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Vom Leader zum 'laggard'. Die internationale Ozon- und Klimapolitik der USA

AutorDominik Butz
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2005
Seitenanzahl99 Seiten
ISBN9783638431248
FormatePUB/PDF
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis20,99 EUR
Magisterarbeit aus dem Jahr 2005 im Fachbereich Politik - Internationale Politik - Klima- und Umweltpolitik, Note: 1,0, Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg (Institut für Politische Wissenschaft), 86 Quellen im Literaturverzeichnis, Sprache: Deutsch, Abstract: Als der Weltöffentlichkeit am 16. September 1987 das Montreal-Protokoll über ozonzerstörende Substanzen präsentiert wurde, hatte die Staatengemeinschaft das wichtigste Kapitel einer bis dato noch nicht gesehenen Erfolgsgeschichte der internationalen Umweltpolitik geschrieben. Das Montreal-Protokoll und seine zahlreichen in den 90er Jahren vorgenommenen Regelungsverschärfungen undausweitungen werden in den nächsten Jahrzehnten zu einer nachhaltigen Abnahme der Konzentration ozonzerstörender Substanzen (OZS) in der Stratosphäre führen (siehe Anhang 6.1). Schätzungen haben ergeben, dass es ohne das internationale Ozonregime innerhalb dieses Jahrhunderts zu einer dreißigprozentigen Ausdünnung der Ozonschicht und als Folgewirkung zu einer Vervierfachung der Hautkrebsfälle bis zum Jahr 2100 gekommen wäre (Benedick1998a: 313).Bereits das ursprüngliche Montreal-Protokoll sah eine Verringerung der Produktion und des Verbrauchs der wichtigsten FCKW um 50% bis Ende der 90er Jahre vor; die erfolgten Abänderungen haben bis heute zu einem fast vollständigen Verbot der OZS in den Industriestaaten und zu einer substantiellen Reduktion in den Entwicklungsländern geführt. Die Beteiligung an dem ersten globalen Umweltregime der Geschichte ist bis heute auf mehr als 180 Staaten angewachsen. Das Kyoto-Protokoll - Kernstück des internationalen Klimaregimes - wird auf mittlere Sicht kein vergleichbares Effektivitätsniveau erreichen wie das Montreal-Protokoll. Zwar wurde der im Dezember 1997 unterzeichnete Vertrag, der für 39 Industriestaaten eine insgesamt fünfprozentige Reduktion der wichtigsten Treibhausgase (THG) ab dem Basisjahr 1990 bis zur Zielperiode 2008-2012 vorsieht, bisher von 1501Staaten ratifiziert und konnte am 16. Februar 2005, nachdem auch die russische Duma dem Vertragswerk zugestimmt hatte, in Kraft treten. Jedoch ist bereits heute schon absehbar, dass das Ziel der Klimarahmenkonvention (FCCC), 'eine Stabilisierung der Treibhausgaskonzentrationen in der Atmosphäre auf einem Niveau zu erreichen, auf dem eine gefährliche anthropogene Störung des Klimasystems verhindert wird' (FCCC, Artikel 2) auf mittlere Sicht nicht erreicht wird. Die THG-Emissionen der Entwicklungsländer, die keine Stabilisierungsverpflichtungen zu erfüllen haben, werden von 1990 bis 2010 voraussichtlich um 34% und die der USA und Australiens ebenfalls um etwa 34% angestiegen sein.

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Leseprobe

3.2.1 Sequenzielle Spiele in der Ozon- und Klimapolitik


Laut Breitmeier (1996: 151) herrschte in der internationalen Ozonpolitik bis 1986 eine „Rambo- durch die die Entstehung eines Regimes zunächst verhindert wurde. Diese Situationsstruktur, die auch als „suasion game“ bezeichnet wird (z.B. Hasenclever et al. 1997:51) ist dadurch charakterisiert, dass sich ein Akteur oder mehrere Akteure kooperativ verhalten, während andere als „Trittbrettfahrer“ auftreten, d.h. von den Reduktionsanstrengungen anderer Staaten (oder eines Staates) profitieren, ohne einen eigenen Beitrag zu leisten. Die Rolle der Trittbrettfahrer nahmen die EG-Staaten ein, während sich die USA, Kanada, Schweden und Norwegen (ohne dass dies eines Vertrages bedurft hätte) kooperativ verhielten, indem sie bereits Mitte bis Ende der 70er Jahre nationale Maß- nahmen zur Reduktion ihrer FCKW-Emissionen ergriffen. Da sie das Aerosolverbot ohne Berücksichtigung des Verhaltens der anderen Staaten durchsetzten, verfolgten die USA eindeutig eine dominant kooperative Strategie - ob dies für die beiden nordischen Staaten und Kanada ebenfalls gilt, ist nicht mit Gewissheit zu sagen. Es ist möglich, dass diese sich erst entschlossen, ein nationales Aerosol-Verbot durchzusetzen, nachdem der größte Verursacherstaat mit gutem Beispiel vorangegangen war. Eine dominierte Strategie ist die plausiblere Vermutung, da der Anteil der nordischen Staaten und Kanadas am weltweiten FCKW-Verbrauch in den 80er Jahren zu gering war, als dass eine unilaterale Emissionsbeschränkung einer der Staaten zu einer nennenswerten zukünftigen Schadenskostenersparnis geführt hätte (wie wir in 3.3.1 sehen werden, verhielt es sich im Falle der USA anders).

