Ziel dieses Kapitels ist es, Steuerungs- und Kontrollmechanismen aus den Bereichen zu identifizieren, die von der Arbeitsweise und Zusammensetzung der Teilnehmer her, dem Crowdsourcing nahestehen. Um dieses Ziel zu erreichen wird sich einer umfangreichen Literaturrecherche bedient. Dazu werden Steuerungs- und Kontrollmechanismen generell aus dem Gebiet der virtuellen Communities und im speziellen aus dem Open Source-Bereich (OS-Bereich) ermittelt. Es wird sich bewusst für den OS-Bereich entschieden, da die hier eingesetzten Steuerungs- und Kontrollmechanismen auf sich freiwillig betätigenden Teilnehmer gerichtet sind. Diese erledigen die anfallenden Aufgaben dabei nicht nur auf Grund monetärer Anreize. Zwar fallen die Gründe, die die Teilnehmer zur Mitarbeit an OS-Projekten und Crowdsourcing Initiativen bewegen, unterschiedlich aus, z. B. erhalten die Teilnehmer im OS-Bereich für ihre geleistete Arbeit keine monetäre Vergütung und auch sind die Organisationsstrukturen nicht direkt vergleichbar, dennoch bestehen signifikante Gemeinsamkeiten zwischen dem OS-Bereich und Crowdsourcing. Gemeinsamkeiten liegen darin, dass die Gruppe der Teilnehmer sich aus einer heterogenen Anzahl von Individuen zusammensetzt. Die Individuen innerhalb einer Gruppe verfügen über bestimmtes Fachwissen und erledigen Aufgaben alleine oder gemeinsam über einen längeren Zeitraum innerhalb einer Community. Die Kommunikation und Aufgabenbearbeitung erfolgt mit Einsatz unterschiedlichster webbasierter Informations- und Kommunikationssysteme. Anhand dieser Gemeinsamkeiten zu Crowdsourcing, ist eine teilweise Übertragung der in virtueller Communities und Open Source-Projekten angewendeten Steuerungs- und Kontrollmechanismen für Crowdsourcing Plattformen möglich. Durch die freiwillige Mitarbeit an Crowdsourcing Initiativen, treten verhaltensorientierte Steuerungs- und Kontrollmechanismen anstelle von traditionellen Mechanismen in den Vordergrund, die auch als soziale Kontrolle bezeichnet werden können.
Governance versteht sich als institutionelle Steuerung zur Überwachung und Kontrolle der Mitarbeiter in Unternehmen und Institutionen (Schneider, Kenis 1996). Traditionelle Governance Mechanismen beschäftigen sich mit der Überwachung, Kontrolle und Steuerung von unternehmensinternen Prozessen und umgehen dabei zu großen Teilen die sogenannten weichen Faktoren. Bei dieser Art von Governance Mechanismen rücken direkte Anreiz-, Kontroll- und Sanktionsmechanismen in den Vordergrund. Diese Mechanismen sind hauptsächlich monetärer oder existenzieller Art (Lattemann, Stieglitz 2005). Durch das Wesen von Crowdsourcing, sollten die in Crowdsourcing eingesetzten Governance Mechanismen, zusätzlich um psychologische und sozialogische Aspekte erweitert werden. Diese finden sich in dem in den 1190er Jahren entwickelten Stewardship-Ansatz wieder. Der Ansatz geht von einem intrinsisch motivierten Menschenbild aus (Donaldson, Davis 1991). Daher zielen die in Kapitel 3.3 identifizierten Steuerungs- und Kontrollmechanismen aus dem OS-Bereich hauptsächlich auf die intrinsische Motivation ab. Hierbei wird auf traditionelle Steuerungs- und Kontrollmechanismen, wie beispielsweise das Setzen und Kontrollieren von Arbeitszeit- oder Zielvorgaben, bewusst verzichtet. Nach Markus (2007) können unter dem Begriff Open Source-Governance die Mittel zusammengefasst werden, die zur Erreichung der Leitung, Kontrolle und Koordination der Individuen innerhalb von OS-Projekten zum Einsatz kommen. Nachfolgend fasst der Begriff Governance, als Oberbegriff alle Mechanismen zusammen, die den Anspruch erheben, das Verhalten der Crowd anhand der eigenen Vorstellungen zu beeinflussen. Steuerungs- und Kontrollmechanismen können als ein Teil davon betrachtet werden.
Damit für das Crowdsourcing wirksame Steuerungs- und Kontrollmechanismen identifiziert werden können, sollten zuvor die Beweggründe der Crowdsourcees ermittelt werden. Erst danach ist es möglich, wirksame Steuerungs- und Kontrollmechanismen zu identifizieren, die auch tatsächlich in der Lage sind, Einfluss auf das Verhalten der Crowdsourcees auszuüben. Es kann davon ausgegangen werden, dass sich bei einem Crowdsourcee zumindest ein Gleichgewicht, aus dem getätigten Aufwand und dem dadurch zu entstehenden Nutzen ergeben muss. Das heißt, ein Crowdsourcee wird nur dann an einer Crowdsourcing Initiative teilnehmen, wenn sein Nutzen hierfür höher ausfällt, als der ihm dadurch entstandene Aufwand. Dies gilt sowohl für extrinsisch motivierte, wie auch für rein intrinsisch motivierte Crowdsourcees. Daher kann eine ausreichend große und motivierte Crowd nur dann dauerhaft Bestand haben, wenn sich zumindest dieses Gleichgewicht einstellt. Daher ergibt sich die Frage nach den Motiven, die die Crowdsourcees zur Teilnahme an Crowdsourcing Initiativen veranlassen. Die Frage nach der Motivation ist von entscheidender Bedeutung, da die im Crowdsourcing eingesetzten Steuerungsmechanismen motivationsfördernd und die Kontrollmechanismen nicht motivationshemmend auf die Crowdsourcees wirken sollten. Gemeint ist, dass die eingesetzten Steuerungs- und Kontrollmechanismen keinen negativen Effekt auf das Aufwands-Nutzen-Verhältnis ausüben dürfen. Dementsprechend können effektive Steuerungs- und Kontrollmechanismen für die Crowdsourcees nur dann ermittelt werden, wenn die Motive hinlänglich bekannt sind (Stieglitz 2008).
