Kapitel 1
Die Suche nach dem
Erfolgsgeheimnis
Die Strategieforschung beschäftigt sich seit Jahren mit der Suche nach dem Schlüssel zum nachhaltigen Erfolg. Die Forschungsstrategien und die Ergebnisse sind alles andere als eindeutig. Wir geben einen kurzen Einblick in die Erfolgsfaktorenforschung und unser Forschungsdesign. Es bestand aus fünf großen Phasen und umspannte mehrere Jahre an Analysen. Insgesamt nahmen mehr als 1.300 Führungskräfte aus Unternehmen in Europa und in den USA an unseren Untersuchungen teil.
Jack Welch, ehemaliger CEO von General Electric, prophezeite vor dem Hintergrund immer anspruchsvoller werdender Kunden vor einigen Jahren eine Entwicklung, die Unternehmen in nahezu allen Branchen kennenlernen mussten: „It’s going to be brutal. When I said a while back that the 1980s were going to be a white-knuckle decade and the 1990s would be even tougher, I may have understated how hard it’s going to get.“ Die Ergebnisse unserer langjährigen Forschungsarbeiten bestätigen die Aussagen von Jack Welch. Kunden wollen die höchste Qualität zu den niedrigsten Preisen. Gleichzeitig leiden viele Branchen unter Überkapazitäten. Der Wettbewerbsdruck aus Niedriglohnländern steigt. Die zunehmende Markttransparenz macht Kunden zu gut informierten, gnadenlosen Einkäufern, und es wird schwieriger, sich von Konkurrenzangeboten zu differenzieren. Die Folgen sind erbitterte Preis- und Qualitätswettkämpfe. Nur durch kontinuierliche Innovation und Verbesserung der Angebote oder durch eindeutige Preisvorteile können Wettbewerbspositionen längerfristig gehalten werden. Die Praxis zeigt, dass es trotz teilweise signifikanter Qualitätssteigerungen den wenigsten Unternehmen gelingt, ihre Position am Markt zu halten oder gar höhere Preise durchzusetzen.
Unsere Analysen von mehr als 1.300 Unternehmen über einen Zeitraum von mehreren Jahren bestätigen, dass sich viele Unternehmen in einer schwierigen Situation, in einer Klemme zwischen Qualität und Preis, befinden. Der Markt fordert eine kontinuierliche Steigerung der Qualität bei gleichzeitig steigendem Preisdruck. Etwa ein Drittel der Unternehmen in unserer ersten Studie war gezwungen, die Qualität ihrer Produkte und Leistungen zu verbessern, ohne dabei die Preise erhöhen zu können. Knapp ein Drittel musste sogar bei verbesserter Qualität Preisreduktionen in Kauf nehmen.
Zudem deutet vieles darauf hin, dass der Großteil der Unternehmen seine Kostensenkungspotenziale an den heutigen Standorten weitestgehend ausgeschöpft hat. In vielen Unternehmen geht man davon aus, dass die Prozesse nur noch marginal optimiert werden können. Führungskräfte suchen den Ausweg in teilweise radikalen Outsourcingmaßnahmen, indem sie zunehmend in Billiglohnländer ausweichen.
In diesem Kontext ist es auffällig, dass es trotz der schwierigen Bedingungen immer wieder Unternehmen gibt, denen es nachhaltig gelingt, erfolgreich zu sein.
Vor diesem Hintergrund haben wir es uns zum Ziel gesetzt, den Ursachen von nachhaltig wirkenden Wettbewerbsvorteilen auf den Grund zu gehen. Das heißt, wir versuchen Antworten darauf zu finden, warum es Unternehmen gibt, die ihrer Konkurrenz ständig voraus sind, und welche Elemente in einem Unternehmen aufgrund ihrer Zusammenhänge wie gemanagt werden müssen, damit sich nachhaltiger Erfolg einstellen kann.
Das ist natürlich ein sehr anspruchsvolles Ziel, zumal Erfolg und Misserfolg von sehr vielen Faktoren abhängen. In der Management-Wissenschaft versucht man seit den 1980er-Jahren sich diesem anspruchsvollen Ziel zu nähern.
