Essen & Trinken
WIEN ERLEBT KULINARISCH GLÄNZENDE ZEITEN DIE NEUE WIENER KÜCHE WIRD INTERNATIONAL BEJUBELT JUNGE WIRTINNEN UND WIRTE INTERPRETIEREN DAS WIRTSHAUS MUTIG UND UNKONVENTIONELL.
Grand Ferdinand
WIEN ERLEBT IN JEDER HINSICHT kulinarisch glänzende Zeiten, und Food-Kritiker in aller Welt bejubeln die neue Wiener Küche, die sich von ihrer chicen, raffinierten und unkomplizierten Seite zeigt. Es scheint überhaupt eine neue Generation von jungen Wirtinnen und Wirten zu geben, die mutig und unkonventionell das gute alte Wirtshauskonzept neu interpretieren und in deren Lokalen sich gemütliche Beislgeherinnen und -geher genauso wohlfühlen wie ambitionierte Welt-Wienerinnen und -Wiener. Kein Wunder also, dass Michelin-Sterne-Träger Konstantin Filippou ganz im neuwienerischen Sinn sein elegantes Speisezimmer um ein neues schlankes, leichtes, junges Lokal – das o boufés – im ersten Bezirk erweitert hat. Statt Gerichten werden Zutaten aufgelistet, der Austro-Grieche serviert Blutwurstravioli, Bries, Rindsbackerl, Schweinebauch, Oktopus, verleugnet nie seine griechischen Wurzeln, setzt aber jedes Mal einen kulinarischen Wien-Akzent wie etwa bei Sardinenfilets die Butterbröseln. Auch bei den Weinen hat er das richtige Gespür und bietet – gerade sehr aktuell – ausschließlich naturnah ausgebaute Weine an.
Was der Name zunächst noch nicht vermuten lässt, wird im Pramerl & the Wolf zelebriert: die Kunst des Weglassens. In einem im wahrsten Sinne des Wortes „gewienerten“ uralten Mini-Beisl mit prächtiger Vintage-Schank serviert der junge, spätberufene Koch Wolfgang Zankl ausschließlich Menüs, in denen er Klassiker der Wiener Küche wie etwa Krautrouladen und Spitzpaprika serviert. Die Anzahl an Gängen wird von Hunger und Zeit der Gäste bestimmt. Sehr angesagt ist auch das Ramasuri, das sich gleich neben dem beliebten Mochi und dem Café Ansari im zweiten Bezirk befindet. Schon der Name des Lokals ist durch und durch wienerisch – er bedeutet so viel wie „großes Durcheinander“. Im Sommer sitzt man im bunt möblierten Schanigarten vor edler Hausfassade und dem Denkmal der Dichterikone Johann Nestroy. Drinnen wird das sehr neuwienerische Essen wie etwa Butterschnitzel vom Wels mit Erbsenpüree und Krensauce oder etwa der Klassiker Backhenderl überraschend anders, aber traditionell knusprig mit einem Erdäpfelsalat mit süßer wienerischer Note serviert. Bodenständig wie nur geht es auch im Stephan, der Gastwirtschaft mit Bar im fünften Bezirk, zu. Im puristisch getäfelten Gastraum sitzen Bauarbeiter genauso wie Generaldirektoren, das Schnitzel kommt – wie es sich gehört – aus dem Butterschmalzpfandl und entlockt den Gästen ein leises „Ahh“ beim Durchschneiden der knusprigen Panier. Seit dem TV-Serienhit „Vorstadtweiber“ sind die Tische im Skopik & Lohn wieder rar, man sollte also besser zwei Wochen im Vorhinein reservieren. Die neue Beliebtheit des Bistro-Beisls mit der unverkennbaren Deckenmalerei von Künstler Otto Zitko im zweiten Bezirk ist jedenfalls so groß wie schon lange nicht, das geschmorte Lamm mit weißer Polenta zart und saftig und der Signature Dish „Steak Frites“, natürlich mit Sauce béarnaise, extramürb.
Ein ganz neues Foodie-Feeling verschaffen der Stadt viele neue außergewöhnliche kulinarische Genusstempel mit einer Kombination aus Edelkantine, Lebensmittelspezialitäten, Greißlerei, Take-away, feinen Wohnaccessoires und Tischkultur. Als Johannes Lingenhel beschloss, seinen Marktstand am Wiener Naschmarkt aufzugeben, ahnte er noch nichts von Größe und Dimension seines neuen Projektes in der Wiener Landstraße nahe dem Rochusmarkt, das seit der Eröffnung von Lingenhel im Juni 2016 zu den ganz feinen Adressen zählt. Der Clou an seiner Gourmet-Oase mit Lebensmittelwerkstätte ist sicherlich die eigene Käseproduktion gemeinsam mit Käse-Guru Robert Paget. Vor den Augen der Gäste werden feinste Joghurts, Frischkäse, Mozzarella, Burrata und Camembert hergestellt, die im angeschlossenen Restaurant serviert oder im noblen Geschäft verkauft werden. Unser Tipp: gleich den großen langen Holztisch im „Käse-Spa“ in großer Runde buchen, frischer und schöner geht’s nicht. Auch der coole Design- und Food-Shop von Marco Simonis stillt als nobler Nahversorger mit selbst gemachten Tartes, gefüllten Baguettes und Sandwiches auf der Dominikanerbastei 10 den urbanen Appetit. Simonis setzt bei seinem Angebot auf Lebensmittelmanufakturen wie Thum Schinken (bester Beinschinken der Stadt!), exklusive Gewürzproduzenten, Jahrgangssardinen aus Portugal und selbst gemachte Take- away-Spezialitäten, wunderbar appetitlich in Schraubgläser abgefüllt.
