dringendste Problem: Wie sollte man das Magazin und dessen kleine Lesergemeinde taufen? Denn Bezeichnungen wie „non-lacto“ oder „non-dairy“ hören sich nicht nur sehr negativ an, sondern lassen auch die Tatsache außen vor, dass Watson & Co. ja auch keine Eier essen.
Schnitzeljagd
Man brauchte also einen Namen, der positiv klingt und dabei den Verzehr tierischer Produkte jedweder Art von vornherein radikal ausschließt. „Vegetarier“ und „Frutarier“ waren ja schon vergeben. Um den Sekretärinnen die mühselige Arbeit des wiederholten Tippens eines langen Worts wie „Vegetarier“ zu ersparen, zerschnippelte Watson, ganz Pragmatiker, das Wort „VEGetariAN“ kurzerhand zu „vegan“. Als schlagendes Argument für den just geborenen Veganismus führte Watson nicht nur den ethischen Aspekt, sondern auch die Tuberkulose-Erkrankungen von 40 Prozent aller Milchkühe Englands an. Als Watson 2005 im Alter von 95 starb, bezeichnete sich bereits eine Viertelmillion aller Briten als Veganer und in den USA stolze 2 Millionen. Wer vegan isst, meidet alle Nahrung tierischen Ursprungs, wie Fleisch, Eier, Milch, Honig und daraus hergestellte Lebensmittel und Zusatzstoffe. Etwa Aromastoffe aus der Molke oder mit Fischblase geklärten Wein. Ursprünglich lehnte man auch die Nutzung tierischer Produkte ab, wie Leder, Wolle, Daunen, Seide, Seife, bestimmte Kleber (Tierknochen)… Mittlerweile gibt es natürlich ein weites Spektrum an Meinungen, wie streng man sich daran halten müsse … Was natürlich auch wieder Diskussionen auslöst – und nicht immer erfreuliche.
Besserwisser
Einer der ersten bekannten Vegetarier war der griechische Philosoph Pythagoras, der im 6. vorchristlichen Jahrhundert lebte. Bevor eine pflanzenbasierte Ernährung im 19. Jahrhundert mit dem Begriff „vegetarisch“ bezeichnet wurde, war sie sogar allgemein als die „Pythagoras’sche Diät“ bekannt.
Wer is(s)t was? Lauter Tarier …
So wie sich einst der Veganismus vom Vegetarismus abzweigte, so splittet sich dieser heute weiter auf in Formen wie „Roh-Veganismus“ bei dem das Essen nicht gekocht wird. Rohköstler hingegen essen alles, es darf nur nicht über 40 Grad erhitzt werden.
Die „Mono-Ernährung“ beruht auf der Idee, dass der Magen nur ein Lebensmittel auf einmal verdauen soll.
Ein Frutarier gehört zu einer noch strengeren Art von Veganern: Er ernährt sich nur von solchen Nüssen, Samen, Früchten etc., die geerntet werden können, ohne die Pflanze dabei zu töten.
Der Lacto-Vegetarier isst kein Fleisch, keine Eier, erlaubt sich aber die Milch von Tieren.
Der Ovo-Vegetarier verzichtet auf Milch, isst aber Eier.
Der Pescetarier setzt auch noch Fisch auf den Speiseplan. Kangatarier essen zur Veggie-Kost nur Kängurufleisch.
Der Flexitarier genießt ab und an auch ein Stück Fleisch – allerdings qualitativ hochwertiges. Er macht den Vegetarismus nicht zu seiner alltäglichen Lebensphilosophie, sondern möchte gesund leben. Paleotarier essen wie in der Altsteinzeit: Wild, Fisch, Eier, Honig. Keine Milch und kein Getreide.
Der Puddingvegetarier oder Puddingveganer interessiert sich überhaupt nicht für seine Gesundheit, sondern ausschließlich für das unbeschadete Leben der Tiere. Und der Omnivore bleibt als gemeiner „Allesfresser“ der menschlichen Natur treu.
Dem allerdings täte Mäßigung gut: Der Deutsche isst etwa 60 Kilogramm Fleisch und Wurst im Jahr – doppelt so viel, als gesund wäre. Rotes Fleisch und Wurst sowie medikamenten- und hormonverseuchtes Massentierhaltungsfleisch erhöhen das Risiko für Diabetes, Gicht, Bluthochdruck oder Herzkrankheiten. Und da lebt der Veganer sehr wohl gesünder.
Wein oder was?
