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E-Book

Weil Liebe keine Fehler kennt

Das Leben eines herzkranken Down-Mädchens

AutorUlrike Solo
VerlagBooks on Demand
Erscheinungsjahr2019
Seitenanzahl276 Seiten
ISBN9783749417025
Altersgruppe12 – 
FormatePUB
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis9,99 EUR
Mit diesem Buch erzähle ich Euch die Geschichte meiner herzkranken behinderten Tochter aus meiner mütterlichen Sicht. Viele Hürden hat sie genommen und trotz oder vielleicht auch gerade wegen ihrer schweren Herzerkrankung verkörpert sie, wie die meisten Menschen mit Down-Syndrom, die Liebe und die pure Lebensfreude. Wenn wir es wagen, unseren Blick auf das zu richten, was wirklich ist, können wir jeden Tag unsagbar viel für uns von behinderten Menschen lernen. Im Gegenzug dürfen wir ihnen die Unterstützung geben, die nötig ist, damit sie ihr eigenes Leben so leben und genießen können, wie sie es brauchen und können. Leben und Liebe ist das, was Du daraus machst, egal, welche Hürden es dabei gibt, weil Liebe keine Fehler kennt...

Ulrike Solo lebt im Münsterland, nahe der holländischen Grenze. Anfang 2014 gab sie ihren ursprünglichen Beruf als Arzthelferin auf, um neue Wege zu gehen. Neben ihrer Selbstständigkeit als schamanisch-systemische Lebensberaterin und Selbstfindungscoach arbeitet sie heute auch voller Freude als Schulbegleiterin an der Seite von behinderten Kindern. Im August 2014 hat sie ihr erstes Buch >>Weil Liebe keine Fehler kennt<< veröffentlicht, wodurch ihre Kreativität als Autorin geweckt wurde. In all ihren Büchern lässt sie die Menschen teilhaben an ihren privaten und beruflichen Lebenserfahrungen. Ihre größte Gabe ist es, jegliche Emotionen und ihre eigene Sicht auf die Welt auf verschiedenen wundervollen Wegen anderen Menschen nahe zu bringen, ohne sich jemals aufzudrängen. Mehr über Ulrike Solo findest Du hier: Webseite: www.seelenumarmungen.de

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Leseprobe

Gestern habe ich einen Bericht im TV gesehen, in dem Familien gezeigt wurden, die sich für ihr Down-Syndrom-Kind entschieden haben. Und da waren sie alle wieder, all die Bilder, die Gedanken und all die Emotionen von damals, der letzten Jahre. Ich reiste innerlich zurück zu dem Moment, als wir uns das erste Mal begegneten und möchte Dir nun meine Geschichte mit Dir erzählen:

Es war der 02.02.2002, als Dein Vater aus einem Spaß heraus lachend zu mir sagte: „Jetzt bist Du schwanger“. Ich schwieg und lächelte in mich hinein, streichelte gedanklich über meinen Bauch und sagte Dir ohne Stimme: „Hallo Levi, schön, dass Du endlich da bist!“

In diesem Moment trug ich Dich in meinem Leib. In diesem Moment tratst Du aus dem Schatten in mein Leben. Ich hatte Dich schon zuvor gesehen, auch wenn ich es damals noch nicht begreifen konnte. So saß ich doch vier Wochen vorher im Auto Deines Vaters und konnte ihm keine vernünftige Erklärung dafür geben, warum ich JETZT die Pille absetzten wollte und nicht noch einen Tag länger darauf warten konnte. Unter Tränen suchte ich nach Begründungen, warum ich dieses kleine Ding einfach nicht mehr einnehmen konnte, warum mir ein gemeinsamer Urlaub egal sei, warum DU jetzt schon mehr Priorität hattest, als alles andere auf der Welt.

Heute weiß ich, in diesem Moment sind wir uns das erste Mal begegnet. Ich hörte Dein Rufen, denn in diesem Moment entsprang Deine Seele ein Stück weit der meinen. Und an diesem 02.02.2002 warst Du dann wirklich da, in mir, in meinem Mutterleib und ich durfte emotional dabei sein, wie Du in Dein Leben kamst.

