1.) … Ihnen Ihr Onlineportal wichtiger ist, als gute Kandidaten zu bekommen?
(Christian Pape, Vorstand bei PAPE)
_____________
Online-Bewerbungsportale – spätestens hier gehen Ihnen die Besten flöten. Denn einen digitalen Tabledance zu machen – wer tut sich das an, wenn er nicht muss?
Fragt man Unternehmen, so ist das Ergebnis klar: „Wir sind innovativ, wir sind klasse, wir setzen auf Online-Bewerbungen!“
Natürlich.
Strukturierte Prozesse, klare Kante, gute Handhabbarkeit, elektronisch wertvoll.
Fragt man aber die andere Seite, so sieht das Ergebnis ein wenig anders aus: Kandidaten sind eben nicht bereit, sich lange mit einer Onlinebewerbung aufzuhalten, empfinden diesen Prozess als störend, sperrig, zeitaufwendig und indiskret.
Auch der Trend „Mobile Recruiting“ ist nicht ganz so cool wie erhofft, denn die Mehrheit der Bewerber ist auch hier kritischer als die Trendschlaumeier und nicht so ultimativ begeistert, sich vorbehaltlos mobil zu bewerben.
Aber wenn schon online, dann bitte zügig. Langatmige Eingabeprozesse? Da geht das Stimmungsbarometer schnell in den Keller.
Denkt man ein wenig empathisch darüber nach, dann wird auch schnell klar: Jeder Mensch hasst unnötigen Aufwand und wird ihn nicht betreiben, wenn er nicht unbedingt muss. Die Physik nennt das Massenträgheit. Wir nennen es einfach: Keine Not. Keine Zeit. Kein Bock.
Der Firmenboss, kernig drauf, könnte nun kommentieren: „Pfff, wer sich die Zeit nicht nimmt für uns, der hat hier auch nichts zu suchen!“
Sehr gut. Nichts begriffen. Yesterday man.
Man sollte sich besser in dieser Richtung Gedanken machen: Wer bewirbt sich denn in solchen Portalen? Fängt man in solchen Portalen die großen Fische - oder landet nur der Beifang im Netz? Und die großen Fische schwimmen weiter, direkt ins Netz des Mitbewerbers.
So isses.
Viele Unternehmen haben inzwischen den Trend und den Wunsch nach mehr Arbeitgeberinformationen im Web durchaus positiv umgesetzt und auf ihren Webseiten einen „Job- & Karrierebereich” eingerichtet. Auf dem schreiben sie ihre Vakanzen aus und zeigen sich flashanimiert und fancy als attraktiver Arbeitgeber. Es wird geworben und gelogen und nicht gegeizt mit positiver Selbstdarstellung, auch wenn man leider oft nur Plattitüden verbreitet: Jeder ist der Beste, der Größte und der Attraktivste.
Das ist positiv zu vermerken: Das Bedürfnis nach Informationen über das Unternehmen als Arbeitgeber wird im Grundsatz inzwischen befriedigt – wenn auch meist noch rudimentär. Wir Deutschen sind nun einmal nicht die Weltmeister im Selbstvermarkten und kommen meist eher etwas spröde daher. Da sind Welten zwischen uns und den Kollegen jenseits des Teiches, die in Bezug auf „Selbstvermarktung“ natürlich Weltmeister sind.
Aber was dann kommt, wenn es darum geht, den Besucher der Karriereseite zu einer Bewerbung zu motivieren, ist alles andere als „benutzerfreundlich“, lässt jede Wertschätzung und jeden Dienstleistungsgedanken vermissen. Man könnte es überspitzt so formulieren:
„Sind Sie interessiert? Wie schön! Dann gehen Sie doch nun direkt auf unser Online-Bewerbungsportal, es dauert auch nur 30 Minuten, füllen Sie dort bitte alles komplett aus, laden Sie Ihre Dokumente hoch und beantworten Sie alle Fragen wahrheitsgemäß.
Sollte zwischenzeitlich Ihr Browser abstürzen, Windows einfrieren, die Festplatte sich neu formatieren oder Sie ein time-out wieder zur Eingangsseite führen, dann verlieren Sie in diesem Fall bitte nicht die Geduld und
FANGEN SIE EINFACH NOCH EINMAL VON VORNE AN.“
Danach kommt übrigens – so die gängige Erfahrung – automatisch und direkt – zack – zehn Sekunden später eine automatische Bestätigung und danach hört man dann – zack – zwei Monate nichts mehr.
Nach – zack – vier Monaten kommt dann die Absage mit einem Text, der die Anmutung einer Massenwurfsendung nicht verleugnen kann: dass man sich leider für einen anderen Kandidaten entschieden habe, der noch besser passe.
Schönen Dank. Servicewüste Deutschland!
Wie findet dieses Szenario wohl jemand, der einen festen Job hat, das Unternehmen aber für spannend hält? Genau. Gar nicht.
Er wird sich nicht auf Ihr Online-Game einlassen, das Sie ihm anbieten, und nicht die Gefahr eingehen wollen, sich als Suchender zu outen, weil er
- nicht unbedingt muss
und
- nicht weiß, wie diskret das Ganze abläuft und wer überhaupt alles seine Bewerbung sehen wird.
