Es gibt zahlreiche Theorien, die zu erklären versuchen, woran Kommunikation in der Partnerschaft, und als Folge davon die Partnerschaft selbst, so häufig fehlschlägt. Die meisten dieser Theorien beleuchten unterschiedliche Aspekte dieses Problems.
Wir wollen Ihnen hier ein ganz einfaches Erklärungsmodell darstellen, das keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt, in der Hoffnung, dass dieses Modell auch dem nicht psychologisch vorgebildeten Leser einen deutlicheren Einblick in die Zusammenhänge von Kommunikation und Partnerschaft ermöglicht.
2.1. Belohnung und Bestrafung – Mechanismus der Liebe?
Unsere Verhaltensweisen lernen wir größtenteils durch die Rückmeldung, die uns Menschen aus unserem Umkreis darüber geben. Für Kinder kommen die wichtigsten Rückmeldungen natürlich von den Eltern, später kommen die Freunde, Lehrer, Ausbilder usw. dazu. In der Partnerschaft gewinnt der jeweilige Partner als Rückmelder größte Bedeutung. Die Rückmeldungen, die wir bekommen, lassen sich grob in zwei Arten einteilen: Belohnung und Bestrafung.
Unter Belohnung lassen sich alle diejenigen Rückmeldungen zusammenfassen, die mir angenehm sind und die mich ermuntern, das, wofür ich belohnt worden bin, auch weiterhin zu tun, und dies wenn möglich sogar öfter und/ oder intensiver.
Bestrafung dagegen sind alle diejenigen Rückmeldungen, die mir unangenehm sind. Das, wofür ich bestraft worden bin, werde ich seltener oder gar nicht mehr tun – oder ich werde zumindest darauf achten, dabei nicht mehr erwischt zu werden.
Diese Belohnungen und Bestrafungen, mit denen wir seit frühester Kindheit konfrontiert werden, sind es, die unser soziales Verhalten, also die Art und Weise, wie wir mit unseren Mitmenschen umgehen, langsam ausformen. Mit diesem über viele Jahre hinweg gelernten Repertoire an Verhaltensweisen kommen wir in unsere Partnerschaft. Und hier geht das Lernen weiter. Die beiden Partner werden für den jeweils anderen zum wichtigsten Rückmelder. Sie belohnen und bestrafen sich gegenseitig, und zwar in der Weise, dass das Verhalten des einen das Verhalten des anderen massiv beeinflusst. So ist die Wahrscheinlichkeit, dass z. B. auf ein belohnend wirkendes Lob eine positive Reaktion erfolgt, enorm hoch. Umgekehrt provoziert etwa ein bestrafend wirkender Vorwurf mit hoher Wahrscheinlichkeit einen Gegenvorwurf oder eine andere negative Reaktion.
Doch wie sehen Belohnung und Bestrafung im Alltag einer Partnerschaft aus?
Die meisten Frauen und Männer dürften sich gar nicht bewusst sein, wie sie ihren Partner durch Belohnung, viel öfter aber noch durch irgendeine Form der Bestrafung zu beeinflussen versuchen. Leichter zu verstehen ist dieses nur allzu menschliche Verhalten vielleicht am Beispiel der Kindererziehung. Stellen Sie sich vor, Sie sind Vater oder Mutter eines ca. 9-jährigen Kindes. Sie haben mit ihm vereinbart, dass es spätestens um 18.00 vom Spielen mit seinen Freunden zurück sein muss. Das Kind hält diese Vereinbarung viele Male ein. Da ist die Gefahr groß, dass diese Befolgung für die Eltern zur Selbstverständlichkeit wird, und das Kind keinerlei Lob mehr erhält, wenn es pünktlich kommt. Umgekehrt ist die Aufregung vielleicht groß, wenn das Kind einmal später als erwartet kommt. Und dann überlegen sich verantwortungsbewusste Eltern unter Umständen Strafmaßnahmen zum Wohle des Kindes. Die Prügelstrafe ist zu Recht aus den meisten deutschen Familien verbannt, weil sie mehr Schaden als Nutzen anrichtet. Beliebte Strafen sind heute Fernsehverbot – schwer durchzuhalten, weil die meisten Eltern selbst gerne vor der »Glotze« sitzen und sich deshalb entnervende Szenen mit dem zu bestrafenden Sprössling abspielen. Oder Hausarrest – ganz besonders schwer durchzuhalten, weil verantwortungsbewusste Eltern ja daran interessiert sind, dass ihre Sprösslinge einen sozialen Kontakt zu ihren Freunden, am besten in freier Natur bei frischer Luft, aufbauen; vom entnervenden Herumgeknatsche eines zu Arrest verdonnerten Kindes ganz zu schweigen.
Neben diesen offensichtlich der Kindererziehung mehr oder weniger dienlichen Strafmaßnahmen gibt es eine ganze Reihe von Bestrafungsformen, die uns wieder zur Partnerschaft von Frau und Mann zurückführen. Schimpfen, Nörgeln, Ein-schlechtes-Gewissen-Machen, Schweigen sind Beispiele für Bestrafungsformen, wie sie sowohl in der Kindererziehung als auch in Partnerschaften häufig anzutreffen sind. Und es sind Beispiele für Bestrafungen in sprachlicher Form.
