Vorwort
Böse, wenn nicht wütend waren wir, als wir vor Jahren merkten, wie man uns Frauen mit der Hormontherapie (HT) regelrecht verschaukelte. Zunächst noch dachte Sabine, sie hätte sich schlicht verhört, als die Ergebnisse der US-amerikanischen Woman’s Health Initiative (WHI) 2003 publik wurden und sich herausstellte: Die Risiken und Nebenwirkungen der HT sind größer als ihr Nutzen. Doch als sich die große Empörung allmählich legte und in der Medizinerschaft einem Weiter-so-Pragmatismus und einer rechthaberischen Borniertheit wich, überlegten wir, was wir gemeinsam, die Soziologin und die Frauenärztin, dagegen tun könnten. Unsere Antwort: Ein Buch schreiben!
Und zwar ein Buch, das aufklärt, das mit allen Vorurteilen und Irrtümern aufräumt, last but not least: das ganz praktische Hilfestellung und Rat gibt.
Dieses Buch hat uns neben der Arbeit und dem familiären Alltag mitunter alles abverlangt, aber letztlich unser Denken unglaublich angeregt und befördert. Bei unseren Recherchen stießen wir auf den eigentlichen Skandal: nämlich auf das massive Bestreben, weibliche biologische Prozesse zu pathologisieren und zu medikalisieren. Das ist eine Tatsache, die zwar schon seit Längerem zu beobachten ist, aber von den meisten Frauen – auch von uns! – nicht in diesem bedenklichen Ausmaß erkannt wurde.
Natürlich trug dazu bei, dass auch wir auf der Suche nach dem besten Weg durch die Wechseljahre waren und diese Suche in der Zeit der großen Hormoneuphorie, die noch bis ins Jahr 2003 hineinreichte, stattfand. Tausende Frauen schlugen und schlagen sich immer noch mit der Frage herum, ob sie die hoch gepriesenen Hormone nehmen oder auf sie verzichten sollen, ob sie eher gefährlich oder hilfreich seien.
Wir wollen mit unserem Buch die Frauen in dieser Phase nicht allein lassen, ihnen Möglichkeiten aufzeigen und Informationen geben, um ihnen die Entscheidungsfindung zu erleichtern.
Wir selbst hatten schlichtweg Glück: Unsere klimakterischen Beschwerden hielten sich in erträglichen Grenzen. Aber wie hätten wir entschieden, falls unsere Arbeit und die Familie unter unseren hormonellen Wallungen ernsthaft gelitten hätten? Die Forschungsergebnisse der letzten Jahre haben uns, abgesehen von einer intuitiven Skepsis gegenüber der Hormontherapie, rechtzeitig die Augen geöffnet.
Ursula fällt zudem auf, dass Frauen zunehmend alternative Behandlungsmethoden wünschen und darum sie als homöopathisch arbeitende Frauenärztin aufsuchen, die Hormone nicht als erstbestes Mittel empfiehlt, sondern andere Wege aufzeigt, mit den typischen Wechseljahresbeschwerden umzugehen. Und das erfolgreich seit über zwanzig Jahren. So ist sie sehr froh, dass sie ihren Patientinnen schon immer alternative Therapien angeboten hat – obwohl es nicht immer leicht war, gegen den (Hormon-)Strom anzuschwimmen.
Leider machen wir Frauen es jedoch unseren Ärzten oft allzu einfach: Wir sind schlecht informiert über unser Klimakterium, unseren Körper und unsere Biologie, ebenso über alternative, sanfte Heilmethoden und präventive Gesundheitsmaßnahmen. Dabei hadern viele Frauen nicht nur mit ihren Wechseljahren, sondern auch mit der gängigen Hormonvergabe: Ursula hat in ihrer naturheilkundlichen und homöopathischen Praxis viele Patientinnen, die Hormone nehmen, ohne zu wissen warum, und diese absetzen möchten – wovon ihnen meist abgeraten wird. Am meisten ärgert Ursula die sich als falsch erwiesene Drohung mancher Kollegen, frau würde ohne Hormone leichter Osteoporose oder andere Krankheiten bekommen.
So beschlossen wir, aufmüpfig zu werden und uns kritisch mit dem Thema auseinanderzusetzen. Wissen ist schließlich Macht! Letztlich Macht über sich selbst und den eigenen Körper.
Hierzu wollen wir beitragen, mit Informationen, Anregungen, Tipps und Erfahrungsberichten. Wir möchten Solidarität unter den Frauen fördern und sie ermutigen, sich in ihrem Körper stärker zuhause zu fühlen, ihre klimakterischen Beschwerden nicht als üble Laune der Natur und als körperliches Ärgernis zu bewerten, sondern als Indikator für das körperliche und seelische Befinden anzunehmen und sich mit ihnen auseinanderzusetzen. Vielfach begreifen sie ihre positive Funktion erst im Rückblick als Wegbereiter für längst überfällige Weichenstellungen, für klärende Aussprachen und nötige Veränderungen hin zu mehr Lebenszufriedenheit, -wohlbefinden und -weisheit.
