Die Frage, ob und wenn ja wie Unternehmenskultur analysier- und veränderbar ist, wird kontrovers diskutiert. Es können zwei grundlegend differierende Positionen unterschieden werden: die individualistische und die objektivistische Position.[9] Während die Vertreter des objektivistischen Ansatzes davon ausgehen, dass eine Unternehmung eine Kultur hat, die objektiv messbar und gezielt gesteuert werden kann, gehen die Vertreter des individualistischen Ansatzes davon aus, dass eine Unternehmung eine Kultur ist, die nicht aktiv beeinflusst sondern lediglich interpretiert werden kann. Der Kulturbegriff stellt in diesem Fall eine Metapher für das Unternehmen dar. Die Unterschiede zwischen den beiden Richtungen liegen in den jeweils zugrunde liegenden wissenschaftstheoretischen Positionen begründet.
Burrell/Morgan fassen die unterschiedlichen Kategorien zur Beschreibung des Wissenschaftsverständnisses von Sozialforschern zu zwei grundlegenden Richtungen zusammen, die sie "objektiv" und "subjektiv" nennen (nach Heinen, 73ff.). "Ein objektives Wissenschaftsverständnis ist gekennzeichnet durch realistische, positivistische, deterministische und nomothetische Grundannahmen über die Natur der Sozialwissenschaften. Der idealtypische Gegenpol ist das subjektive Wissenschaftsverständnis, welches durch nominalistische, antipositivistische, voluntaristische und idiographische Grundhaltungen charakterisiert werden kann" (Heinen, 76). Was heißt das ?
Das objektive Wissenschaftsverständnis geht davon aus, dass es eine außerhalb des menschlichen Bewusstseins liegende Wirklichkeit gibt, zu deren Erkenntnis man durch Wahrnehmung und Denken kommt (Realismus). Folglich hat der Forscher ein positivistisches Selbstverständnis: "Er nimmt den Standpunkt eines Beobachters ein, der nach Regelmäßigkeiten und Kausalgesetzen in der sozialen Realität forscht. Er steht außerhalb der von ihm beobachteten sozialen Welt und ist der Überzeugung, dass wissenschaftliche Erkenntnis über diese objektive, reale soziale Welt auch in objektiver Weise interindividuell kommunizier- und verwertbar ist" (Heinen, 75). Er geht von einem deterministischen Menschenbild aus, d.h. dass das Individuum in seinem Verhalten von seiner Situation festgelegt ist. Entsprechend sind seine Handlungen erklär- und prognostizierbar, sofern die Kausalzusammenhänge hinreichend bekannt sind. Aus diesen Annahmen lässt sich die methodologische Orientierung logisch ableiten: die nomothetische Position "ist gekennzeichnet durch das Bemühen, soziale Phänomene mit Forschungsinstrumenten zu erfassen, welche denen der Naturwissenschaften gleichen. Operationalisierung, experimentelles Vorgehen oder standardisierte Beobachtung und Befragung im Feld sowie intersubjektiv nachprüfbare Hypothesentests sind charakteristisch für diese Art des wissenschaftlichen Arbeitens" (Heinen, 76).
Im Gegensatz dazu geht das subjektive Wissenschaftsverständnis von einer nominalistischen Grundposition aus, "wonach soziale Phänomene nicht unabhängig von den sie konstituierenden Individuen gesehen werden können. Es sind letztendlich individuelle Bewusstseinsakte, welche über die Schaffung von Ideen, Begriffen und ein darauf aufbauendes sinnhaftes Handeln soziale Strukturen und Prozesse ermöglichen" (Heinen, 74). Entsprechend nimmt der Forscher eine antipositivistische Position ein. Das verstehende Teilnehmen an den sozialen Phänomenen wird als unabdingbare Voraussetzung einer erfolgreichen wissenschaftlichen Untersuchung sozialer Prozesse gesehen. Das Menschenbild ist voluntaristisch: es gesteht dem Menschen prinzipiell eine weitgehende Handlungsautonomie zu. "Das menschliche Individuum ist hier maßgeblich gekennzeichnet durch einen freien Willen. Seine Lebensäußerungen und Handlungen werden damit zu Ereignissen, die letztendlich nicht im Wege der Ableitung auf Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge im naturwissenschaftlichen Sinne zurückgeführt werden können" (Heinen, 76). In der Konsequenz wird bezüglich der Methoden eine idiographische Position vertreten: Ausführliche Einzelfallstudien und eine aktive Beteiligung an den untersuchten sozialen Prozessen sind charakteristisch für diese methodische Grundhaltung.