Laut Grundmann (1999: 301) herrschte die Rambo-Situation nur bis 1985. Er weist zudem darauf hin, dass es sich bei dieser Art von Rambo-Spiel nicht um eine Dilemma-Struktur handelte, da beide Akteure (entgegengesetzte) dominante Strategien verfolgten (vgl. auch Zürn 1992: 209ff). Im Jahre 1985 seien die USA keiner dominanten Strategie mehr gefolgt, allerdings sei das Verhalten der EG-Staaten von einer dominanten Strategie der Nicht-Kooperation geprägt gewesen. Beide Akteure hätten versucht, ihr jeweiliges Regulierungsmodell auf den anderen zu übertragen, was schließlich zu einem Gleichgewicht der Nicht-Kooperation geführt hätte. Bezüglich der EG verweist Grundmann (ebd.) auf den Vorschlag der Staatengemeinschaft, die Produktionskapazität einzufrieren (bzw. zu reduzieren). Der Ansicht, 1985 hätte ein Gleichgewicht der Nicht-Kooperation geherrscht, wird hier klar widersprochen. Die USA versuchten - siehe 2.1.1 und 2.1.2 - mit Unterstützung der Toronto-Gruppe nach wie vor, ein weltweites FCKW-Verbot für Aerosole durchzusetzen. Im Jahr der Wiener Konvention 1985 waren es auch die USA, die gegen den Willen der meisten EG-Staaten eine Resolution durchsetzten, welche das Mandat für die Aushandlung verbindlicher Reduktionsziele darstellte. Somit herrschte auch 1985 noch eine Rambo-Situation, zumal der EG-Vorschlag, die Produktionskapazitäten weltweit einzufrieren, nicht als kooperatives Verhalten betrachtet werden kann (siehe 2.1.1). Ab Februar 1987 wandelte sich die Situationsstruktur zu einem Koordinationsspiel mit Verteilungskonflikt (Breitmeier 1996: 151) - auch als „dilemma of common aversions and divergent interests“ (Stein 1983: 126) bezeichnet. Die EG verabschiedete zu jenem Zeitpunkt den Vorschlag, den FCKW-Verbrauch um 20% zu reduzieren. Dies leitete den eigentlichen Verhandlungsbeginn ein, da nun nicht mehr das „ob“ im Vordergrund stand, sondern das „wie viel“ und „wann“. Laut Zürn ist die „Wahrscheinlichkeit der Entstehung einer normativen Institution“ (Zürn 1992: 218) im Falle eines Koordinationsspiels mit Verteilungskonflikt als hoch einzustufen, dagegen unter den Bedingungen eines Rambo-Spiels als sehr gering.

Für die Zeit nach Abschluss der Verhandlungen in Montreal muss der Fokus der Analyse ausgeweitet werden. Das Protokoll trat im Januar 1989 in Kraft, nachdem es 30 Vertragsparteien - inklusive der EG-Staaten - ratifiziert hatten. Kann in diesem Zusammenhang von einem kooperativen Gleichgewicht gesprochen werden? Beschränkt man die Analyse auf die Industriestaaten, so ist die Frage zu bejahen. Anders verhält es sich, wenn man bedenkt, dass der Verhandlungsgegenstand der Ozonpolitik ein globales Common-Pool-Problem darstellt. Von den 30 Vertragsparteien bestand nur ein kleiner Anteil aus Entwicklungsländern. Insbesondere bei China und Indien - mit ihren riesigen Binnenmärkten - bestand die Gefahr, dass diese Länder ihre damals noch geringen Produktionskapazitäten ausweiteten und die Reduktionsanstrengungen der Industriestaaten mittelfristig zunichte machen würden (Benedick 1998a: 100). Global betrachtet handelte es sich selbst nach Inkrafttreten des Montreal-Protokolls um ein free-rider-Problem, dass strukturell allerdings dem Rambo-Spiel entspricht, da das Gleichgewicht aus Sicht der Industriestaaten ebenfalls bei „cooperate-defect“ (CD) lag. Der Unterschied mag qualitativer Natur sein, da die Industriestaaten unter den Bedingungen des Ozonregimes eine formelle Kooperation vereinbart hatten. Es musste den Industriestaaten also in der Folgezeit dar-

