2 Basisrezepte und Tipps zur Verarbeitung
Die vorgestellten »wilden Kerle« können sehr vielfältig verarbeitet und konserviert werden. Hier bekommen Sie dafür hilfreiche Tipps und Anregungen. Mithilfe der Basisrezepte können Sie die gesammelten Schätze von Bäumen und Sträuchern in außergewöhnliche Köstlichkeiten verwandeln.
2.1 Liköre – wild und beschwipst
Wilde Früchte und Blüten eignen sich wunderbar für die Likörherstellung. Zum einen besitzen sie ganz besondere Geschmacksnuancen, zum anderen sind solche Liköre Raritäten, denn sie sind in der Regel nicht käuflich zu erwerben. Die Herstellung ist relativ einfach: Sie benötigen lediglich Alkohol, geschmacksgebende Früchte, Blüten oder Blätter und ein Süßungsmittel. Nicht zu vergessen: Geduld. Denn ein Likör schmeckt nach dem Abfiltern meist noch nicht optimal. Erst nach einer mehrwöchigen Reifung in der Flasche wird sein Aroma »rund« und gut.
Zunächst werden die aromagebenden Pflanzenteile mit einem möglichst neutral schmeckenden Alkohol übergossen, damit die typischen Aromen der Wildpflanzen nicht durch den Eigengeschmack des Alkohols gestört werden. Nehmen Sie also beispielsweise Doppelkorn oder Wodka oder einen hochprozentigen Neutralalkohol (Primasprit, Weingeist). Hochprozentiger Neutralalkohol muss verdünnt werden, in der Regel auf 40–70 %vol. Es kann allerdings auch wünschenswert sein, mithilfe des Alkohols bestimmte Aromen einfließen zu lassen: Beispielsweise harmoniert ein Zwetschgenbrand vorzüglich mit der verwandten Schlehe und ein Kirschbrand unterstützt die Aromen der Vogelkirsche.
Wilde Aromen in Alkohol Mit Ausnahme von Esskastanie und Ahorn eignen sich alle in diesem Buch beschriebenen Pflanzen für die Likörherstellung. Sie finden entsprechende Hinweise in den Pflanzenporträts. In der Regel nehmen Sie für 1 l Alkohol etwa 350–400 g Früchte, bei Blättern oder Blüten genügen etwa 150–200 g. Wichtig ist, dass alle Pflanzenteile mit Alkohol bedeckt sind. Nehmen Sie möglichst frische und keine getrockneten Pflanzen, da sich die Aromen aus den weichen Pflanzenzellen viel besser herauslösen. Bei Wildfrüchten kann es von Vorteil sein, sie zuvor einige Tage in die Gefriertruhe zu legen. Durch die aufgeplatzten Zellen werden die Aromen viel besser freigesetzt. Zerkleinern oder zerdrücken Sie die Früchte aber nicht, sonst entwickelt der Likör zu viele Trübstoffe. Sie können die Aromen der Wildpflanzen mit passenden Gewürzen wie Zimt, Vanille, Fenchel oder Zitrone noch abrunden und verfeinern. Die Pflanzenteile verbleiben zwei bis vier Wochen im Alkohol, nicht länger. Eine längere Extraktionszeit kann sich nachteilig auf Farbe und Aroma des Likörs auswirken. Nach dieser »Auszugszeit« wird der Likör durch ein sehr feines Sieb (eventuell mit eingelegtem Mulltuch) abgefiltert.
Ohne Süße kein Likör Zu guter Letzt benötigen Sie für den Likör noch ein Süßmittel. In der Regel nimmt man auf 1 l Alkohol etwa 100–250 g. Bei süßen Früchten (Himbeere, Brombeere) benötigen Sie weniger als bei herben (Vogelbeere, Schlehe) oder gar bei Pflanzenteilen ohne eigene Süße (Holunderblüten). Viele Rezepte sehen Zucker oder Kandis vor, aber selbstverständlich eignen sich alle unter ▶ Süßmittel beschriebenen Alternativen. So können beispielsweise Vollrohrzucker und Kokosblütenzucker mit ihren karamellartigen Geschmacksnuancen sehr bereichernd sein. Auch Honig oder Apfeldicksaft können einen Likör mit Wildbeeren wunderbar abrunden.
In vielen Rezepten wird Zucker oder Kandis zusammen mit den Pflanzenteilen zum Alkohol gegeben, wo er sich während der Extraktionszeit langsam auflöst. Das ist die einfachste Variante. Allerdings verschlechtert der Zucker, wenn auch nur in geringem Maße, das Löseverhalten des Alkohols. Deshalb wird der Zucker bei professioneller Produktion erst nach dem Abfiltern in gelöster Form zugegeben. Diese sogenannte Zuckerlösung (Invertzucker/Läuterzucker) können Sie auch selbst herstellen. Sie benötigen zwei Teile Zucker und einen Teil Wasser, wenn Sie eine dickflüssige Likörkonsistenz bevorzugen, und eine 1:1-Mischung, wenn er dünnflüssiger sein soll. Also nehmen Sie beispielsweise 200 g Zucker und 100 ml Wasser und kochen dies 10–15 Minuten. Falls nötig, wird entstehender Schaum abgeschöpft. Dann abkühlen lassen und dem abgefilterten Liköransatz zufügen. Statt mit Zuckerlösung können Sie auch mit flüssigem Honig (etwas erwärmen) oder einem Dicksaft süßen (1:1 austauschen). Nach dem Süßen beginnt die Reifezeit in einer luftdicht verschlossenen Flasche. Diese sollte mindestens vier Wochen betragen. Je länger der Likör ruht, desto besser wird sein Geschmack.
