In diesem Kapitel erhalten Sie Informationen zu Symptomen und Verlauf der Erkrankung sowie zur Entstehung der Symptome. Außerdem werden Erkrankungen benannt, die mit ähnlichen Symptomen einhergehen, aber nicht mit der Parkinson-Krankheit verwechselt werden sollten.
Das idiopathische (ohne erkennbare Ursache) Parkinson-Syndrom (IPS; primäres Parkinson-Syndrom) – im Folgenden kurz als „Parkinson(-Krankheit)“ bezeichnet – ist eine der häufigsten fortschreitenden Erkrankungen des Nervensystems in Europa. Meist tritt sie im Alter zwischen 55 und 65 Jahren auf. Das sichtbarste Merkmal der Erkrankung ist eine zunehmende Einschränkung der Mobilität. Daneben kommt es zu weiteren Symptomen.
Ausschlaggebend für die Diagnose ist das Vorliegen einer „Bewegungsverlangsamung bzw. -armut“ (Brady-, Hypo- oder Akinese) und zumindest eines der anderen Leitsymptome (Kardinalsymptome):
■ Zittern (Tremor),
■ erhöhte Muskelspannung (Rigor/Rigidität) und/oder
■ Haltungsinstabilität (posturale Instabilität, d. h. Gleichgewichtsprobleme).
Die Akinese (Bewegungsarmut) spricht gut auf die Dopaminersatztherapie mit L-DOPA-Präparaten (Dopaminvorläufersubstanzen) und/oder Dopaminagonisten (Dopaminersatzstoffe) an. Dies hilft bei der Abgrenzung der Parkinson-Krankheit von anderen Erkrankungen, die allerdings weit seltener sind als das IPS:
■ Erbliche (hereditäre) Parkinson-Syndrome sind sehr selten und werden ähnlich behandelt wie das IPS. Bisher kennt man ungefähr zehn Arten mit jeweils etwas anderen Symptomen.
■ Sekundäre/Symptomatische Parkinson-Syndrome: Hier entstehen die Symptome durch bekannte äußere Einflüsse, z. B. durch Hirndurchblutungsprobleme, Stoffwechselstörungen oder als Nebenwirkung von Medikamenten. Diese Erkrankungen lassen sich nicht so gut medikamentös behandeln.
■ Atypische Parkinson-Syndrome: Unter diesem Begriff werden mehrere Krankheitsbilder zusammengefasst, die medikamentös bisher ebenfalls weniger gut behandelbar sind als das idiopathische oder primäre Parkinson-Syndrom und häufig deutlich schneller verlaufen:
– Multisystematrophie (MSA). Diese Krankheit betrifft etwa 10 % aller Menschen mit parkinsonähnlicher Symptomatik.
– Progressive Supranukleäre Blickparese (PSP) bei etwa 4 %. Diese Erkrankung wird auch als Steele-Richardson-Olszewski-Syndrom (SROS) bezeichnet.
– Kortikobasale Degeneration (CBD) bei etwa 1-2 %.
– Lewy-Body-Demenz (LBD oder DLB) bei etwa 1-2 %.
In diesem Ratgeber stellen wir Symptome und Therapiemöglichkeiten des idiopathischen Parkinson-Syndroms dar, da dieses bei Weitem am häufigsten auftritt. Fragen zu den anderen eben genannten Erkrankungen besprechen Sie bitte mit Ihrem Neurologen und Ihren Therapeuten.
Im Folgenden erfahren Sie zunächst mehr über die Leitsymptome und anschließend über weitere mögliche Symptome, die bei der Parkinson-Krankheit auftreten können, aber nicht auftreten müssen.
Sensomotorische Symptome
■ Leitsymptom „Bewegungsarmut/-verlangsamung bzw. Akinese“
Damit Parkinson diagnostiziert werden kann, muss eine Bewegungsarmut bzw. -verlangsamung (Akinese, Brady- bzw. Hypokinese) vorliegen.
In diesem Buch wird „Akinese“ als Überbegriff für alle drei Arten der Bewegungsarmut bzw. -verlangsamung verwendet (s. Kasten „Begriffsklärung“, S. 11).
Beispiele und Fachausdrücke für häufige Auswirkungen der Akinese
– Mikrografie bedeutet, dass die Handschrift kleiner wird als früher (vgl. Abb. 17, S. 64). Das kommt sehr häufig vor.
– Festination bezeichnet ein kleinschrittiges und „trippelndes“ Gangbild: Man macht kürzere Schritte, die Füße heben kaum vom Boden ab (Vorsicht: Stolpergefahr!), die Ferse setzt nicht mehr so gut auf und die Schritte erfolgen oft sehr schnell hintereinander („Trippeln“).
– Freezing tritt oft erst später im Krankheitsverlauf auf. Es bedeutet so viel wie „Einfrieren“: Man kann zum Beispiel plötzlich nicht mehr weitergehen.
