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E-Book

Warum Glück allein nicht glücklich macht

AutorVera Schrade
VerlagIrisiana
Erscheinungsjahr2014
Seitenanzahl176 Seiten
ISBN9783641125776
FormatePUB
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis11,99 EUR
Das Ende der Diktatur des Glücks
Eine Flut von Selbsthilfe-Ratgebern, Glücksbüchern und Motivationsseminaren versucht seit Jahren uns den einzig wahren Weg zu Glück, Liebe und Wunscherfüllung zu weisen. Doch macht sich mittlerweile ein gewisser Glücksüberdruss bemerkbar und die Schatten dieser Diktatur des Glücks werden sichtbar.

Emotionale Leere, Traurigkeit und Schuldgefühle sind nicht selten Ausdruck der Unterdrückung unserer echten Gefühle. In 'Warum Glück allein nicht glücklich macht' zeigt Vera Schrade, wie man den Weg zu einer Versöhnung mit sich selbst finden kann, die uns schrittweise zu mehr Lebendigkeit, wohltuender Zufriedenheit und einem in uns selbst verankerten, authentischen Glück führt. Sie berichtet von ehemaligen Klienten und davon, dass Unglück eine wichtige Voraussetzung für Glück ist und warum Perfektionismus der größte Glückskiller schlechthin ist. 'Inspirationen' veranschaulichen den Inhalt und helfen beim Bau des ganz persönlichen Glückstempels.



Nach ihrem Studium der Germanistik und Romanistik in Freiburg und einer Promotion in Sprachphilosophie unterrichtete Vera Schrade als Lektorin des DAAD deutsche Sprache und Philosophie an der Sorbonne und am Institut d`Etudes Politiques. Schon früh beschäftigte sich die Autorin mit den Rahmenbedingungen des menschlichen Glücks und der Frage, ob Glück lernbar ist. Sie entwickelte erste einfache 'Glücks-Konzepte' die sie in Paris als Dozentin erprobte und zurück in Deutschland zum sogenannten Glückscoaching® ausbauen konnte. Seit 2003 arbeitet Vera Schrade als Coach in der von ihr gegründeten Glückscoaching®-Praxis in München.

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Leseprobe

           VOM GLÜCK
DES UNGLÜCKS


Das Leben hat nicht nur positive Seiten. Auch Negatives gehört dazu und diese Polarität ist es, die echtes Glück erst möglich macht. Zunächst wollen wir uns damit beschäftigen, wie Glück aussehen kann und wie scheinbar perfektes Glück sich als das genaue Gegenteil herausstellt. Wie gefährlich eine regelrechte Diktatur des positiven Denkens sein kann und welche Denkfehler und Glückskiller uns konkret vom Glücklichsein abhalten, werden wir ebenfalls beleuchten, bevor wir uns mit einem neuen Glücksbegriff beschäftigen. Auch inwiefern unsere Persönlichkeit und unsere Gefühle unseren Weg zum Glück beeinflussen, werden wir betrachten. Abschließend zeige ich Ihnen, wie wichtig es ist, dass Glück authentisch ist.

Glück und die Polarität des Lebens


Warum echtes Glück ohne Unglück nicht gedeihen kann, werden Sie verstehen, wenn Sie mit mir einen genaueren Blick auf die unterschiedlichen Perspektiven und die Polarität des Lebens geworfen haben.

Was ist Glück?


Glück ist individuell. Es kann in den unterschiedlichsten Gewändern in Erscheinung treten und zeigt sich nicht immer so, wie wir es vermuten würden. Sie waren bestimmt schon in Situationen, die Sie zunächst als »Unglück« oder zumindest als unangenehm bewertet haben. Doch rückblickend eröffneten sich Ihnen gerade durch das vermeintliche Unglück neue Wege und Möglichkeiten, an die Sie vorher nicht gedacht hatten. Vielleicht ist es der Verlust des Jobs, der zwar zunächst mit Stress und Ängsten verbunden ist, aber durch Gespräche mit anderen Arbeitssuchenden zu neuen Freundschaften und Perspektiven führt. Der überraschend nötige Umzug anstelle des herbeigesehnten Urlaubs könnte dazu führen, eine Traumwohnung zu finden. Selbst das Erleben von Unglück ohne angenehmen Nebeneffekt hat seinen Sinn: Denn nur wer weiß, wie sich Unglück anfühlt, kann Glück wirklich genießen. Echtes Leben und Erleben ist immer nur möglich in der Polarität von Freude und Leid, Erholung und Anstrengung, Gesundheit und Krankheit, Erfolg und Misserfolg, zwischen Glück und Unglück. Dies illustriert auch die nachfolgende Geschichte.