Grundrezept »Wilder Likör«
- 350–400 g Wildfrüchte (frisch oder tiefgekühlt) oder 150–200 g Wildblüten
- 1 l Alkohol ca. 40 % vol.
- eventuell passende Gewürze (z.B. Vanille, Zimt, Zitrone)
- 150 g Süßmittel (Zucker, Kandis, Vollrohrzucker, Dicksaft)
- alternativ eine Zuckerlösung aus 200 g Zucker und 150 ml Wasser
Blüten bzw. Früchte und Gewürze in ein verschließbares Glas geben und mit Alkohol übergießen, so dass alles bedeckt ist. Früchte nicht zerkleinern oder zerdrücken. Zwei bis drei Wochen ziehen lassen. Dann durch ein feines Sieb abfiltern.
Wenn Sie ein festes Süßmittel (z.B. Kandis) nutzen, kann es gleich mit den Wildfrüchten zum Alkohol gegeben werden und sich während der Extraktionszeit langsam auflösen. Alternativ stellen Sie eine Zuckerlösung her, die erst nach dem Abfiltern zugefügt wird: Zucker und Wasser 15 Minuten köcheln und dann abkühlen lassen.
In sterile Flaschen füllen und luftdicht verschließen. Mindestens vier Wochen reifen lassen.
2.2 Essig – sauer und wild
Bringen Sie Pfiff in die Küche Die Blüten und Früchte der wilden Sträucher und Bäume bieten eine unglaubliche Fülle geschmacklicher und farbgebender Variationen, weshalb sie sich vorzüglich dazu eignen, Essige zu aromatisieren. Solche edlen »Aroma-Essige« sind nicht nur für Salate zu gebrauchen: Sie können sie auch zum Verfeinern von Suppen und Gemüsekreationen nutzen oder pur als Aperitif. Besonders gut geeignet sind die feinduftenden Holunder- und Lindenblüten sowie die wilden Früchte von Brombeere, Himbeere, Heidelbeere, Holunder und Vogelkirsche. Sie können die Essige zusätzlich mit Kräutern und Gewürzen verfeinern. Der Fantasie sind dabei keine Grenzen gesetzt. Sehr gute Essiggewürze sind beispielsweise Basilikum, Chili, Estragon, Knoblauch, Rosmarin, Thymian und Zitrone. Aus kulinarischer Sicht ist es allerdings wenig sinnvoll, viele verschiedene Zutaten zu mischen. Es kommt eher darauf an, den Charakter der Hauptzutat zu betonen. Verfeinern Sie also einen Brombeeressig mit einer Zimtstange, Holunderblütenessig mit Zitronenscheiben und einen Himbeeressig mit frischem Basilikum. Mit solchen Essigen können Sie Ihre Gäste überraschen.
So wird’s gut Nehmen Sie als Basis hochwertige Essige und keine billigen Säure- oder Branntwein-Essige (»Tafelessig«). Sehr empfehlenswert sind Weinessig, Traubenessig oder Obstessig. Es ist bezüglich der Haltbarkeit von Vorteil, wenn der Essig mehr als 6 % Säure aufweist. Die Aromen werden vom Essig am besten aufgenommen, wenn Sie frisch geerntete Zutaten nehmen statt getrockneter. Die Konservierungskraft des Essigs ist stark genug, so dass er vor dem Abfüllen nicht erhitzt werden muss. Dadurch werden die hitzeempfindlichen Inhaltsstoffe geschont. Eine Ausnahme sind jedoch gesüßte Essige.
Gesüßte Essige Gerade Essige, die auch als Aperitif dienen sollen, werden gerne gesüßt. Beispielsweise können Sie einen Himbeeressig mit Himbeersirup verfeinern (70 ml auf 1 l Essig) oder einen Holunderblütenessig mit einem Holunderblütensirup (70 ml auf 1 l Essig). Süßen können Sie statt mit Sirup auch mit Zucker, Honig oder Dicksäften. Nehmen Sie auf 1 l Essig nicht mehr als 100 g (ml) Süßmittel. Süßmittel und Obst reduzieren die Säure des Essigs und verringern somit die Haltbarkeit. Deshalb werden gesüßte Ansätze auf mindestens 75 °C erhitzt und anschließend steril abgefüllt.
Grundrezept »Wilder Essig«, ungesüßt
- 250 g Wildfrüchte (frisch oder tiefgekühlt) oder 150 g Wildblüten
- 1 l Weinessig
- eventuell passende Gewürze (z.B. Knoblauch, Rosmarin, Zitrone, Zimt)
Blüten bzw. Früchte und Gewürze in ein verschließbares Glas geben und mit Essig übergießen, so dass alles bedeckt ist. Früchte nicht zerkleinern oder zerdrücken. Ein bis zwei Wochen ziehen lassen.
Durch ein feines Sieb oder Mulltuch abgießen und in sterile Flaschen füllen (Flaschen für 10 Minuten bei 100 °C in den Backofen legen). Luftdicht verschließen.
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