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Verhör, Vernehmung, Befragung

Zu Geschichte und Dogmatik des Rechtsbegriffs der Vernehmung im Strafprozess und seiner Auflösung im 20. Jahrhundert

AutorAntje Schumann
VerlagMohr Siebeck
Erscheinungsjahr2016
ReiheJus Poenale 8
Seitenanzahl278 Seiten
ISBN9783161541278
FormatPDF
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis99,00 EUR
Was ist eine Vernehmung? Die Regeln der Strafprozessordnung über die Vernehmung sehen zwar sowohl für die vernehmende Person als auch für die vernommene Person bestimmte Rechte und Pflichten vor. Wann jedoch eine Befragung eine Vernehmung ist, dies beantwortet das Gesetz nicht - und das hat Folgen. Denn welche Regeln gelten, wenn der Staat den Bürger nicht förmlich vernimmt, sondern ihn nur 'informatorisch' befragt? Wie verhält es sich mit den Rechten des Bürgers und wie mit den Pflichten des Staats in einer sogenannten verdeckten Befragung, wenn der Bürger glaubt, es handele sich um ein privates Gespräch von Bürger zu Bürger? Antje Schumann widmet sich auf historischer und dogmatischer Grundlage sowie unter Einbeziehung von Erkenntnissen der Aussage- und Vernehmungspsychologie der Bestimmung des Rechtsbegriffs der Vernehmung im Strafprozess. Sie gelangt zu einer Definition, die der staatlichen Ausübung von Macht bei der Aufklärung des Verdachts einer Straftat Grenzen setzt und die Rechte des befragten Bürgers wahrt. Zudem weist Antje Schumann nach, dass die Vernehmung die einzige im Strafverfahren zulässige Form der Befragung ist.

Geboren 1972; Studium der Rechtswissenschaft und der Psychologie an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg und der Universidad de Vigo, Facultad de Derecho Ourense (Galicia); 1998 erste Juristische Staatsprüfung; 2003 zweite Juristische Staatsprüfung; 2005 Promotion; 2014 Habilitation; SoSe 2013 Vertretung am Lehrstuhl für Strafrecht, Strafprozessrecht, Rechtsvergleichung und Rechtsphilosophie an der Humboldt-Universität zu Berlin; WiSe 2014/15 bis SoSe 2016 Vertretung der Lehrprofessur für Strafrecht an der Fakultät für Rechtswissenschaft der Universität Regensburg.

