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E-Book

Weizengericht

Der Weizen unter Anklage

AutorAndrea Wolf
VerlagBooks on Demand
Erscheinungsjahr2016
Seitenanzahl156 Seiten
ISBN9783743144354
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis5,49 EUR
Wer heute noch Weizen isst, setzt sich unnötigen gesundheitlichen Risiken aus. Wirklich? Zwar pfeifen die Spatzen diese Weisheit von allen Dächern, aber wer sich durch die Forschungsliteratur liest und den Wissenschaftlern zuhört die sich intensiv mit Weizen beschäftigen, entdeckt ein anderes, ein differenzierteres Bild. Das angebliche Monstergetreide sollte noch nicht abgeschrieben werden. Wer Nahrungsmittel nicht in gut und böse einteilt, wird in diesem Buch interessante Fakten zur aktuellen Weizenschelte und den positiven Eigenschaften dieses vermeintlichen Schurken finden.

Andrea Wolf arbeitete mehr als zwei Jahrzehnte in der IT-Industrie, als sie einen Zusammenbruch erlitt. Sie recherchierte umfassend die möglichen Gründe für ihren Leistungsabfall und suchte nach Wegen, ihre Gesundheit wiederzuerlangen. Dabei begegneten ihr die Ernährungsratschläge der Weizenkritiker, nach denen sie sich monatelang richtete. Da sich kein Erfolg einstellte, begann sie, die Thesen der Weizenkritiker mit Hilfe wissenschaftlicher Literatur zu überprüfen. Dieses Buch fasst die Ergebnisse ihrer Recherchen zusammen.

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Leseprobe

Die Vorwürfe


Die Überzeugung mit der die Behauptung der Zerstörungskraft des Weizens, und besonders eines seiner Proteine des Glutens, verbreitet wird, ließ mich irgendwann stutzig werden. Ich wollte es genauer wissen und begann mich mit den Anmerkungen und Literaturhinweisen der beiden bekanntesten Anti-Weizenbücher, 'Weizenwampe' von Dr. William Davis und 'Dumm wie Brot' von Dr. David Perlmutter zu beschäftigen. Das war der Beginn einer Recherche, die mich zu vielen wissenschaftlichen Studien führte und zu der Erkenntnis, dass nicht alles so einfach ist, wie populäre Bücher und die bunte Social Media Welt es darstellen.

Als ich die Fußnoten der beiden populären Bücher nachzulesen begann, stieß ich auf ein Phänomen das mich sehr irritierte. Die angegebenen Textstellen aus wissenschaftlichen Publikationen, die eigentlich die schärfsten Argumente der Weizenkritiker hätten untermauern sollen, sagten etwas ganz anderes aus oder hatten gar nur am Rande mit dem Thema zu tun. Wie konnte das sein? Nun machen wir alle Fehler und bei einem Buch von mehreren hundert Seiten und mehreren hundert Anmerkungen kann es durchaus vorkommen, dass man einzelne Fußnoten falsch zuordnet. Aber dass das ausgerechnet bei den zentralen Argumenten dieser Autoren zutreffen sollte? Weitere Stichproben zeigten mir, dass es sich offenbar nicht um Flüchtigkeitsfehler handelte. Die Autoren bezogen sich im Text zum Teil namentlich auf die Forscher, deren Artikel sie in den Anmerkungen verlinkt hatten. Sie zogen aber völlig andere Schlüsse aus deren Publikationen als ich es beim Nachlesen tat. Ich war verunsichert. Hier waren veröffentlichte Autoren, die Behauptungen aufstellten die eine Riesenwelle verursacht hatten, die Doktortitel trugen, sich auf wissenschaftliche Literatur bezogen, und meine Wenigkeit interpretierte die gleichen wissenschaftlichen Publikationen vollkommen anders. Wer lag nun falsch? Bald stieß ich auf Analysen von Wissenschaftlern zu den Thesen dieser Bücher. Diese Analysen sind viel weniger bekannt, aber sie sind hochinteressant, weil sie von Wissenschaftlern stammen, die sich dauerhaft mit dem Thema Getreide befassen und weil sie zu völlig anderen Schlußfolgerungen kommen als die Herren Davis und Perlmutter. Nun hat sicher schon jeder von Gefälligkeitsstudien und manipulierten Ergebnissen wissenschaftlicher Studien gehört und das hat zu einer gewissen Skepsis geführt. Ich halte diese Skepsis für gesund aber nicht für einen Grund, wissenschaftlichen Ergebnissen grundsätzlich nicht mehr zu trauen. Die Autoren der wissenschaftlichen Zusammenfassungen der Forschungsergebnisse zur Verträglichkeit von Weizen mögen ganz oder in Teilen ihr Gehalt von der Getreideindustrie beziehen aber ob ihre Studienergebnisse deshalb falsch sind, muss man im Einzelfall prüfen. Zudem bewegen wir uns ja weder in der öffentlichen Internetdiskussion noch in den bekannten weizenkritischen Büchern auf dieser Ebene. Es geht eher um das grundsätzliche Verständnis der Beziehung zwischen Weizen, seiner Verbreitung in Nahrungsmitteln und Kosmetika und eventuellen Unverträglichkeiten und deren zweifelsfreier Diagnose.

