1. Interdependenzen und Wirtschaftskraft
Was ist Fußball? Die schönste und zugleich wichtigste Nebensache der Welt. Mehr noch: Leidenschaft, Identifikation und Lebensphilosophie. „Der Ball ist rund“ -wie die Welt. „Und das Spiel dauert neunzig Minuten“ -so viele Minuten wie das Leben Jahre hat. Fußball als individuelles Erlebnis ist Sinnbild des Lebens. Fußball als gesellschaftliche Massenbewegung war und ist immer auch Teil der Kultur- und Sozialgeschichte. Fußball ist ein alltäglich wiederkehrendes, leidenschaftlich diskutiertes Thema, ob am Arbeitsplatz, in den Kneipen, den Medien oder überall sonst, wo Menschen sich treffen und unterhalten, ob über umstrittene Schiedsrichterentscheidungen, spektakuläre Tore, triumphale Siege und tragische Niederlagen oder alles sonst, was die Gemüter in Sachen Fußball bewegt.
Die Popularität des Fußballs hat fast die gesamte Bevölkerung erreicht. Das wiederum lockt Medien und Sponsoren. Die Kommerzialisierung und die Popularität des Fußballs bringen indes auch Probleme mit sich: Der Fußball ist "attraktiv" geworden für Wettmanipulationen und Korruption; darüber hinaus wird er wieder zunehmend als öffentliche Bühne für Gewalt und Rassismus missbraucht. Ob er will oder nicht, der Fußball übernimmt in diesem Spannungsfeld eine wichtige soziale Funktion und Verantwortung. Fußball dominiert mit großem Abstand den professionellen Sport in Deutschland -das gilt für die Zahl der Aktiven wie auch passiv Interessierten, aber viel mehr noch gemessen an wirtschaftlichen Kennzahlen.
Fußball ist nach einer Untersuchung vom Hamburgischen WeltWirtschaftsInstitut gmeinnützige GmbH (HWWI) im Auftrag der HSH Nordbank heutzutage jedoch weit mehr: ein globales Phänomen mit vielfältigen sozialen und ökonomischen Dimensionen. Selbst die Europäische Kommission weist auf die wachsende gesellschaftliche, integrative und wirtschaftliche Bedeutung des Sports und insbesondere des Fußballs hin. Die „Lebenswelt Fußball“ zieht Menschen über Alters-, Geschlechter-, Einkommens- und Landesgrenzen hinweg in ihren Bann. Diese Begeisterung, die in Deutschland im Zuge der WM 2006 noch einen weiteren Schub bekommen hat, bildet die Grundlage für den Fußball als Markt und Geschäft, an dem zahlreiche Akteure in verschiedener Form partizipieren.
So ist Fußball mittlerweile von der schönsten Nebensache der Welt zu einem komplexen Business geworden. Zuschauer, Spieler, Vereine, Verbände, Sponsoren, Sportartikelhersteller und Medien beteiligen sich in aktiver oder passiver Form auf dem Fußballmarkt. Steigende Umsätze auf dem internationalen Transfermarkt, im Merchandising und Sponsoring ebenso wie in der Medienwirtschaft bei den TV- und Vermarktungsrechten sowie steigende Zuschauerzahlen im Fernsehen und in den Stadien dokumentieren die zunehmende wirtschaftliche Bedeutung des Fußballs. Die Bundesliga boomt wie nie zuvor. Allgemein weisen die steigenden Zuschauerzahlen in den deutschen Stadien innerhalb der letzten Jahre darauf hin, dass Fußball zu einem elementaren Bestandteil der so genannten Freizeitwirtschaft geworden ist.
Abbildung 1: Zusammenhänge Wirtschaftsfaktor Fußball
Quelle: HWWI, HSC Nordbank
Nicht zuletzt macht sich der Wirtschaftsfaktor Fußball auch fiskalisch bemerkbar, denn die Vereine zahlen hohe Steuerbeiträge. Allerdings profitiert die Bundesliga auch in besonderer Weise von öffentlich finanzierter Infrastruktur, etwa von der Zuwegung zu Stadien, dem öffentlichen Nahverkehr, Subventionen bei Stadionbauten oder Polizeieinsätzen an Spieltagen.