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Inhaltsverzeichnis
Cover1
Vorwort8
Inhaltsverzeichnis10
A. Einführung16
B. Begriff der Vernehmung: Der aktuelle Befund18
I. Bestimmung des Begriffs der Vernehmung: Meinungsstand18
1. Das Schweigen des Gesetzes18
2. Formeller und materieller Vernehmungsbegriff22
3. Zweck der Vernehmung als Kriterium der Begriffsbestimmung27
4. Bedeutung des Personalbeweises im Strafverfahren der Gegenwart30
II. Auswirkungen des Strafprozessänderungsgesetzes vom 19. Dezember 196434
1. Einführung der Hinweis- und Belehrungspflicht34
2. Reaktionen in Rechtsprechung und Literatur36
a) Charakter als bloße Ordnungsvorschrift36
b) Die – belehrungsfreie – informatorische Befragung39
aa) Behandlung in Rechtsprechung und Literatur39
bb) Ursprung der Diskussion41
cc) Die informatorische Befragung als Gegenteil der Vernehmung?45
c) Das – informatorische – Vorgespräch47
d) Die verdächtige Auskunftsperson: Beschuldigter, Zeuge oder Verdächtiger mit eigenen Rechten?47
aa) Begründung der Beschuldigteneigenschaft47
bb) Der verdächtige Zeuge im Ermittlungsverfahren50
cc) Der Verdächtige als Auskunftsperson52
dd) Fazit55
e) Der Verdacht als Bezugsgröße56
aa) Tatbezogener und personenbezogener Anfangsverdacht56
bb) Folgen für die Bestimmung des „Verdächtigen“ und des „Beschuldigten“58
f) Die – belehrungsfreie – verdeckte Befragung59
aa) Zellengenossenentscheidung (1987) und Hörfallenbeschluss (1996)59
bb) Auswirkungen des Hörfallenbeschlusses: Prinzip statt Gesetz63
3. § 136a StPO als Zentralnorm der Vernehmung?66
a) Bedeutung für den Begriff der Vernehmung66
b) Hintergrund der Einführung des § 136a StPO68
c) Täuschung als verbotene Vernehmungsmethode71
III. Zusammenfassung und Fragen73
C. Historische Grundlegung: (Peinliche) Befragung, Verhör und Vernehmung als Formen der Befragung im Strafverfahren80
I. Untersuchungsgegenstand und Fragestellungen80
II. Befragung und „peinliche Frage“ in der Constitutio Criminalis Carolina von 153283
1. Carolina und Inquisitionsverfahren83
2. Beweisrecht der Carolina87
3. Die (peinliche) Befragung89
III. Das Verhör im Inquisitionsverfahren vor Abschaffung der Folter91
1. Zu Ursprung und Genese des weltlichen Inquisitionsverfahrens91
2. Das Inquisitionsverfahren in der Theorie: Carpzov, Brunnemann, Ludovici95
a) Carpzov: General- und Spezialinquisition sowie summarisches und artikuliertes Verhör96
aa) Verfahrensstruktur96
bb) Verhör des Inquisiten101
cc) Fazit: Beweiskraft der Befragung102
b) Der Verdächtige als Zeuge in der Generalinquisition103
3. Ein erstes Gesetz: Die Criminalordnung vor die Chur- und Neumark von 1717105
a) Aufbau und Verfahrensstruktur105
b) Verhör des Inquisiten107
IV. Das Verhör im Inquisitionsverfahren nach Abschaffung der Folter109
1. Rahmenbedingungen109
2. Zu den Gründen der Abschaffung der Folter113
a) Inner- und außerprozessuale These113
b) Die Frage der „Wahrheit“ im Strafverfahren115
3. Abschaffung der Folter: Folgen für die Verfahrensstruktur und die Stellung der verdächtigen Person117
a) Vorverlagerung des summarischen Verhörs des Inquisiten117
b) Untergang des artikulierten Verhörs: Auswirkung auf den Verfahrensschwerpunkt118
4. Inquisitionskunst und Jagdwissenschaft119
5. Heimlichkeit123
6. Ein letztes Gesetz: Das Verhör in der Criminalordnung für die preußischen Staaten von 1805125
a) Verfahrensstruktur127
b) Arten und Form des Verhörs128
aa) Verdächtiger, Beschuldigter, Angeschuldigter und Inquisit128
bb) Form und Beweiskraft131
7. Erstes Verhör und „Inquisitionskunst“: Gegensätze in Preußen und Bayern134
8. Form und Funktion der ersten Befragung der verdächtigen Person136
a) Zusammenfassung136
b) Kritik an der ersten Befragung der verdächtigen Person139
V. Vom inquisitorischen Verhör zur Vernehmung in der RStPO von 1877140
1. Rahmenbedingungen140
2. Reform und Reformdiskussion142
a) Die Theorie: Der „Prinzipienstreit“ und das Verhör (Zachariae versus Köstlin)142
b) Die Praxis: Anknüpfung an die Tradition – Entwürfe und Prozessordnungen149
aa) Preußen150
?) Revidierter Entwurf von 1841151
?) Das Gesetz vom 17. Juli 1846153
bb) Andere Partikulargesetzgebungen156
?) Bayern157
?) Baden158
?) Sachsen160
?) Zusammenfassung163
c) Fazit: Kontinuität und Wandel, Errungenschaften und Verluste164
3. Machtverhältnisse: Kriminalpolizei – Staatsanwaltschaft – (Untersuchungs-)Gericht167
4. Zeitgenössische Stimmen: Die Sammlungen der Prozessordnungen von Haeberlin (1852) und Sundelin (1861)172
5. Die Strafprozessordnung für das Deutsche Reich (RStPO von 1877)175
a) Allgemeines175
b) Verfahrensstruktur176
c) Verhör und Vernehmung: Abschaffung der Aussage- und Wahrheitspflicht des Beschuldigten177
aa) Die Vernehmung im Vorverfahren178
bb) § 136 RStPO von 1877 als Zentralnorm der Vernehmung des Beschuldigten: Ambivalenzen und Entwicklungen181
cc) Zweck der Vernehmung des Beschuldigten184
d) Wandlungen und Verschiebungen bis 1933/1945: Machtverhältnisse im Vorverfahren und ihre Auswirkung auf den Zweck der Vernehmung des Beschuldigten188
D. Der Rechtsbegriff der Vernehmung192
I. Historische Auslegung192
II. Wert und Notwendigkeit der förmlichen Vernehmung194
1. Schützende Form und Methode der Wahrheitsfindung194
2. Verfahrensgerechtigkeit und Strafzwecke199
a) Verfahrensgerechtigkeit199
b) Strafzwecke203
3. Notwendigkeit der förmlichen Vernehmung aus empirischer Sicht206
a) Wahrheit im Strafverfahren206
b) Vernehmung und Erinnerung210
aa) Wahrnehmung und Erinnerung210
bb) Gedächtnis, Erinnerung und Verfälschungsfaktoren211
cc) Konsequenzen für die Vernehmung215
III. Ergebnis217
E. Konsequenzen des Rechtsbegriffs der Vernehmung220
I. Verdeckte Befragung220
1. Beweiserhebungs- und Verwertungsverbot220
2. Disponibilität des Verwertungsverbotes224
3. Fortwirkung und Fernwirkung des Verwertungsverbotes224
II. Informatorische Befragung und informatorisches Vorgespräch225
III. Ausblick: Zulässigkeit der verdeckten Befragung de lege ferenda?227
Literaturverzeichnis230
Personenverzeichnis270
Sachverzeichnis272

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