Vor dem Hintergrund des objektiven und subjektiven Wissenschaftsverständnisses werden auch die unterschiedlichen Ansätze der Unternehmenskulturforschung verständlich, die im Anschluss näher erläutert werden.
Die Vertreter des objektivistischen Ansatzes gehen davon aus, dass eine Organisation eine Kultur hat, die objektiv messbar ist. Die Kultur wird so zu einer betriebswirtschaftlichen Gestaltungsvariablen neben Strategie, Struktur und Planungssystemen. Die Kultur des Unternehmens ist als ein Konglomerat von spezifischen, unverwechselbaren Verhaltensdispositionen und –mustern der Unternehmensmitglieder zu verstehen, welche ihren sichtbaren Ausdruck in unternehmensspezifischen Symbolen finden. Die Organisationskultur erfüllt in den Ansätzen dieser Theorierichtung wichtige Funktionen wie Integration, Koordination und Motivation.
Führungskräfte setzen unternehmenskulturelle Symbole zu einer zielorientierten Steuerung des Verhaltens der Organisationsmitglieder ein. Diese Forschungsrichtung sieht ihr Aufgabengebiet im Wesentlichen darin, "Symboltypen zu identifizieren und zu kategorisieren, deren Funktionen innerhalb der Unternehmen zu identifizieren und nicht zuletzt Handlungsempfehlungen dafür herauszuarbeiten, wie mit Hilfe der Steuerung und Manipulation von Symbolen die Organisationsmitglieder zu einem rollenkonformen und zielorientierten Verhalten veranlasst werden können." Diese Grundrichtung herrscht in den betriebswirtschaftlich orientierten Ansätzen vor.
Allerdings bleiben diese Ansätze zur inhaltlichen Erklärung des Unternehmenskulturbegriffs nach der Beobachtung von Heinen (16) "der Konzentration auf die sichtbaren, greifbaren Erscheinungsformen verhaftet. [...] In diesen Arbeiten ist die Tendenz gegeben, die sichtbaren Ergebnisse spezifischer Unternehmenskulturen mit den eigentlichen Unternehmenskulturen gleichzusetzen. Die daraus resultierende Vorstellung, mit Hilfe der Installation und Manipulation solcher äußerer Erscheinungsformen Unternehmenskulturen 'schaffen' zu können, erscheint deshalb wenig realitätsbezogen."
Bei den quantitativen Untersuchungen lassen sich ein dimensionsorientierter und ein typologieorientierter Ansatz unterscheiden (vgl. Seidler, 40ff.). Bei den Untersuchungen des dimensionsorientierten Ansatzes wird Unternehmenskultur merkmalsgestützt erfasst. Ziel ist die Identifikation von inhaltlichen Dimensionen der Unternehmenskultur. Es existieren inzwischen zahlreiche Arbeiten, die sich z.B. auf Wertedimensionen (Erfolgs- oder Mitarbeiterorientierung) konzentrieren.
Während die Dimensionen der Unternehmenskultur die für den Unternehmenserfolg relevanten Kulturelemente unter jeweils einem Aspekt zusammenfassen, sind Typologisierungen die nächsthöhere Abstraktionsstufe: sie fassen i.d.R. mehrere Dimensionen zusammen und bilden auf diese Weise Unternehmenskultur-Typen. Sie ermöglichen eine prägnante Kennzeichnung von Unternehmenskulturen, indem sie Idealtypen entwerfen. Allerdings haben auch Typisierungen ihre Schattenseiten, wie Seidler (67f.) erläutert. Es handelt sich um Normierungen, die auf die Erfassung spezifischer prägender Charakteristika verzichten und die Realität nur unzureichend wiedergeben. Diese Typenbildungen können aber, trotz ihrer Defizite, wirklichkeitsmächtig werden und eine selektive bzw. verkürzte Wahrnehmung von Kulturelementen zur Folge haben.
Nach Meinung der Individualisten wird die funktionalistische Auffassung des objektivistischen Ansatzes dem wesentlichen Charakter der Unternehmenskultur nicht gerecht. Sie "begreifen Unternehmenskultur nicht als einen von mehreren Gestaltungsparametern der Unternehmensführung, sondern als das, womit sich die Organisationstheorie überhaupt und ausschließlich beschäftigen sollte" (Heinen, 68). Eine Unternehmung ist also eine Kultur. Sie kann nicht aktiv beeinflusst sondern lediglich interpretiert werden. Im Vordergrund dieses Ansatzes steht das Ziel, ein besseres Verständnis von...