Schade, denn die Unzufriedenheit vieler Beschäftigter, die einen Job haben, ist erstaunlich groß. Umfragen sprechen davon, dass zwei Drittel aller Personen wechseln würden, wenn der Traumjob winkt. Aber sich von sich aus verändern, ohne die ganz große Not und Leidensdruck – das tut niemand, da muss es schon ganz dick kommen.
„Erfolgreich beschäftigt, aber latent unzufrieden“ kann man diese (sehr große) Zielgruppe titulieren: also gut im Job, aber frustriert und damit motivierbar für eine berufliche Veränderung. Aber nur mit viel Aufwand und Überzeugungskraft und da ist ein „Online-Bewerbungsportal“ die größte Schikane, die man erfinden konnte.
Um diesen Personenkreis muss man werben, wie es ein (guter) Headhunter tut und damit Ängste vor einer Veränderung nimmt.
Diese Portale aber als Instrument zu benutzen, um hervorragende Mitarbeiter zu bekommen, ist schlichtweg und komplett an der Zielgruppe vorbei. Denn einen Seelenstriptease erster Klasse zu vollführen – darauf wird sich dieser Personenkreis nicht einlassen. Zu viele Gefahren, zu viel Risiko, zu viel Aufwand.
„Online-Leaks lässt grüßen? Und nicht nur der amerikanische Geheimdienst liest nun alles mit, was ich meinem Mitbewerber schon immer über mich preisgeben wollte? Ach so? Dann kann ich meinen CV ja gleich in die Welt twittern. Das lasse ich mal schön bleiben, und ich werde mich hüten, meine persönlichen Unterlagen der hochgeschätzten Konkurrenz auf dem Online-Silbertablett zu präsentieren!“
Zu groß ist die Angst, sich als Jobseeker zu outen. Da sind wir Deutschen einfach nicht so flockig drauf wie die Kollegen im UK oder in den USA, die „haun ihn raus, den Lebenslauf“ und denken allenfalls darüber nach, was alles Positives dabei passieren kann.
Wir Deutschen hingegen fürchten, was alles Schlimmes passieren kann. Das ist der Unterschied.
„Push the button“ und die Bewerbung schießt ins Nirwana? Ist nicht bei uns.
„Wer sieht dann alles meine Bewerbung? Ist es ein Ex-Kollege, der sich dabei schattig lacht? Ist es ein Praktikant, dem Diskretion egal ist und der die Bewerbung an alle Fachabteilungen streut oder ins firmeninterne Intranet für alle sichtbar einstellt? Und da sitzen dann erst recht die Ex-Kollegen und klopfen sich auf die Schenkel. Als Krönung ruft dann noch jemand meinen Chef direkt an und fragt nach, warum ich überhaupt wechseln will und wie es denn so um mich steht?
Das lassen wir dann doch lieber alles schön bleiben!“
Natürlich ist es für das Unternehmen bequem, die Datenerfassung für die Bewerberauswahl weitestgehend zu automatisieren. So hat man alles in einheitlicher Form, normiert, platt, bereits digitalisiert in eine Datenbank geparst, fertig zum Weitertransport in die Fachabteilungen. Schön gedacht. Benutzerfreundlich. Aber leider nur für die Personalabteilung und nicht für den Kandidaten.
Keiner in den Personalabteilungen und Chefetagen denkt genauer nach, welche Zielgruppe man mit so einer Online-Prozedur NICHT erreicht. Man merkt ja auch nicht, wer sich NICHT bewirbt.
Da sind zum einen die älteren Arbeitnehmer, die man damit, wenn auch vielleicht ungewollt, diskriminiert und ausschließt, weil diese mit so einer Vorgehensweise nicht ausreichend vertraut sind.
Zum anderen erreicht man damit NICHT die „erfolgreich Beschäftigten“. Die sind nämlich nicht frustriert genug, um von sich aus so eine Datenbombe über sich zu zünden.
Wenn eine Firma wirklich die Besten haben will, dann muss sie sich auch um sie bemühen. Das geschieht nicht, indem man einen Link verschickt, der dann dem Empfänger eine Stunde Arbeit produziert. Die Zeit des Bewerber-Grillens ist vorbei, es gilt, sich aufzuhübschen als attraktiver Arbeitgeber und um die Besten zu buhlen.
Man muss zulassen und verstehen, dass ein Interessent sich nicht in ein vorgegebenes Raster zwängen lassen will. Man muss ihn wie einen Kunden behandeln, ihn wertschätzen, ihn hofieren und ihm auch Alternativen bei der Kontaktanbahnung aufzeigen. Wirklich hoch qualifizierte Arbeitnehmer haben die Wahl und gehen dorthin, wo man sich ernsthaft um sie kümmert und zeigt, dass man auch wirklich ein attraktiver Arbeitgeber ist.
Namhafte „Brands“ können es sich vielleicht (noch) leisten, auf diese Art ihren Bewerbungsprozess zu „optimieren“. Denn jeder will zu Apple, BMW,...