Revolution: Vitamin D!
Die Sonne ist nicht verschwunden, weil die Blinden sie nicht sehen.
Birgitta von Schweden, Offenbarungen
Vorhang auf. Bühne frei.
Prolog
Nichts weniger als das Drama des Lebens selbst soll hier zur Aufführung kommen. Den Hintergrund gibt das gerade im schwarzlöchrigen kosmischen Teppich entstandene Sonnensystem in unserer heimischen Galaxis ab. Das ist vier Milliarden Jahre her. Und den Gesetzen der Schwerkraft folgend, befinden sich die Planetenkörper in immerwährender Rotation. Es werde Tag. Es werde Nacht.
Erster Akt
Nun steht zufälligerweise der Planet Erde im richtigen Abstand zu den heißen Sonnenwinden und Energiestrahlen der Sonne. Es gibt Wasser und eine Atmosphäre. Kleinstorganismen beginnen mit Hilfe der Photosynthese Tageslicht in Lebensenergie umzuwandeln. Lebensformen entwickeln sich in den Urozeanen vor einer Milliarde Jahren. Und 500 Millionen Jahre später ist es soweit: Auftritt Vitamin D – in Form eines Phytoplanktons, das sowohl durch Zucker Energie gewinnen als auch Vitamin D2 produzieren kann. Ein fettähnlicher Stoff verwandelt sich unter dem Einfluss ultravioletter Sonnenstrahlung in Vitamin D, das zur Nutzung von Calcium als Knochenbaustoff befähigt. Ende erster Akt.
Zweiter Akt
Dieser grundlegende lichtgesteuerte Mechanismus wird zum Erfolgsmodell für die Evolution komplexer Lebewesen. Nun entwickeln sich Tiere, die außerhalb des Wassers leben, da sich dank Vitamin D Skelette formen, die der Schwerkraft trotzen und frei beweglich machen. Als der Homo sapiens vor zwei Millionen Jahren die Weltbühne betritt, verfügt er bereits über ein komplexes Vitamin D-System, das durch Sonnenlicht zum wesentlichen Überlebensfaktor wird. Der moderne Mensch ist optimal auf die Nutzung des Tageslichts zum eigenen Vorteil angepasst. Vitamin D wird durch UV-B-Licht in der Haut produziert. Andere D-Quellen fallen nicht ins Gewicht. Das Vitamin D-Prinzip sichert nicht nur die Knochengesundheit, sondern durchdringt fast alle Zellen und Gewebe des menschlichen Körpers. So war es von Anfang an und so ist es noch heute. Ein revolutionäres Konzept, Licht in Leben zu verwandeln. Ende zweiter Akt.
Dritter Akt
Sonne ist Leben, heißt es. Die simple Weisheit entpuppt sich bei genauerer Betrachtung als hochkomplizierte Angelegenheit. Unsere prähistorischen und antiken Vorfahren wissen nichts von den raffinierten D-Mechanismen. Dennoch verhalten sie sich so, wie es von Natur aus vorgesehen ist: Sie bewegen sich unter freiem Himmel und das Sonnenlicht produziert in ihrer Haut lebenswichtiges Vitamin D. Fitness und Gesundheit von ganz oben, kostenlos. Hochkulturen vergöttern die Sonne als lebensspendnde Kraftquelle. Das änderte sich vor 2000 Jahren. Gott selbst wird zur Sonne, die Tag und Nacht scheint. Mehr und mehr bestimmen Glaubensdogmen und kulturelle Errungenschaften das Denken der Menschheit – zum Nachteil des gesunden Menschenverstandes und der Vernunft: Die Erde ist eine Scheibe und die Sonne ist ein Planet. Dagegen kann auch der rebellische Galilei im 17. Jahrhundert wenig ausrichten. Er hatte die Sonnenflecken entdeckt und sieht die Sonne dort, wo sie immer war und sein wird: im Zentrum des Sonnensystems. Eine simple Weisheit, die schnell in Vergessenheit gerät, wenn man nicht mehr den Blick nach oben richtet. Ende dritter Akt.