auf ankommen, das Problem des Trittbrettfahrens durch Nicht-Vertragsparteien zu lösen. Dies geschah in Form von side payments, die durch die Vertragsänderung von London 1990 formalisiert wurden. Diese „Seitenzahlungen“ bestanden im Wesentlichen aus den Unterstützungsleistungen der Industrieländer an die Entwicklungsländer im Rahmen des multilateralen Fonds (siehe 2.1.3 und Barrett 2003: 346ff). Die Verhandlungen um die Modalitäten (insbesondere hinsichtlich des finanziellen Beitrags der einzelnen Industriestaaten) kann wiederum als „Koordinationsspiel mit Verteilungskonflikt“ betrachtet werden. Der Verteilungskonflikt konnte gelöst werden, und in der Folgezeit kam es zu einem steilen Anstieg der Vertragsratifikationen (Barrett 2003: 347); China und Indien traten dem Protokoll schließlich 1991 bzw. 1992 bei.

Der nichtregulierte Konfliktaustrag der internationalen Klimapolitik lässt sich am besten als nichtkooperatives Gleichgewicht beschreiben. Nach der Klimakonferenz 1988 in Toronto verkündeten fast alle Industriestaaten nationale Reduktions- bzw. Stabilisierungsziele (ebd.: 368). Im Oktober 1990 etwa verkündete die Europäische Gemeinschaft, die gemeinschaftsweiten CO 2 -Emissionen sollten bis zum Jahr 2000 auf dem Niveau von 1990 stabilisiert werden, allerdings wurden keine verbindlichen Maß- nahmen festgelegt. Die Europäische Kommission schlug einen Maßnahmenkatalog vor, der u.a. eine gemeinschaftliche Energie- bzw. CO 2 -Steuer enthielt. Im Mai 1992, kurz vor Beginn der Abschlussrunde zur FCCC in Rio, verkündete die EG jedoch, die Umsetzung der Energiesteuer könne erst dann erfolgen, wenn andere OECD-Staaten ähnliche Maßnahmen durchzuführen bereit seien; dies galt insbesondere für die USA und Japan (Barrett 2003: 368). Die USA hatten jedoch kein nationales Begrenzungsziel gesetzt, u.a. mit der Begründung, das in Toronto vorgeschlagene Ziel (-20% CO 2 bis 2005) sei für die US-Wirtschaft zu kostspielig (ebd.). Entgegen Barretts Auffassung (ebd.) handelte es sich jedoch nicht um ein echtes PD (allerdings ist die Art des Nash-Gleichgewichts identisch, nämlich DD), da dieses dominante Strategien nicht-kooperativen Verhaltens voraussetzt; die EG war jedoch zur Kooperation bereit, vorausgesetzt, die USA hätten ebenso gehandelt. Da diese sich aber nichtkooperativ zeigten, war die Nicht-Kooperation auch für die EG die beste Strategie. Dass die EG-Staaten keine dominant nicht-kooperative verfolgten, wird auch in den Verhandlungen zur FCCC deutlich: die EG versuchte die Dilemma-Situation durch die Schaffung eines Klimaregimes zu überwinden, indem sie dafür warb, rechtsverbindliche Reduktionsziele in die FCCC aufzunehmen. Dass die USA ihre dominant nicht-kooperative Handlungsstrategie aufrechterhielten wird anhand zweier Beobachtungen deutlich: Erstens, dass Präsident Bush Senior ursprünglich gar nicht beabsichtigte, nach Rio zu reisen und zweitens, dass die USA sogar eine unverbindliche Absichtserklärung der Industriestaaten zur Stabilisierung der CO 2 -Emissionen verhinderten (siehe 2.2.2). Neben den USA verfolgten allerdings auch die anderen JUSSCANNZ-Staaten sowie die OPEC eine dominant nichtkooperative Strategie. Diese Situation dauerte als stabiles Gleichgewicht bis 1996 fort; auf der zweiten CoP 1995 in Berlin hatten die USA, die anderen JUSSCANNZ-Staaten und die OPEC ihre obstruktive Haltung nicht aufgegeben, während die EU, ebenso wie die AOSIS, auf verbindlichen Emissionsbegrenzungszielen bestand.

Im Frühjahr 1996 schließlich gaben die USA ihre Obstruktionshaltung auf und willigten ein, über „targets and timetables“ zu verhandeln (siehe 2.2.3). Diese Haltungsänderung markiert den Beginn des regulierten Konfliktaustrags in der Klimapolitik. Ab 1996 schwenkten die USA auf eine kooperative Strategie ein. Die bis zum Abschluss der Kyoto-Verhandlungen herrschende...

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