Kurz gesagt, mir fehlte einiges in der Diskussion und ich wollte mehr wissen um für mich selbst die optimale Ernährungsform zu finden.

Dabei ging es mir nicht nur darum, die Gegendarstellungen einiger Wissenschaftler bekannter zu machen, ich fand auch viele Studien zum gesundheitlichen Nutzen von Weizen und seiner Inhaltsstoffe und zu Zöliakie und Glutenunverträglichkeit, die dank der mittlerweile herrschenden Vorurteile gegen den Weizen gar nicht mehr durchdringen.

Zwischen der öffentlichen Wahrnehmung, einzelnen spöttischen Presseartikeln5 und dem was in Wissenschaftskreisen zum Thema Weizen geforscht und diskutiert wird bestehen große Diskrepanzen. Das ist besonders bedeutsam, weil sich die ganze Anti-Weizen Kampagne angeblich auf wissenschaftliche Ergebnisse stützt. Da scheint jedoch oft genug der Wunsch der Vater des Gedankens gewesen zu sein. Zuerst kam die Ansicht mit dem Weizen stimmt was nicht und dann suchte man nach Beweisen für die eigene Auffassung. Wenn die Bedrohungslage tatsächlich so wäre wie in den populären Bücher beschrieben, dann sollte man doch meinen, dass auch die Wissenschaftler, zumindest jene die nicht in irgendeiner Form Zuwendungen von der Getreideindustrie bekommen, allmählich Alarm schlagen würden. Man erinnere sich an die beinahe jährlich wiederkehrenden Warnungen zum Thema Salzkonsum. Sinn oder Unsinn dieser Warnungen seien dahingestellt, sie illustrieren mein Argument. Wenn Wissenschaftler von etwas überzeugt sind, dann machen sie sich damit durchaus bemerkbar. Aber bei dem in populären Medien heiß diskutierten Thema Weizen findet man auf Seiten der Wissenschaftler Kopfschütteln und Unverständnis für die allgemeine Hysterie.

Mich persönlich interessiert natürlich, ob und wie und wann Weizen eventuell als Nahrungsmittel ungeeignet sein könnte und ich besser daran täte ihn zu meiden, aber ich möchte das ganze Bild sehen. Der Weizen existiert ja nicht für sich allein. Er wird behandelt und verarbeitet. Dabei kommen Mittel und Methoden zum Einsatz die eventuell auch zu einer Unverträglichkeit beitragen können, die aber keine Erwähnung finden in den genannten Büchern. Und dann haben sich ja nicht nur der Weizen, die Anbaumethoden und die Verarbeitungsmethoden verändert seit den Zeiten unserer Großeltern, auch wir haben uns verändert. Damit meine ich keine Veränderungen auf genetischer Ebene, sondern die Veränderungen der Umwelt die uns betreffen. Mehr Hygiene, mehr künstlich hergestellte Stoffe die in der Nahrung landen, mehr Antibiotika, weniger Parasiten. Die Anforderungen an unser Immunsystem haben sich schneller verändert, als jemals zuvor. Ein eventuell veränderter Weizen ist nur ein ganz kleines Puzzleteil.

