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Winterblues

Das Wohlfühlbuch gegen die Herbst- und Winterdepression

AutorHubertus Himmerich
VerlagKreuz
Erscheinungsjahr2014
Seitenanzahl160 Seiten
ISBN9783451801570
FormatePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis4,99 EUR
Viele kennen dieses Gefühl: Die Tage werden kürzer, es ist grau und kalt und eine Erkältung ist im Anzug. Am liebsten möchte man sich verkriechen. Doch wo liegt die Grenze zwischen normalen Verstimmungen und einer ernsten Winterdepression? Prof. Dr. Hubertus Himmerich benennt die Warnsignale, bei denen man sich professionelle Hilfe suchen sollte, und zeigt, was man selbst tun kann, wenn einen der Winterblues fest im Griff hat.

Hubertus Himmerich, Prof. Dr. med., ist Professor für Neurobiologie und Oberarzt an der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Universität Leipzig. Er befasst sich unter anderem mit der Entstehung von Depressionen sowie mit der Wirkung von Lichttherapie.

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Leseprobe

1. Winterblues und Winterdepression – Was ist das?


Die Jahreszeiten


Das Leben auf unserer Erde ist stark vom Licht und der Wärme der Sonne abhängig. Über das Jahr hinweg bestehen jedoch große Unterschiede hinsichtlich der Sonnenstrahlung, vor allem in der Nähe von Nord- und Südpol. Die Erde dreht sich innerhalb eines Jahres einmal um die Sonne und bewegt sich dabei auf einer elliptischen Bahn. Außerdem dreht sich die Erde um sich selbst. Die Achse, um die sie sich dreht, verläuft durch den Nordpol und den Südpol. Diese Achse steht aber nicht senkrecht zur elliptischen Bahn um die Sonne, sondern diese Achse ist um 23,5 Grad abgekippt.

Abbildung 1: Die Stellung der Erdachse beim Umlauf der Erde um die Sonne führt auf der Nordhalbkugel vor allem in Polnähe zu vermehrter Sonnenstrahlung im Sommer (21. Juni) und verminderter Sonneneinstrahlung im Winter (21. Dezember). Auf der Südhalbkugel sind die Jahreszeiten um ein halbes Jahr verschoben.

Durch diese Neigung erhält die Nordhalbkugel der Erde, wenn dort Sommer ist, mehr Sonneneinstrahlung, wie man im linken Teil der Abbildung 1 erkennen kann. Im Winter dagegen erhält die Nordhalbkugel weniger Sonneneinstrahlung, weil der Nordpol aufgrund der Schräge der Erdachse der Sonne abgewandt ist, wie der rechte Teil der Abbildung zeigt. Diese Extrempositionen der Sonnenab- und Sonnenzugewandtheit einer Erdhalbkugel werden jeweils zum Sommer- und zum Winteranfang am 21. Juni und am 21. Dezember jeden Jahres von der Erde eingenommen. Auf der Südhalbkugel ist die Periodik der Sonneneinstrahlung um ein halbes Jahr verschoben. Dort ist am 21. Dezember Sommeranfang und am 21. Juni Winteranfang.

Durch diese Unterschiede in der Sonneneinstrahlung erhalten wir zu den verschiedenen Jahreszeiten eine unterschiedliche Intensität der Sonnenstrahlen und eine unterschiedliche Tageslänge.

  • Weil die Erde auf ihrer Umlaufbahn schräg zur Sonne steht, sind die Tage im Sommer lang und im Winter kurz.

Die meisten Pflanzen brauchen zum Wachsen und Reifen sowie für ihren Stoffwechsel mehr Licht und Wärme, als die Sonne im Winter spenden kann. Deswegen werfen beispielsweise die Bäume im Herbst ihr Laub ab und reduzieren ihren Stoffwechsel, um sich an den Winter anzupassen. Auch Gräser stellen unterhalb einer bestimmten Temperatur ihr Wachstum ein.