– Hypomimie: Die Gesichtsmuskulatur kann die vielfältigen Bewegungen nicht mehr automatisch umsetzen. Deshalb können andere den Gefühlsausdruck oft weniger gut deuten als vor der Erkrankung. Sie halten jemanden vielleicht für traurig oder unbeteiligt, weil sie im Gesicht weniger Gefühle sehen können. Da die Mimik normalerweise automatisch kontrolliert wird – niemand konzentriert sich ständig darauf, welchen Gesichtsausdruck er gerade hat –, bemerken die Betroffenen selbst zunächst oft gar nicht, dass sie weniger Gefühle zeigen als früher. Das kann gerade zu Beginn der Erkrankung zu Missverständnissen führen.
„Kinein“ heißt im Griechischen so viel wie „sich bewegen können“.
■ „A“ bedeutet „nicht“: Eine Akinese ist demzufolge die Unfähigkeit, sich zu bewegen bzw. Bewegungen gleich beim ersten Anlauf zu beginnen oder rechtzeitig zu stoppen.
■ „Hypo“ meint „unter/darunter“: Hypokinese heißt, dass Bewegungen in ihrem Ausmaß vermindert sind: Man greift zu kurz, wenn man etwas von einem Regal holen möchte, oder man hat Schwierigkeiten bei Arbeiten „über Kopf“ (z. B. Gardinen abnehmen, Wäsche aufhängen).
■ „Brady“ bedeutet „langsam“: Bradykinese meint also, dass Bewegungen langsamer sind als gewohnt. Beispiel: Es ist schwierig, eine Gabel schnell genug zu bewegen, um ein Rührei schaumig zu schlagen.
■ Leitsymptom „Erhöhte Muskelspannung/Rigor/Rigidität“
Dieses Problem haben die meisten, aber nicht alle Menschen mit Parkinson. Subjektiv bemerkt man die erhöhte Muskelspannung dadurch, dass man sich steif fühlt, nicht mehr so gut „locker lassen“ kann.
■ Leitsymptom „Zittern/Tremor“
Sofern bei Parkinson ein Tremor auftritt, geschieht das meist an den Armen und/ oder Händen. Seltener können auch Kopf, Kiefer, Zunge oder Beine/Füße betroffen sein. Man unterscheidet drei Arten des Tremors:
– Ruhetremor. Zittert man, wenn man seinen Arm ruhig liegen oder neben dem Körper hängen hat, spricht man von einem Ruhetremor. Der Ruhetremor lässt nach, wenn man den betroffenen Körperteil bewegt. Er wird oft stärker, wenn man sich auf etwas konzentriert, z. B. beim Rechnen.
– Haltetremor. Ein Haltetremor liegt vor, wenn man beispielsweise beim Halten von Gegenständen zittert oder wenn man zu zittern beginnt, sobald man beim Bezahlen die Hand aufhält, um Wechselgeld in Empfang zu nehmen.
– Aktionstremor. Der Aktionstremor erscheint immer dann, wenn man gerade etwas tut, also zum Beispiel schreibt oder sein Wechselgeld ins Portemonnaie steckt.
Viele Menschen mit IPS haben nur einen Ruhetremor; andere zittern auch, wenn sie etwas halten oder sich bewegen.
Oft schwankt die Ausprägung des Tremors im Tagesverlauf: Vielleicht bemerkt man ihn kaum, wenn man morgens gut ausgeruht ist. Bei Müdigkeit oder Anspannung – auch, wenn man aufgeregt ist – wird er häufig stärker.
■ Leitsymptom „Haltungsinstabilität/posturale Instabilität“
Gleichgewichtsprobleme werden oft erst Jahre nach der Diagnose des IPS relevant. Früher oder später aber betreffen sie jeden Erkrankten. Ursachen können das verspätete Auslösen von Gleichgewichtsreaktionen infolge der Akinese sein, eine sinkende „Flexibilität“ der Muskulatur oder auch eine Verringerung der Kraft von Muskeln, die für den Erhalt des Gleichgewichts notwendig sind. Die wichtigste Auswirkung der posturalen Instabilität ist eine erhöhte Sturzgefahr (s. S. 70f).
Andere mögliche sensomotorische Auswirkungen
Regelmäßig kommt es im Krankheitsverlauf zu einer zunehmend gebeugten Körperhaltung (Details und seltene Fehlhaltungen von Kopf und Oberkörper s. S. 60f) und zur Verkürzung von Muskeln, Bändern und Sehnen. Schwieriger werden vor allem Bewegungen in die „Streckung“: beispielsweise sich aufrecht hinzusetzen oder mit den Armen nach oben zu greifen. Auch eine reduzierte Muskelkraft und Schmerzen können auftreten. Sehr selten werden Kribbeln oder Taubheitsgefühl sowie Beeinträchtigungen beim Spüren beobachtet. Im Krankheitsverlauf verändern sich meist...