Natürlich gibt es viele Berichte von Menschen die von sich sagen, der Verzicht auf Weizen habe ihr Leben zum Positiven verändert. Das freut mich für jeden Einzelnen von ihnen, denn ich weiß wie schlecht man sich fühlen kann. Ich frage mich trotzdem ob sie sicher sein können, dass es der Weizen war der ihre Probleme verursacht hat. Wer auf Weizen verzichtet, der lässt nicht mal eben eine kleine Zutat weg. Das ist was anderes als sich vorzunehmen, keine Bananen mehr zu essen. Wer Bananen essen möchte, der muss sie sich extra besorgen, der sieht was er isst und weiß, dass Bananen nicht in zerkleinerter Form in allen anderen Lebensmitteln oder Kosmetika versteckt sein können. Beim Weizen ist aber genau das der Fall. Wer auf Weizen verzichtet, der muss jedes Etikett genau studieren und herausfinden, was sich hinter den komplizierten Bezeichnungen versteckt und ob das Weizen sein könnte. Wer dann konsequent auf alle diese Nahrungsmittel verzichtet in denen er Weizen als Zutat ausfindig gemacht hat, der hat sein Essverhalten und seinen Lebensstil komplett umgestellt. Und das ist der Punkt. Wenn ich auf Convenience Produkte im weitesten Sinne verzichte, dazu gehört der Verzicht auch auf Ketchup, gemahlene Gewürze, Kaugummi und nicht selbst gemachte Eiskrem, dann verzichte ich auch auf viele andere Zutaten die alle das Potential haben unsere Verdauung zu beeinträchtigen. Wenn ich also - sagen wir - zehn verschiedene Stoffe gleichzeitig aus der Ernährung entferne und es mir anschließend besser geht, woher weiß ich dann, welcher der zehn Stoffe der Übeltäter war?

Dr. William Davis, ein Arzt aus Milwaukee USA, der dort präventive Kardiologie praktiziert, hat mit seinem Buch 'Weizenwampe' die vielleicht größte aktuelle Gesundheitswelle ins Rollen gebracht. In diesem Buch beschreibt er seine Thesen zur Schädlichkeit des modernen Weizens und welche wundersamen gesundheitlichen Vorteile eine weizenfreie Ernährung hat. Ungeachtet der von Wissenschaftlern und Journalisten immer wieder hervorgehobenen Tatsache dass seine Thesen auf Fehlinterpretationen von wissenschaftlichen Studien und auf der Verwechslung von Korrelation mit Ursache-Wirkung aufbauen, hat sich ausgehend von seinem Werk eine Dynamik entwickelt, die, wie es scheint, kaum noch gestoppt werden kann. Viele Mediziner, Ernährungsberater und die sich dafür halten sind auf den Zug aufgesprungen. Bei ihnen fällt leider die gleiche Nachlässigkeit im Umgang mit Quellen auf wie bei Davis selbst. Seine Trittbrettfahrer zitieren ihn oder einander gegenseitig und verbreiten so eine Informationsblase die völlig abgehoben vom Stand der Forschung durchs Internet schwebt. Verirrt sich doch einmal jemand in die nüchterne Welt der Forschung und zitiert aus wissenschaftlichen Artikeln, dann entweder nur aus solchen Artikeln die über Zöliakiepatienten berichten und die für die Allgemeinheit nicht maßgebend sind oder es werden positive Studienergebnisse überlesen oder die Studienergebnisse gar völlig falsch interpretiert. Ich weiß das klingt ungeheuerlich, aber ich bin mit diesen Beobachtungen nicht allein. Viele Rezensenten dieser Bücher bei Amazon haben diese Beobachtung gemacht und auch Wissenschaftler wie Dr. Alessio Fasano, dessen Forschungen oft als Begründung für die grundsätzliche Schädlichkeit des Weizens hergenommen werden, beobachten verwundert diesen Trend.

Die Hiobsbotschaft von der angeblich gesundheitszerstörenden Wirkung des modernen Weizens traf auf die bereits hochschlagende...

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