Der zugrunde liegende biochemische Prozess, der den Pflanzen ermöglicht, mithilfe der Sonnenenergie wichtige Moleküle zu erzeugen, um ihren Stoffwechsel aufrechtzuerhalten und zu wachsen, ist die sogenannte Photosynthese. Sie ist der wichtigste biochemische Prozess für das Leben auf der Erde, denn mit ihr gelingt es Pflanzen, aus Kohlendioxid aus der Luft, Wasser aus der Erde und Energie aus den Sonnenstrahlen energiereiche Verbindungen wie Traubenzucker (Glukose) herzustellen.

  • Pflanzen reduzieren im Winter stark ihren Stoffwechsel, mit dem sie wichtige energiereiche Verbindungen produzieren.
  • Weil Pflanzen im Winter kaum wachsen, gibt es in dieser Jahreszeit wenig Nahrung.

Das Verhalten von Tieren und Menschen im Winter


Da Menschen und Tiere von energiereichen chemischen Verbindungen wie Glukose abhängig sind, diese aber im Winter nicht ausreichend von der umgebenden Natur produziert werden können, haben sich viele Tierarten im Laufe der Evolution an die Situation im Winter angepasst und halten einen Winterschlaf. Dazu gehören auch einige Säugetiere wie Fledermäuse, Siebenschläfer, Haselmäuse, Hamster, Igel und Dachse. Die notwendige Energie, um die Lebensfunktionen der Winterschläfer während der jahreszeitlichen Schlafphase aufrechtzuerhalten, kommt aus den Fettdepots, die sie sich im Sommer angefressen haben. Im Winterschlaf an einem geeigneten und angenehmen Ort verfallen die Tiere in einen Zustand, in dem sie wenig Energie brauchen. Dabei reduzieren sie ihren Herzschlag, ihre Atmung und ihre Körpertemperatur. Manche Winterschläfer wie die Murmeltiere halten sogar einen sozialen Winterschlaf, indem sie sich eng aneinanderkuscheln, sodass sie sich gegenseitig aufwärmen können, wenn die winterlichen Temperaturen zu stark absinken.

Es gibt auch Tiere, die keinen echten Winterschlaf halten, sondern lediglich ihre Aktivität vermindern und eine Winterruhe einlegen. Das Eichhörnchen ist ein solches Tier. Eichhörnchen legen im Herbst einen Vorrat an Nahrung an, den sie im Winter während der Ruhephase fressen können.

  • Wild lebende Tiere sind gezwungen, sich an den Nahrungsmangel im Winter anzupassen.
  • Deswegen reduzieren sie ihre Aktivität oder halten einen Winterschlaf.

Wenn wir Menschen der industrialisierten Welt uns nicht durch den Bau von Häusern und das Vorhandensein frischen Essens zu jedem Zeitpunkt im Jahr von den Jahreszeiten unabhängig gemacht hätten, wären Verhaltensweisen eines Winterschlafes oder einer Winterruhe auch für uns sinnvoll, damit wir die Zeit des Winters, in der natürlicherweise wenig Nährstoffe in der Natur zu finden sind, gut überstehen. Einige Wissenschaftler gehen davon aus, dass in der menschlichen Evolution die Reduktion der Aktivität und des Kalorienbedarfs in den Wintermonaten und eine vermehrte Nahrungsaufnahme – wenn Nahrung vorhanden war – ein Überlebensvorteil waren. In der Steinzeit gab es noch keine Kühlschränke und Tiefkühltruhen, um frische Nahrungsmittel während des Winters einzufrieren, und es gab auch keine Flugzeuge und Lastschiffe, um Lebensmittel aus tropischen Regionen oder von der gegenüberliegenden Erdhalbkugel zu importieren. In unserer evolutionären Geschichte war also der Winterblues mit einem Mangel an Aktivität und Lebensfreude, einem vermehrten Schlafbedürfnis und gesteigertem Appetit möglicherweise ein Phänomen, das zum Überleben der Menschen in den Breiten beigetragen hat, wo es Jahreszeiten gibt. Dies würde auch erklären, warum in Ländern, die näher an den Polen der Erde liegen, wie in arktischen Regionen oder Nordfinnland, das höchste Vorkommen der Winterdepression besteht. In Äquatornähe gibt es keine Winterdepression. Überhaupt ist dort das Vorkommen von Depressionen sehr viel geringer als in Ländern, die Richtung Nord- oder Südpol liegen.