 

Das Tal

Es war einmal ein Mann. Er lebte nicht schlecht, hatte alles, was er brauchte, doch so ganz zufrieden mit seinem Leben war er nicht. »Es könnte alles ein wenig besser sein«, dachte er. Die Wohnung größer, der Job besser bezahlt und seine Freunde interessanter. Sogar die Spaziergänge im nahe gelegenen Wald brachten ihm nicht mehr dieselbe Erholung wie früher. Er kannte jeden Baum, jeden Strauch – es war langweilig. Als er eines Tages wieder durch den Wald streifte, in Gedanken an sein nicht perfektes Leben versunken, fand er sich plötzlich an einer Stelle des Waldes wieder, die er nicht kannte. »Wie seltsam«, dachte er. Jetzt geh ich hier schon seit Jahren spazieren, aber diese Lichtung ist mir noch nie aufgefallen. Während er noch dastand und sich wunderte, hörte er ein Geräusch. Es raschelte im Unterholz und wie aus dem Nichts stand plötzlich ein großer, brauner Bär vor ihm. Das Tier war riesig. Der Mann war wie erstarrt. Ein Bär?! Hier? Das konnte doch gar nicht sein. In diesem Wald gab es keine Bären! Und doch setzte sich das Tier langsam in Bewegung. Seine dunklen Augen funkelten gefährlich und ein tiefes Knurren drang aus seiner Kehle. Der Mann zögerte keinen weiteren Augenblick. Er drehte sich um und rannte so schnell er konnte. Der Bär nahm die Verfolgung auf, laut brach er durch das Unterholz und mehr als einmal rettete nur ein umgestürzter Baum den Mann vor den mächtigen Pranken. Langsam schwanden die Kräfte des Mannes. Er wusste, das Raubtier würde ihn zerreißen, wenn er nicht bald ein Versteck fand. Mit letzter Kraft schleppte er sich zu einer Felswand, in der er einen schmalen Spalt ausmachen konnte. Die Öffnung war sehr eng, aber der Mann schaffte es gerade noch, sich hineinzuzwängen, bevor die scharfen Krallen des Bären ihn erwischten. Sein Herz schlug wie wild. Der Mann drückte sich enger an den kalten Stein und sah mit Entsetzen, wie der Bär versuchte, irgendwie an seine Beute zu gelangen. Er wich noch weiter in das Innere des Felsen zurück und spürte, wie der Felsspalt plötzlich wieder breiter wurde. Er drehte den Kopf und tatsächlich – es war ein Durchgang. Mühsam schob er sich durch die engen Felswände und nach wenigen Metern hatte er es geschafft. Die Felsen öffneten sich und er konnte den Durchgang verlassen. Vor ihm lag ein weites Tal mit Bächen und Hügeln wie aus einem Gemälde. Der Mann traute seinen Augen kaum. Das war nicht möglich, hier konnte gar kein Tal sein! Verwundert ging er weiter. Doch wie groß war erst sein Erstaunen, als er die Bewohner des Tales erblickte! Die Fische, die munter in dem kleinen Bächlein schwammen, sprangen heraus, wurden von unsichtbarer Hand gebraten und landeten köstlich duftend auf einem Teller, der am Ufer bereitstand. Enten, Gänse und anderes Geflügel kamen schnatternd herbei und verwandelten sich vor seinen Augen in die herrlichsten Gerichte. Der Bach, das erkannte der Mann erst jetzt, führte kein Wasser, sondern Wein, und als er kostete, war er sicher, noch nie etwas Besseres getrunken zu haben. Die Bäume trugen nicht nur die herrlichsten Früchte, sondern auch Kuchen und Süßigkeiten. »Sei gegrüßt, Fremder«, hörte er plötzlich eine Stimme hinter sich. Er drehte sich um und sah eine wunderschöne junge Frau vor sich stehen. Ihr langes Haar fiel ihr bis zum Bauchnabel und bis auf einen Kranz aus Blüten trug sie nichts.

Dem Mann stockte der Atem. Die Schöne lächelte ihn verführerisch an. »Willkommen in unserem Tal. Du darfst so lange hierbleiben, wie du möchtest.« Sie trat einen Schritt näher. »Alles, was du hier siehst, kannst du haben … wirklich alles«, sagte sie und strich sich das lange Haar zur Seite. Der Mann schluckte und nach kurzem Zögern folgte er der jungen Frau. Er konnte sein Glück nicht fassen.