Vierter Akt
Schließlich betreten die Akteure der modernen Naturwissenschaft den Schauplatz, darunter einfache Ärzte und Nobelpreisträger. Sonne ist kein Thema im 19. Jahrhundert und Vitamin D noch unbekannt. Die Industrialisierung verfinstert den Himmel. Vernünftige Gelehrte behaupten, mehr Sonne wäre lebenswichtig und gut für die Gesundheit. Man glaubt ihnen nicht. Kinder und Erwachsene arbeiten Tag für Tag in dunklen Gemäuern am Fortschritt der industriellen Revolution. Erst als die Knochen der Kinder nicht mehr hart, sondern weich werden und sich verformen (Evolution rückwärts?), suchen Forscher nach einer Lösung. Ein Gesundheitsproblem, das in epidemischem Maßstab vorkommt und Rachitis heißt. Mehr Licht ist eine Antwort auf das Problem. Aber anstatt den Blick nach oben zu richten, wo das für den Menschen bestimmte Licht zuallererst herkommt, erfindet man die künstliche Sonne. Natursonne schätzen nur die vom Establishment belächelten Kulturrevolutionäre der Reformbewegung und Sonnenanbeter. Die zweite Antwort auf die Rachitis-Katastrophe ist ein Zufallsfund: Lebertran. Er ist in den 1920er-Jahren Ausgangspunkt für die Entdeckung von Vitamin D und für die Entschlüsselung des D-Prinzips. Es folgt eine pharmazeutische Vitamin D-Euphorie und auch die Sonne darf wieder auf die Haut scheinen. Bis in die 1970er-Jahre. Dann ist Schluss. Ende vierter Akt.
Finale
Das Schlusskapitel des Vitamin D-Dramas der letzten Jahrzehnte findet bei relativer Sonnenfinsternis statt. Fehlerhafte und falsch interpretierte Forschungsergebnisse führen dazu, dass Vitamin D3 als Mittel mit toxischen Eigenschaften wahrgenommen wird. Die Zufuhrempfehlungen für Erwachsene schrumpfen auf ein nutzloses Minimum. Nur die Rachitis-Prophylaxe für Kinder bleibt unangetastet. Auch die Sonne gerät nun in Verruf. Hautkrebs ist weltweit im Vormarsch. Und die Ursache dafür sieht man jeden Tag hoch am Himmel stehen: ja richtig, die Sonne! Das versteht jeder. Dass dieses Erklärungsmodell nicht stimmt, liegt auf der Hand. Der vom Sonnenlicht abhängige Prozess der Vitamin D-Produktion in der Haut ist biologisch eine Tatsache, die menschliches Leben seit Jahrmillionen ermöglicht. Aber irrationale Ängste sind oftmals stärker als die Vernunft – und eine gute Geschäftsgrundlage für Hersteller von Sonnenschutzmitteln. Als Folge davon ist eine weltweites Defizit-Problem bei Erwachsenen zu beobachten. Brauchen wir solche Dogmen, die biologische Tatsachen ignorieren?
Weitgehend unbemerkt von der breiten Öffentlichkeit hat sich seit 15 Jahren innerhalb der Wissenschaften eine Revolution vollzogen. Eine Revolution, die sich gegen die Dogmen der etablierten Medizin richtet. Die Vitamin D-Forschung hat in den letzten Jahren enorm zugenommen. Im Jahr 2000 zählte die Wissenschafts-Datenbank PubMed 1142 Zitate von Vitamin D, im Jahr 2012 3877. Die Suchbegriffe »Vitamin D 2014« ergeben allein bis August dieses Jahres 2812 Treffer. Es ist außergewöhnlich für die Medizin, dass eine Substanz, deren Erforschung in erster Linie nicht industriefinanziert wird, so viel Interesse hervorruft.