Es gibt eine Vielzahl diffuser weiblicher Ängste, so vor dem Älterwerden, vor Krankheiten, vor einem Attraktivitätsverlust, vor Leistungseinbußen, vor Konkurrenz etc., die, wen wundert’s, oft mit tatsächlichen massiven Belastungen, Stressfaktoren und Konflikten verbunden sind – sei es in der Partnerschaft, mit den Kindern oder den bereits hilfsbedürftig werdenden Eltern, mit dem Chef, den Kollegen usw.
Viele Frauen kommen aber überhaupt nicht auf die Idee, ihre klimakterischen Beschwerden in Beziehung zu ihrem Leben mit all diesen Ängsten und Belastungen zu setzen. Der ganz normale Wahnsinn ihres Alltags ist für sie Routine, den sie mit Elan, Power, stoischem Durchhaltewillen und anerzogener Selbstlosigkeit zu meistern versuchen. Wehe aber, wenn der eigene Körper in der sensiblen Zeit der hormonellen Umstellung auf solche Herausforderungen mit Störungen reagiert. Dann gerät das bis dahin fragile Gleichgewicht, scheinbar aus heiterem Himmel, in heftige Turbulenzen. Irritiert und ängstlich neigen Frauen in solchen Situationen dazu, fast jede medizinische Hilfe anzunehmen, nur um schnellstmöglich wieder zur alten Form aufzulaufen.
Ist es nicht auch einfacher, den Heilsversprechen der (Hormon-)Medikamente zu glauben, als sich mit unangenehmen oder schmerzlichen Problemen auseinanderzusetzen? Nur wenige Frauen begreifen ihre Wechseljahresbeschwerden als Signale bzw. Botschaften ihres Körpers. Die meisten empfinden sie als lästige und unangenehme »Störenfriede«, die sie hinterrücks überfallen und aus vorgeblich reibungslosen Tagesabläufen werfen. Da ist der Griff in die Hormonschublade naheliegend.
Wenn es einer Frau zwischen Vierzig und Sechzig gesundheitlich nicht gut geht, werden ihr schnell die Schuldigen genannt: die Hormone, »die im Keller sind« oder »schwanken«. Schon seit Jahrzehnten erklären uns die Gynäkologen, dass der Rückgang der weiblichen Geschlechtshormone (speziell der Östrogene) im Klimakterium und in der Menopause Frauen in einen defizitären hormonellen und damit gesundheitsschädigenden Mangelzustand versetze, der die Ursache für alle möglichen klimakterischen Beschwerden, Altersleiden und -krankheiten sei. Da sind die meisten Ärzte überhaupt nicht zimperlich: Von A wie Alzheimer bis Z wie Zellulitis wird alles (schulmedizinisch) auf den Rückgang der weiblichen Östrogene zurückgeführt.
Frauen in und nach dem Klimakterium werden zu defizitären Wesen erklärt, das heißt zu Menschen, denen etwas »fehlt«. Sie werden »krank gemacht«, pathologisiert, um sie mit Medikamenten versorgen zu können – ein hoch lukratives Geschäft für Medizin und Pharmaindustrie.
Nur bei der Frage, warum manche Frauen überhaupt keine oder nur geringe Probleme in den Wechseljahren haben und in einigen Kulturkreisen dieses Phänomen sogar gänzlich unbekannt ist, geraten sie in Erklärungsnot. Aber nur kurz. Denn mit erstaunlicher Beharrlichkeit starren sie weiterhin nur auf die Hormone und blenden zum Beispiel aus, dass die meisten Wechseljahresbeschwerden mit Störungen und Ungleichgewichten im sozialen Umfeld der betroffenen Frauen zu tun haben. Und dass diese noch durch gesellschaftliche Rahmenbedingungen verstärkt werden, wie durch einen haltlosen »Jugendwahn«, düstere und trostlose Szenarien über das Älterwerden oder einfach durch fehlende Anerkennung. Frauen, die die Vierzig überschreiten, kennen somit oftmals nur noch Angst: Angst vor dem Älterwerden, vor einem körperlichen oder geistigen Abbau, vor Verlusten oder vor einem sozialen Abstieg.
Es ist wichtig, Frauen diese Ängste zu nehmen, ihnen die Zeit der Wechseljahre trotz aller Beschwerden als schöne, einmalige Zeit des Bewusst-Werdens zu vermitteln. Das ist auch eine Motivation für dieses Buch.
In der Zusammenarbeit haben wir festgestellt, dass sich unsere Sichtweisen und Erkenntnisse als Frauenärztin und als Soziologin hervorragend ergänzen und befruchten. Ursula bringt als niedergelassene Frauenärztin ihre langjährigen praktischen Erfahrungen und ihr medizinisches Wissen ein und wird besonders auf die biologischen Prozesse im Klimakterium und ihre erfolgreich praktizierten sanften Heilmethoden eingehen. Sabine bringt als Soziologin ihr methodisches Know-how und ihr fest im Sozialen verankertes analytisches Denken ein. Sie beschreibt vor allem die sozialen Einflüsse und gesellschaftlichen Faktoren, die auf die Wechseljahre Einfluss nehmen.
Im Zeitraum von Mai bis Dezember 2005 befragten wir (mündlich wie schriftlich) rund 40 Frauen, im Alter...