Beim Betreten des ersten Wiener Indoor-Food-Marktes, der Marktwirtschaft in der Siebensterngasse, fällt man zunächst dem begnadeten Barmann und Getränketüftler Hubert Peter in die Arme. Der Vorarlberger arbeitet mit selbst eingelegten Früchten, Wurzeln und Essenzen, die auf seinen Regalen in farbenfroh anzusehenden Gläsern stehen. Experimentierfreudige nehmen den „Wurstcocktail“ oder den „Rote-Rüben-Kren mit Schokolade-Cocktail“, sehr erfrischend ist auch der „Fenchel-Sternanis-Verbene-Cocktail“ mit Tonic, selbst gemachtem, versteht sich. Dringt man tiefer in den Markt ein, verführen Stände mit dem berühmten Schweizer Jumi-Käse, Biobrot vom Holzofenbäcker Gragger, Dormayer-Schinken und -Würste, Gemüse, Baldini-Bier zum Kosten und Verfeinern der Wochenendeinkäufe. Als Herzstück der Marktwirtschaft gilt das Restaurant „Die Liebe“ an der Stirnseite. Schon das Frühstück spielt dort alle Stückerln – viele hübsche Multikulti-Kleingerichte, die mit frischen Zutaten des Marktes gekocht werden. Weiteres Plus: große Fenster, ein schöner begrünter Innenhof und Dekorationen des Londoner Künstlers David Shillinglaw. Eine bezaubernde Kombination, diesmal ganz dem Thema Fisch gewidmet, ist das Goldfisch von Petra Goetz-Frisch und dem Weinhändler Sebastian Slavicek in der Lerchenfelder Straße im achten Bezirk. Tout Vienne ist entzückt von den „goldigen“ Speisen wie etwa der Lerchenfelder Fischsuppe mit Safran, die an schönen Schiefertischen mit Blick in die offene Küche verzehrt werden. Die Auswahl in der Fischvitrine des Shops reicht von superfrischen Forellen aus dem Naturpark Kalkalpen über Bio-Branzino aus Piran (die beste Branzino-Zucht in Europa) bis hin zu Salzburger Kaviar und Austern.
Und wo geht in Wien sonst noch die Post ab? Auf alle Fälle im Art Dinner Club mit ein bisschen New York Feeling mitten in Wien. An den Wänden Werke österreichischer Künstler, macht Wien hier jeden Freitag und Samstag Fine Party zu Fine Dining und Fine Drinking mit Fine Dancing. Wer sich, einmal im Club drinnen, in der Tür irrt, kann schon einmal im gleich daneben liegenden Kitch landen, einer sehr angesagten Pizzeria. Dort treffen weiße Backsteinwände mit Leuchtbuchstaben und Graffiti auf original neapolitanische Pizza aus dem Holzofen. Ein ganz anderes Konzept geht direkt hinter dem Stephansdom beim israelischen Starkoch Eyal Shani in seinem Miznon – was übersetzt so viel wie Kantine bedeutet – voll und ganz auf. Aus einfachsten Zutaten werden amüsant klingende Speisen serviert, wie etwa die „überfahrenen Erdäpfel“. Dann noch gegrillter Karfiol im Ganzen, Lammfaschiertes, alles auf Papier gereicht, frisch zubereitet in der fröhlich-lauten Atmosphäre der offenen Küche des Lokals. Unser Tipp: Wer lieber inkognito bleiben möchte, bestellt die Speisen an der Bar lieber unter einem Decknamen. Der wird nämlich sehr laut durchs Lokal gerufen, wenn das fertige Essen direkt an der Bar abzuholen ist. Ein weiteres kosmopolitisches Erlebnis bietet das Blue Mustard mitten in der Stadt. Wo einst Revuegirls ihre Röcke hoben, stellt Sternekoch Alexander Mayer die Teller auf den Tisch, und unter blau leuchtenden Neogotikbögen, die den Fenstern des Stephansdoms nachgebildet sind, gibt es tolle Drinks. Motto: Chin-chin statt Cancan!
Kommt der Wiener nicht aufs Land, kommt das Land eben in die Stadt. Diesem Motto schließen sich immer mehr heimische Ab-Hof-Anbieter und Lokale an, von denen es in Wien mehr denn je zu geben scheint und die damit das Stadtbild um eine neue Facette bereichern. Der Bauernladen Ab Hof im 17. Bezirk hat zwar keinen Stall, dafür aber Produkte einer kleinen Bauerngemeinschaft aus dem südlichen Waldviertel mit tollem Frischfleisch für bewussten Fleischkonsum. Auch Georg Rohrauer und seine Partnerin Annemarie Wanner verkaufen ihre Bioprodukte lieber im eigenen Geschäft in Wien als auf dem Land: in ihrem dazu-Hofladen im neunten Bezirk. Dasselbe gilt auch für die Wiener Schnecke von Andreas Gugumuck. Das ehemalige „Arme-Leute-Essen“ wird...