Die beiden McKinsey-Berater Peters und Waterman1 lösten mit ihrem Buch „In Search of Excellence“ im Jahre 1982 eine ganze Flut von Forschungsarbeiten aus. Die unzähligen Untersuchungen, die seither erschienen sind, brachten höchst unterschiedliche Ergebnisse, je nach verwendeter Methode, je nach Stichprobe oder je nach Untersuchungszeitraum (siehe Tabelle 1.1). Manche dieser Arbeiten untersuchten nur eine kleine Anzahl großer, erfolgreicher Unternehmen2 , andere konzentrierten sich auf kleine Unternehmen mit Weltmarktführerschaft3 . Einige dieser Arbeiten hatten große Stichproben von Unternehmen als Datenbasis,4 andere beschränkten sich auf Interviews mit den CEOs von visionären, nachweisbar langfristig erfolgreichen Unternehmen und verglichen sie mit einer Kontrollgruppe von weniger erfolgreichen,5 und wieder andere untersuchten eine kleine Fallzahl von über lange Jahre außerordentlich erfolgreichen Unternehmen.6
Zweifellos haben die meisten dieser Arbeiten dazu beigetragen, besser zu verstehen, warum bestimmte Unternehmen erfolgreicher sind als andere. Sie haben unseren Blick auf zentrale Faktoren wie Vision und Leadership, Kernkompetenzen, Marktorientierung, Unternehmenskultur und Marktanteile gelenkt, um nur einige zu nennen.
Autoren/Buchtitel | Methode | Ergebnisse |
Peters und Waterman: In Search of Excellence, New York, 1982 | Analyse von 43 erfolgreichen Unternehmen | Acht Erfolgsdimensionen: - aktives Agieren,
- Kundennähe,
- unternehmerischer Freiraum,
- Produktivität durch die Mitarbeiter
- sichtbar gelebtes Wertesystem,
- Fokussierung auf das Kerngeschäft,
- flexible und überschaubare Aufbauorganisation,
- Freiheit und Kontrolle in der Führung
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Buzzel und Gale: The PIMS Principles, New York 1987 | Auswertung einer Datenbank mit Kennzahlen von über 3.000 Unternehmenseinheiten | Strategische Hauptfaktoren: - Marktanteil
- Produktivität
- Investment-Intensität
- relativer Kundennutzen
- Innovationsrate
- Wachstumsrate des Markts
- vertikale Integration
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Simon: Die heimlichen Gewinner, Frankfurt 1996 und 2007 | Analyse von über 500 „unbekannten“ Weltmarktführern | Mehrere gemeinsame Merkmale der unbekannten Weltmarktführer: - sie beanspruchen die „psychologische“ Marktführung (Marktführerschaft ist mehr als Marktanteile),
- sie schaffen Marktnischen und entwickeln einzigartige Produkte,
- die enge Spezialisierung wird mit globaler Vermarktung kombiniert,
- Kundennähe ist der Dreh- und Angel-punkt,
- Innovation ist Fundament der Marktführerschaft,
- sie operieren in Märkten mit intensivem Wettbewerb und Wettbewerbsvorteil ist Differenzierung statt Kosten,
- leistungsorientierte und teamorientierte Unternehmenskultur,
- starke und dynamische Führungs-kräfte
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Collins und Porras: Build to Last, London 1998 | Analyse von 20 Unternehmen mit „Kultstatus“, visionär und langfristig erfolgreich | Drei strategische Gestaltungsprinzipien: - Nicht das Erbringen einer Leistung, sondern das Schaffen eines stabilen Systems zur Leistungserstellung steht im Vordergrund (nicht die Produkt-, sondern die Unternehmensidee zählt).
- Im Mittelpunkt stehen die Dualität des „und“ und nicht die „Entweder-oder-Annahmen“ (z. B. hohe Qualität und niedrige Kosten).
- Organisationen brauchen einen Kernbestand von Werten.
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Collins: Der Weg zu den Besten, München 2003 | Analyse von elf Unternehmen, die über 15 Jahre hindurch überdurchschnittlich erfolgreich waren | Sieben Prinzipien: - Führungskräfte fokussieren sich auf das Unternehmen, nicht auf sich selbst.
- „Erst wer ... dann was“: die richtigen Leute finden, bevor die Strategie bestimmt wird
- sich bei Entscheidungen den Fakten stellen
- Kernkompetenzen
- Kultur der Disziplin
- Technologie als Beschleunigungsfaktor
- das Momentum nutzen
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Nohria, Joyce und Roberson: What really works, New York 2003 | Analyse von 60 Unternehmen aus 40 Branchen | Die 4+2-Formel: - Unternehmen mit hohen Ausprägungen in den vier primären...
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