Unser modernes Leben führt nicht nur dazu, dass wir während des Winters aktiv bleiben müssen, sondern wir verbringen darüber hinaus viel Zeit in Büros oder zu Hause auf dem Sofa. Das heißt, dass wir im Winter zu wenig natürliches Licht bekommen. Dies kann sich nachteilig auf die Stimmung auswirken (siehe auch Kapitel 3).

  • In unserer Entwicklungsgeschichte mussten wir Menschen uns an den Winter anpassen.
  • Mögliche Anpassungsversuche an den kalten und dunklen Winter sind verstärkte Nahrungsaufnahme, verminderte Aktivität und vermehrter Schlaf.

Merkmale des Winterblues


Für den Winterblues gibt es keine wissenschaftliche Definition. Das ist nicht verwunderlich, denn der Winterblues ist keine Erkrankung, sondern ein normales menschliches Verhalten, das evolutionär aus einer Zeit stammt, in der wir Menschen abhängiger von der Natur waren. In der Vergangenheit war es ein durchaus sinnvolles Verhalten, das auf die Reduktion von Aktivität und Energieverbrauch in einer Zeit knapper Nahrungsmittel abzielte. Ähnlich wie Tiere im Winterschlaf möchten sich Menschen, die an Winterblues leiden, am liebsten eine Decke über den Kopf ziehen und im Bett liegen bleiben, bis der Frühling kommt.

Auch die Gemütslage kann verändert sein. Die gedrückte Stimmung hält oft tagelang an oder es können kurze Angst- oder Einsamkeitszustände auftreten. Am liebsten würde man dann einen sozialen Winterschlaf wie die Murmeltiere machen und sich im Winter dicht aneinanderkuscheln.

Viele Menschen leiden im Winter unter einer erhöhten Müdigkeit, sodass sie morgens nur schwer aufwachen können, schlecht aus dem Bett kommen, insgesamt mehr schlafen und sich tagsüber trotzdem müde und schlapp fühlen. Auch das sexuelle Interesse und überhaupt die Fähigkeit, Lust und Freude zu empfinden, können abnehmen. Im Rahmen des Winterblues haben manche Menschen Schwierigkeiten, sich zu konzentrieren oder Aufgaben zu Ende zu führen. Pessimistische Gedanken sind häufig. Außerdem kommt es vor, dass Betroffene Heißhungerattacken bekommen und insbesondere Appetit auf fette und süße Nahrung haben. Man geht davon aus, dass etwa 20 Prozent aller Menschen in unseren Breiten im Winter spürbar solche Symptome haben. Das heißt, der Winterblues ist ein relevantes Thema für unsere Gesellschaft.

Müdigkeit, Antriebsmangel und Rückzug ins Bett können im Herbst und Winter zu Problemen bei der Arbeit und im Familienleben führen. Da das Arbeitsleben sich immer stärker vom Rhythmus der Natur entfernt, kommen immer mehr Menschen in einen Widerspruch zwischen ihrem inneren Rhythmus, der einem natürlichen Verlauf folgt, und dem immer gleichen Arbeitsleben im Büro, bei dem die Jahreszeit unerheblich ist. Man kann feststellen, dass immer mehr Menschen vom Winterblues betroffen sind, was möglicherweise unserer modernen Lebensweise zuzuschreiben ist.

Es ist wichtig, den Winterblues nicht mit einer handfesten psychischen Erkrankung zu verwechseln. Deswegen sollte dann nicht mehr von Winterblues gesprochen werden, wenn beispielsweise eine Depression vorliegt. Tritt eine Erkrankung auf, sollte diese nämlich behandelt werden; und dann gibt es...

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