Die Gesamtheit der Beweggründe des menschlichen Verhaltens, wird im Allgemeinen als Motivation bezeichnet. Hierbei handelt es sich um die inneren Antriebskräfte, die das Verhalten einer Person auf ein konkretes Ziel ausrichten (Bänsch 2002). Motivation entsteht, indem eine Person durch Anregungsbedingungen der umgebenden Situation konfrontiert wird und dadurch ganz bestimmte Motive (Beweggründe) aktiviert werden, die wiederum Verhaltensintentionen auslösen (Rosenstiel 2007). Intrinsische Motive basieren nicht auf äußeren Anreizen, sondern entstehen aus dem Individuum selbst heraus. Eine Tätigkeit wird um ihrer selbst willen geschätzt und durchgeführt. Beispiele für intrinsische Motive, sind die Freude an einer Tätigkeit, das Bedürfnis sich zu entwickeln oder etwas zu Verbessern (Shah 2004). Nach Deci und Ryan (1985) ist eine Handlung dann intrinsisch motiviert, wenn diese autonom und selbstbestimmend ausfällt. Zusätzlich hierzu liegt der selbstbestimmten Handlung auch das Bedürfnis nach Wirksamkeit und Kompetenz zu Grunde. Im Gegensatz hierzu beziehen sich extrinsische Motive auf den Erhalt einer Kompensation zur Ausführung einer bestimmten Tätigkeit. Die Tätigkeit wird nicht um ihrer selbst willen durchgeführt. Beispiele für extrinsische Motive sind der Erhalt einer finanziellen Entlohnung oder die Verbesserung der eigenen Reputation. Beweggründe, die Crowdsourcees zur Mitarbeit an Crowdsourcing Initiativen veranlassen, konnten bisher noch nicht in vollem Maße bestimmt werden (Pedersen et al. 2013). Doch konnte Hossain (2012) in seiner Studie feststellen, dass 72,4 % der Crowdsourcing Plattformen Anreizstrukturen implementierten, die auf extrinsische Motive abzielten. Von diesen 72,4 % der Plattformen setzten sogar ganze 50,4 % der Plattformen, ausschließlich auf eine rein monetäre Entlohnung. Dagegen setzten nur 27,6% der untersuchten Plattformen auf Mechanismen, die intrinsische Motive ansprechen. In den verschiedenen Publikationen zu Crowdsourcing, konnten intrinsische Motive, wie Lernen, Freude an der Arbeit und sozialer Austausch und extrinsische Motive, wie Entlohnung, Selbstmarketing und Reputation ausgemacht werden (Muhdi, Boutellier 2011; Kaufmann, Schulze 2011; Brabham 2008a; Borst 2011; Leimeister, Hubner, Bretschneider et al. 2009). Anhand der Erkenntnisse aus den Publikationen, kann festgehalten werden, dass den monetären extrinsischen Motiven ein höherer Stellenwert beigemessen werden kann, als den intrinsischen und den nicht monetären extrinsischen Motiven. Dennoch sind auch intrinsische und nicht monetäre extrinsische Motive für Crowdsourcees wichtige Beweggründe zur Teilnahme an Crowdsourcing Initiativen.
Die Motivation zur Teilnahme an OS-Projekten kann zwar nicht gleichgesetzt werden mit der Motivation zur Teilnahme an Crowdsourcing Initiativen (Brabham 2008b). Dennoch können bei den Teilnehmern von OS-Projekten, wie ebenso bei den Crowdsourcees, intrinsische-, sowie extrinsische Motive beobachtet werden. Beweggründe von Programmierern zur Teilnahme an OS-Projekten sind unter anderem, die generelle Freude an der Programmierung und die Überzeugung zu einer guten Sache beizutragen (Raymond 1999). Aber auch die eigene Reputation innerhalb der Szene zu erhöhen und einen Nutzen aus der angepassten Software zu ziehen, gehören zu den Gründen warum Programmierer an OS-Projekten mitarbeiten (Lerner, Tirole 2002; Hippel 2001). Teilnehmer von OS-Projekten weisen teils Ähnlichkeiten zu Crowdsourcees auf. In beiden Fällen handelt es sich um weltweit verteilte heterogene Mitglieder, die auf freiwilliger Basis an einem Projekt bzw. einer Initiative mitwirken. Auch hinsichtlich der intrinsischen sowie extrinsischen Motive, besteht eine gewisse Übereinstimmung. OS-Projekte, wie Linux, Debian und Mozilla sowie virtuelle Communities, wie Wikipedia und OpenStreetMap bestehen bereits seit den 1990er Jahren. Die eben genannten Projekte erstellen bis zum heutigen Tag erfolgreiche Softwareprodukte oder andere Inhalte. Es kann davon ausgegangen werden, dass die in den (OS-)Projekten...