Die ersten zwei Wochen vergingen, und wenn mein Blutzuckerspiegel morgens etwas abfiel und mir etwas schwindelig wurde, fragten mich alle, was denn los sei. Ich antwortete: „Ich bin schwanger, es wird ein Mädchen, und sie wird Lea Viktoria heißen. Kurz, meine Levi kommt.“ Zwei Wochen lang wurde ich belächelt und hörte nur: „Als wenn das sofort klappt nach so vielen Jahren der Verhütung. Du hast wohl einfach nur zu wenig gefrühstückt.“ Doch wir beide, Du und ich, wussten es und konnten es allen nach zwei Wochen anhand des Tests auch beweisen. Und so machten wir zwei uns auf eine wunderschöne gemeinsame Reise in meine Schwangerschaft mit Dir und Deinen Weg ins Leben.

Nie zuvor war ich so glücklich. Nie zuvor fühlte ich mich so eins mit mir. Nie zuvor fühlte ich mich so wunderbar weiblich und nie zuvor hatte ich solch eine tiefe Liebe gespürt. Wir zwei hatten das Glück, dass uns die Phasen mit Übelkeit, Stimmungsschwankungen und all das erspart blieb. Der Arzt fragte mich, welche Kontrolluntersuchungen ich mir zum normalen Umfang wünsche und ich sagte: „Sagen Sie mir, was wirklich NÖTIG ist. Ich bin schwanger und nicht krank. Ich bringe keinerlei Risiken mit und werde mir kurz vor meinem 30.Geburtstag selbst das wunderschönste Geschenk machen, welches es auf Erden geben kann. Welche Untersuchungen sind neben dem Standard wirklich nötig?“

Er antwortete: “Rein medizinisch betrachtet in Ihrem Falle keine. Sie haben die Möglichkeit, Ihr Kind auf ein evtl. Down-Syndrom untersuchen zu lassen. Bei jeder 100.Schwangerschaft kann es zu solch einer Behinderungen kommen.“ Ich antwortete: „Aus welchem Grund sollte mein Kind krank sein?“, lächelte und streichelte über meinen Bauch. So buchten wir lediglich bei jedem Arztbesuch Deinen Fototermin, da ich gar nicht genug Ultraschallbilder von Dir bekommen konnte.

Im 6.Monat warst Du dann endlich bereit, Dich auf den Fotos so zu zeigen, dass nun alle sehen konnten, dass Du wirklich eine Lea Viktoria bist, meine Levi halt. Dein Vater konnte es kaum fassen. Sollte es wirklich möglich sein? Ein Mädchen? Wo doch in den letzten drei oder sogar vier Generationen in seiner Familie nur Jungs geboren wurden? Sollte er es geschafft haben, endlich das langersehnte Mädchen zu zeugen? Er und seine Familie konnten das Glück kaum fassen. Deine Monate in meinem Bauch waren wunderbar und wir erlebten eine gemeinsame Zeit voller Lachen, Freude, Leichtigkeit und schienen vor innerer positiver Kraft schier zu explodieren.

Schließlich kam mein letzter Arbeitstag, bevor wir beide gemeinsam in den Mutterschutz starteten. Da Du bei der letzten Untersuchung beim Arzt sehr klein warst und er sicher gehen wollte, dass es Dir wirklich gut geht, fuhren wir am ersten Tag unserer arbeitsfreien Zeit zu einer Doppleruntersuchung ins Krankenhaus. Dies ist eine farbige Ultraschalluntersuchung des Bauches. Deine Oma begleitete mich und war total aufgeregt, durfte sie Dich doch gleich quasi im Fernsehen das erste Mal live und in Farbe erleben.

Wir schauten staunend und mit Tränen der Freude in den Augen auf den Bildschirm, lange Zeit, sehr lange Zeit, zu lange, wie mir mein Gespür sehr schnell sagte.

In meinen Kopf überschlugen sich die Bilder und eine tiefe nie zuvor gespürte Angst machte sich breit. Da ich beruflich jahrelang bereits als Arzthelferin beim Kardiologen arbeitete, konnte ich es erkennen. Dein Herz, Dein kleines Herz, es arbeitete nicht so, wie es sein sollte. Die Herzwand fehlte zum Teil, sauerstoffarmes Blut war dort, wo es nicht sein sollte und in mir machte sich ein emotionales Chaos breit, welches ich in Farbe auf dem Bildschirm sah. Ich registrierte den besorgten und ernsten Blick des Arztes und Deine Oma strahlte noch immer darüber, dass sie Dich sehen konnte. Nach einer gefühlten Ewigkeit brachte ich die Frage über meine Lippen: „Herr Doktor, was ist hier los?“ Er sprach ruhig und mit besorgter Miene: „Das Herz Ihres Kindes ist krank, stark deformiert und es arbeitet nicht so, wie es sein sollte...“