Es ist nur zu verständlich, dass ich meinen Partner in die Richtung zu beeinflussen versuche, die mir am genehmsten ist. Seine Vorzüge, seine guten Eigenschaften möchte ich natürlich auch in Zukunft genießen können. Seine negativen Eigenschaften, Gewohnheiten, die mich an ihm stören, möchte ich am liebsten abschalten. Die Frage ist nur, wie ich das anstelle. Ähnlich wie in dem obigen Beispiel aus der Kindererziehung wird auch in vielen Partnerschaften vergessen, den jeweiligen Partner gelegentlich zu belohnen. Kleine Aufmerksamkeiten, ein liebes Wort, z. B. ihn nicht »nur« zu lieben, sondern es ihm auch zu sagen, sind wenig aufwendige, dafür aber umso wichtigere Möglichkeiten der gegenseitigen Belohnung. Aber alles, was mir an ihm gefällt, alles, was er mir Gutes tut, ist in Gefahr, schnell zur Selbstverständlichkeit zu werden, und über Selbstverständlichkeiten brauche ich kein Wort des Lobes oder Dankes zu verlieren. Allerdings verliert dabei die Beziehung, denn sie lebt ja vom gegenseitigen Austausch der Partner. Und was in einer Beziehung noch übrigbleibt, wenn keine Belohnungen mehr ausgetauscht werden, das sind Bestrafungen.
Und tatsächlich: So »mundfaul« viele sind, wenn es darum geht, den jeweiligen Partner für etwas zu loben, so eifrig sind sie, den Partner für alles Mögliche zu bestrafen. So eine Bestrafung kann z. B. schon mein langes Gesicht sein, das ich aufsetze, wenn mein Partner zu spät kommt, ein Wegschauen, wenn er sich eigentlich ein Lächeln oder einen Begrüßungskuss erwartet hätte und so weiter. Alle diese nichtsprachlichen Zeichen können sehr beredt sein und wunderbar als Bestrafung eingesetzt werden.
Noch eindeutiger sind allerdings die sprachlichen Bestrafungsmöglichkeiten, über die wir nahezu unbegrenzt verfügen. Beispiele dafür finden sich genügend in den vorhergehenden und den nachfolgenden Kapiteln.
Das verhängnisvolle an diesen Bestrafungsmechanismen in der Partnerschaft ist, dass diese schnell zur Gewohnheit werden können, bis kein Platz mehr für belohnende Verhaltensweisen vorhanden ist. Ein oft zitiertes Beispiel dafür ist die Frau, die ihren Mann als zu wortkarg erlebt und ihn aus ihrer Frustration heraus mit anhaltendem Nörgeln bestraft. Der Mann dagegen bestraft seine nörgelnde Frau, indem er sich umso mehr zurückzieht, was bei der Frau wiederum noch heftigeres Nörgeln auslöst. Hier ist der Teufelskreis der gegenseitigen Bestrafungen bereits perfekt. Kein Wunder, dass in einer Beziehung, in der solche Mechanismen vorherrschen, auch eine anfänglich große gegenseitige Liebe und Zuneigung der beiden Partner langsam aber sicher erlischt.
Deshalb ist es enorm wichtig, dass Paare sich möglichst früh darüber bewusst werden, wie sie in ihrer Partnerschaft miteinander umgehen, auf welche Fehler sie in ihrer gemeinsamen Kommunikation besonders achten müssen und wie sie diese am besten vermeiden können.
2.2. Bestrafende Kommunikation – Keine Chance für die Liebe
Bei näherer Betrachtung lassen sich bestimmte Formen des gegenseitigen Umgangs erkennen, die auf den jeweiligen Partner besonders bestrafend oder verletzend wirken. Wir sprechen von »Kommunikationsfehlern«, die bewusst oder unbewusst angewendet werden und ein partnerschaftliches Gespräch verunmöglichen. Sie sind auch dafür verantwortlich, dass sich die in Kapitel 1.1. beschriebenen Grundmuster misslingender Paarkommunikation entwickeln.
Im Folgenden wollen wir diese Fehler einmal gesammelt vorstellen, um dann auf eine konstruktive Alternative in Form der sogenannten Kommunikationsregeln einzugehen.
Bevor wir dies tun, müssen wir an diese Stelle eine kleine aber bedeutende Vorbemerkung setzen.
Vorbemerkung
Uns ist aufgefallen, dass wir bislang, wenn es um Begriffe wie Partner, Sprecher oder Zuhörer ging, keine weibliche Form als Zusatz- oder Doppelnennung benutzt haben, wenn sowohl Frauen als auch Männer damit gemeint sein sollten. Wir taten das erst einmal guten Gewissens, weil wir uns nach den Gepflogenheiten der deutschen Sprache richten wollten, die für diese Begriffe die männliche Form als Gruppenbezeichnung vorsieht, zumal (allerdings seltener) umgekehrte Beispiele mit rein weiblicher Gruppenbezeichnung (z. B. die Person) vorkommen.
Andererseits gibt es seit einiger Zeit zahlreiche Bestrebungen für eine Feminisierung der Sprache in der Art, dass die Grundform von Gruppenbezeichnungen, sofern sie den männlichen Artikel trägt, gleichzeitig noch in weiblicher Form erscheint.
Das hat allerdings den Nachteil, dass jeder noch so flüssig verfasste Text durch ständiges gleichzeitiges Benennen der weiblichen und männlichen Geschlechtsform mit Hilfe von Doppelnennungen, plötzlichen Großbuchstaben mitten in einem Wort usw. ins Stocken gerät und kaum mehr vorlesbar ist. Als Beispiel wollen wir Ihnen einen Satz aus Kap. 1. 1. 2. mit Doppeltnennungen vorführen. Am besten lesen Sie...