Auf der Speisekarte moderner Vegan-Restaurants sucht man Wein und Bier oft vergeblich. Lediglich die alkoholfreie Variante wird einem angeboten. Warum eigentlich? Zwar wird Wein oft mit Casein oder Gelatine geklärt, jedoch findet man die vegane Alternative in jedem Supermarkt. Und Bier, das nach dem deutschen Reinheitsgebot gebraut wurde, ist auch zu 100 Prozent vegan (das irische Guinness übrigens leider nicht!). Dass vegane Restaurantbesitzer von Alkohol auf der Karte trotzdem oft nix wissen wollen, hat andere Gründe. Sie vertreten die Meinung, dass der Mensch ausschließlich gesunde Nahrung aufnehmen soll. Alles, was schlecht für uns ist (und leider ja schon auch ein bisschen Spaß macht), wie Alkohol und Koffein, ist ihrer Meinung nach ein No-go. Und freilich auch das Nikotin. Ob man wirklich so weit gehen will, seinen morgendlichen Cappuccino durch einen Lupiccino zu ersetzen, das Glas Wein durch Traubensaft, das kann ja jeder für sich entscheiden.
Besserwisser
•Ironischerweise ist Jeff Juliano, der Mann der den McDonalds Clown Ronald McDonald verkörperte, heute Vegetarier.
•Benjamin Franklin war zeitweise Vegetarier und brachte 1770 den Tofu nach Amerika.
•Am 1. November ist Vegan-Day.
Im Trend: „Raw“
Rohkost. Oh, wie das klingt! Nach modrig schmeckenden Sprossen, Karottensticks, Körnern zwischen den Zähnen … und Salatbäuchen. Stimmt ganz und gar nicht! Raw heißt ja nur: nicht kochen. Denn ab 42 Grad gehen viele Vitamine, Mineralstoffe und Enzyme kaputt, und auch die Struktur von Proteinen und Fetten verändert sich. Man kann im Grund jedes Gericht auch in seiner Rohkost-Variante zubereiten. Pizza, Brot, Suppen, Gemüse, Chips, Saucen, Desserts … in den trendigen Dörröfen. Kleine Kisten, die bei 42 Grad warme Luft übers Essen blasen, damit die Feuchtigkeit entweicht. Es wird warm – aber die Nährstoffe bleiben drin. Nun muss man auch Raw nicht zum Dogma machen. Wer die Hälfte „roh“ isst, macht nix verkehrt. Natürlich nur, wenn man’s verträgt.
Übrigens: Seit ich Raw-Schokolade kenne, kommt mir keine andere mehr in den Mund … Soooo lecker, soooo xunt. Für die normale Schokolade werden die Kakaobohnen nämlich so heiß geröstet, dass alle gesunden Stoffe verloren gehen. Bei Raw-Schokolade eben nicht.
Roh auch mal ungesund?
Obacht: Nicht jedes Gemüse schmeckt roh besser und ist gesund! Wer schon einmal in eine rohe Kartoffel gebissen hat, weiß das. Kartoffeln sind übrigens kurz angebraten gesünder als lange gekocht. Weil die Vitamine B2, B6 und C bei längerem Kochen verschwinden, durch kurzes Anbraten hingegen nicht.
Das Beta-Karotin (Provitamin A) in Karotten wird durch 10 Minuten Kochen dem Körper besser zugänglich gemacht. Die Tomate entfaltet ihre Lycopin-Power in gekochtem Zustand besser und beugt so laut Studien Krebs vor. Brokkoli darf dafür auch mal roh gegessen werden. Weil seine krebsvorbeugenden Glucosinolate hitzeempfindlich sind.
Mit viel Vitamin C versorgt uns eine einzige Paprika – vorausgesetzt, man isst sie knackig roh. Die Sulfide in Knoblauch und Zwiebel sind gut fürs Herz, und außerdem wirken sie antibakteriell, schmecken roh auch im Salat und sind so am gesündesten. Auberginen dagegen enthalten im Rohzustand das giftige Solanin und sollten unbedingt gekocht werden, dasselbe gilt für grüne Bohnen.
„Seit der Erfindung der Kochkunst essen die Menschen doppelt so viel, wie es die Natur verlangt.“
Benjamin Franklin
Im Fall: Soja-Allergie
Leider kommt eine Allergie gegen Sojaeiweiß häufig vor. Da ist man dann auch mit der deutschen Schwester namens „Lupine“ nicht unbedingt besser bedient. Und auch die anderen Hülsenfrüchte werden oft nicht vertragen. Wenn man allergisch ist gegen Hülsenfrüchte, wird’s schon kompliziert. Fallen Erbsen, Bohnen, Soja, Linsen und Co. erst mal weg, muss sich der Veganer sein Eiweiß woandersher holen. Funktioniert zum Beispiel übers Internet. Dort finden Soja-Allergiker auch Erbsen-Eiweiß oder ein Pulver aus hypoallergenem...