Eine Zeit lang genoss der Mann das Leben in dem geheimnisvollen Tal. Er erfüllte sich jeden Wunsch, er aß, wonach ihm gerade der Sinn stand, trank aus jedem Bach und hatte die schönsten Frauen als Gespielinnen. Doch eines Tages, er beugte sich gerade über den Wein-Bach, um zu trinken, sah er sein Spiegelbild und erschrak. Was war nur aus ihm geworden? Er erkannte sich nicht wieder. Sein Körper war von dem vielen Essen aufgedunsen, seine viel zu enge Kleidung voller Flecken, und seine Augen hatten jeglichen Glanz verloren. Er richtete sich mühsam auf. »Was hast du denn?«, fragte eine seiner schönen Begleiterinnen. »Sieh mich doch an!«, keuchte der Mann. Die Schöne zuckte mit den Schultern: »Hier ist es egal, wie du aussiehst. Hauptsache, du bist glücklich.« Sie streckte die Hand nach ihm aus, doch er wich zurück. »Aber ich bin nicht glücklich!«, rief er. Und genau so war es auch. All die Annehmlichkeiten, all der Luxus, das Essen und die schönen Frauen – es machte ihn nicht glücklich. Obwohl er ohne jede Anstrengung all das hatte, wonach er sich insgeheim immer gesehnt hatte, war er so unglücklich wie noch nie zuvor in seinem Leben. Es fehlte ihm eine Aufgabe. Was nützte all der Genuss, den ihm das Tal zu bieten hatte, wenn er selbst nichts dafür tat? In seinem alten Leben, so unzulänglich es ihm auch erschienen war, hatte er doch selbst dafür gesorgt, dass es ihm gut ging. »Ich brauche eine Aufgabe«, sagte er zu seiner Gespielin. Sie schüttelte verwundert den Kopf. »Eine Aufgabe? Hier gibt es nichts zu tun. Hier kann man nur genießen.« Sie lächelte ihn an. Doch die Miene des Mannes blieb finster. Nichts zu tun. Das wollte und konnte er nicht ertragen. »Ich muss hier weg!«, rief er. »Niemand hindert dich daran«, sagte die Schöne gleichgültig und deutete auf die Felswand. Ohne ein weiteres Wort lief der Mann, so schnell es sein vom Überfluss träge gewordener Körper erlaubte, zu der Felsspalte. Er zögerte nicht und zwängte sich hinein. Wie durch ein Wunder gelang es ihm tatsächlich, sich durch die schmale Öffnung zu zwängen, es trennten ihn nur noch wenige Meter vom Ausgang. Schon konnte er die grünen Wipfel des Waldes erkennen. Doch plötzlich schob sich ein dunkler Schatten vor den Felsspalt. Das grimmige Auge des Bären verfolgte jede Bewegung des Mannes. Ihm stockte der Atem. Der Weg zurück in den Wald war versperrt, es blieb ihm nur der Weg zurück ins Tal. Der Mann seufzte und fasste einen Entschluss. Nie mehr würde er zurück in dieses verdammte Tal gehen, nie mehr. Und mit einem letzten Ruck zwängte er sich nach draußen, wo der Bär auf ihn wartete.

Doch anstatt sich sofort auf sein Opfer zu stürzen, sah ihn das Tier nur durchdringend an. Der Mann war verwirrt, hatte er doch fest damit gerechnet, dass ihn der Bär töten würde. Einen Moment lang starrten sich die beiden nur an, dann drehte sich der Bär um und verschwand in Richtung der Bäume. Der Mann schüttelte ungläubig den Kopf und sah sich um. Die Felswand mit dem Durchgang zu dem geheimnisvollen Tal war verschwunden und auch die Lichtung sah plötzlich wieder so aus, wie der Mann den Wald in Erinnerung gehabt hatte. Verwirrter als je zuvor ging er nach Hause. Als er dort ankam, bemerkte er, dass sich nichts verändert hatte. Alles war noch genau so, wie es war, als er zu seinem Spaziergang aufgebrochen war, kein Staubkorn zeugte davon, dass er eine lange Zeit fort gewesen war. Und als er an einem Spiegel vorbeikam, sah er, dass auch er sich nicht verändert hatte. Die Zeit in dem Tal war spurlos an ihm vorübergegangen. Der Mann konnte es kaum glauben: Er hatte sein altes Leben wieder! »Nein«, dachte er. Nicht sein altes Leben. Ein neues Leben! Ein Leben, das zwar...

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