Die Welt schien still zu stehen und obwohl ich auf der Untersuchungsliege lag, schien ich einfach ins Bodenlose zu fallen, und es gab kein Ende in diesem Sturz. So viele Fragen und Ängste waren in meinem Kopf: „Wie sollst Du leben, wenn Dein Herz, Dein Lebensmotor so defekt ist? Warum geschieht das? Was hatte ich übersehen oder vergessen? Hätte ich es verhindern können? Wie kann ich Dir helfen? Bitte Gott, lass nicht zu, dass mein Kind nicht leben kann. Sie ist so klein, unschuldig, rein in ihrem Wesen...“, und immer wieder die Frage nach dem WARUM.

Der Arzt sagte, dass er versuchen wolle, den Kinderkardiologen hinzu zu holen, um eine fachkundige Einschätzung der Situation geben zu können. Ich musste mit Deiner Oma eine halbe Stunde warten. Sie sagte zu mir: „Das ist bestimmt alles gar nicht so schlimm. Warte erst einmal ab. Wird schon alles gut sein. Und ansonsten wird man Lea halt operieren und dann ist alles wieder gut.“

Ich weiß, dass sie mich aufbauen wollte, es gut meinte und selbst in diesem Moment total hilflos und überfordert war. Doch ich wusste und spürte, dass die Realität eine andere war. Der Kardiologe war leider an diesem Tag nicht mehr erreichbar und so erklärte der untersuchende Arzt mir nach einer weiteren Ultraschalluntersuchung, dass Du ein großes Loch im Herzen hast. Die Hauptwege von Deinem Herzen wären verengt und der Bluttransport so nicht gewährleistet.

Ich hörte all seine Erklärungen und doch hörte ich nichts, außer, die Angst um Dich in mir. Ich hörte ihn sprechen: „Kinder, welche ein Loch im Herzen haben, haben in 65% der Fälle auch ein Down-Syndrom.“ Ich schaute ihn an und verstand nicht und fragte: “Bitte?“ „Das ist ein Chromosomenschaden, Trisomie 21, früher sagte man auch Mongolismus“, antwortete er und ich spürte auch seine Betroffenheit. „Sie haben nur noch vier Wochen Zeit bis zu Ihrem Geburtstermin. Wenn wir das eher gewusst und gesehen hätten, hätten Sie noch etwas tun können. Sie hätten sich entscheiden können.“

Wie in Trance bekam ich einen weiteren Termin zur Untersuchung, bei dem dann auch der Kardiologe anwesend sein sollte, um mich weiter aufzuklären, über das, was auf mich, auf uns zukommen würde. Während ich das Auto nach Hause fuhr, hörte ich Deine Oma reden: „Wie kann ein Arzt Dir so etwas sagen? Wie kann man so kalt und herzlos sein? Wie kann er Dir einfach sagen, dass Lea herzkrank ist? Woher will er das wissen? Wieso hat er sich nicht netter ausgedrückt? Das wird schon alles nicht so schlimm sein...“

Doch was hätte er tun sollen, mich anlügen? Mir das, was die Wahrheit ist, verschweigen? Es war für mich genau richtig es ehrlich und direkt zu sagen, denn es war Realität. Kein Wegschweigen oder Verschönern hätte daran etwas ändern können. Doch ich verstand die Hilflosigkeit Deiner Oma, auch wenn sie mir in diesem Falle nicht geholfen hat. In mir war Angst, nicht nur um Dein Herz, sondern auch um die Aufgabe, welche mit all diesen neuen Fakten auf mich zukommen würden. Was ist, wenn ich dem nicht gewachsen bin? Ist mein Leben jetzt vorbei? Wie verläuft Dein Leben, wenn Deine Behinderung so stark ausgeprägt ist, dass Dir ein eigenständiges Leben verwehrt bleibt? Ist mein Leben ab jetzt dazu bestimmt, Dich auf ewig zu pflegen? Wirst Du niemals eine eigene Wohnung haben oder eine Partnerschaft führen? Du wirst selbst niemals eine Mama werden. Wie wird Dein Vater damit umgehen? Wird er bei uns bleiben oder uns verlassen? Werden Dein Vater und ich uns dabei als Paar...

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