Das Interesse der Wissenschaft an Vitamin D hat seit dem Jahr 2000 enorm zugenommen. Die Zahl der Veröffentlichungen über Vitamin D steigt stetig an. Dieser Trend ist ungebrochen.
© Eberhard J. Wormer
Und die Ergebnisse sind spektakulär. Vitamin D ist demnach nicht nur für den Knochenstoffwechsel von Bedeutung, sondern für den gesamten Organismus. Man entdeckt Vitamin D-Rezeptoren auf fast allen Körperzellen. Gewebe und Organe können nach Bedarf aktives D-Hormon lokal herstellen und sind nicht auf das im Blut befindliche Hormon angewiesen. Vitamin D steuert Gene, die Schutzmechanismen aktivieren. Eine gute Vitamin D-Versorgung schützt vor vielen Krankheiten, inklusive Krebs. Man kennt das von Natur aus clevere Vitamin D-Prinzip heute besser denn je. Ein echter Fortschritt der modernen Medizin, von der die Menschheit profitieren sollte.
Epilog
Dies ist aber nicht der Fall. Die etablierte Medizin und die Gesundheitssysteme verteidigen ihre Dogmen »Sonne macht Hautkrebs« und »Vitamin D ist toxisch«. Dagegen wenden sich postmoderne Pioniere der Vitamin D-Forschung wie Cedric und Frank Garland, William B. Grant und Michael F. Holick in den USA, Jörg Spitz und Raimund von Helden in Deutschland. Sie propagieren mit Recht ein Umdenken angesichts der Fülle von Erkenntnissen über die Gesundheitswirkungen von Vitamin D. Dabei erlebten sie oft genug den sogenannten »Semmelweis-Reflex«: Innovationen in der Wissenschaft haben eher eine Bestrafung als eine entsprechende Honorierung zur Folge, weil restriktive Paradigmen und Verhaltensmuster regieren. Ignaz Philipp Semmelweis (1818–1858) hatte lediglich gefordert, dass sich Ärzte vor Untersuchungen von Patienten die Hände waschen sollten, um keine tödlichen Infektionen zu übertragen. Und er hatte den Erfolg seiner Hygienemaßnahme in einer Studie nachgewiesen.
Nicht auszudenken, wie die Medizin und die Gesundheitsindustrie reagieren, wenn das derzeitige Vitamin D-Defizit in Bevölkerungen verschwindet und ein flächendeckender optimaler D-Status erreicht wird. Die Menschen wären seltener krank, sie wären besser vor den häufigsten Zivilisationskrankheiten geschützt, sie würden länger leben und ihre Lebensqualität würde ansteigen. In jedem Fall müssten diverse Geschäftsmodelle mit hohen Einbußen rechnen: Ärzte und Kliniken hätten weniger zu tun, teure Operationen wären seltener nötig, die Pharmaindustrie würde weniger Medikamente, die Kosmetikbranche weniger Sonnenschutzmittel verkaufen und weniger Menschen müssten ihren Lebensabend in Heimen verbringen. Kein Wunder, dass Gesundheitssysteme dieses »Schreckensszenario« fürchten.
Die gegnerische Front wankt. Es mehren sich Stimmen auch aus den eigenen Reihen, die Fortschritte der Vitamin D-Forschung der Menschheit zugute kommen zu lassen. Die Vitamin D-Revolution ist in vollem Gange. Man möchte fast rufen: Gebt uns die Sonne zurück! Aber sie ist noch immer dort, wo sie hingehört, hoch oben am Himmel, Tag für Tag. Und sie macht noch immer das, was sie immer getan hat: Ihre ultravioletten Strahlen produzieren lebenswichtiges Vitamin D in der Haut des Menschen – nach wie vor kostenlos. Und wenn das nicht reicht, gibt es immer noch die Vitamin D-Supplementierung – nach wie vor sehr...