Gerade in strukturschwachen Regionen stellen Bundesligavereine oftmals einen wichtigen Wirtschaftsfaktor dar. Um zu verhindern, dass die positiven regionalwirtschaftlichen Effekte durch einen etwaigen Abstieg in Gefahr geraten, unterstützen Kommunen den ortsansässigen Verein oftmals auf vielfältige Weise, etwa durch Aufschub von Steuerschulden oder mithilfe von Subventionen bei Stadionneubauten.
Da eine andere Nutzung eines Fußballstadions als durch den regionalen Fußballclub ohnehin kaum möglich ist, stellt der kommunale Besitz des Stadions oft nur eine verdeckte Finanzhilfe für den Verein dar. In Europa befinden sich über die Hälfte der Stadien und Trainingsanlagen im kommunalen Besitz.
Solche staatlichen und kommunalen Hilfen stellen jedoch potenziell auch eine Wettbewerbsverzerrung dar. Vereine mit hoher regionaler Bedeutung antizipieren sogar einen möglichen bailout durch die Kommune und gehen stärker ins finanzielle Risiko. Und tatsächlich fangen die Kommunen in finanzielle Nöte geratene Vereine oftmals auf, was gerade in Zeiten überschuldeter Kommunen höchst umstritten ist
Wie komplex das Geschäft rund um den Fußball ist, zeigt die Vielzahl der Märkte, auf denen unterschiedliche Akteure agieren und mit verschiedenen Zielen und Strategien versuchen, an dem Milliardengeschäft „Fußball“ zu partizipieren. Jeder dieser Märkte weist dabei spezifische Strukturen, Denkweisen, Instrumente und Handlungsträger auf, die nicht nur das Ergebnis des jeweiligen Marktes sind, sondern auch die Funktionsweise des gesamten Marktgefüges bestimmen.
Zwischen den einzelnen Märkten bestehen jeweils charakteristische ökonomische Beziehungen, aus denen sich die jeweiligen Ziele und Strategien der handelnden Akteure ableiten lassen. Im Zentrum der ökonomischen Aktivitäten steht dabei der eigentliche Spiel- und Ligabetrieb, dessen Zuschauerresonanz die Grundlage für den wirtschaftlichen Erfolg aller mit dem Fußball verknüpften Akteure darstellt. Der Erfolg der Liga hängt davon ab, inwieweit es gelingt, sich in der Zuschauergunst gegen andere Freizeit- und Unterhaltungsangebote durchzusetzen.
Der wirtschaftliche Erfolg eines einzelnen Vereins wird dagegen maßgeblich durch seine regionale Verwurzelung, seine Tradition und vor allem durch seinen sportlichen Erfolg sichergestellt. Letzterer erhöht das Interesse von Zuschauern, Medien und nicht zuletzt der Sponsoren. Anbieter des Produkts „Fußball“ sind die Vereine und Verbände mit ihren Spielern, Trainern, Managern, Präsidenten und sonstigen Funktionären, die als „Inputfaktoren“ ihrerseits über verschiedene Märkte (Transfermärkte etc.) miteinander verbunden sind.
Das Umsatzwachstum im professionellen Fußball der vergangenen sechs Jahre ist nach einer Studie (Wachstumsmonitor Bundesliga. Die ökonomische Bedeutung des professionellen Fußballs in Deutschland –Ergebnisse 2015) von McKinsey nicht nur bemerkenswert hoch, sondern auch breitflächig. Die 50prozentige Steigerung wird getrieben vom Lizenzfußball, dem DFB-Pokal, der A-Nationalmannschaft der Herren und der DFL. Der Vereinsumsatz in der Bundesliga und der 2. Bundesliga ist jedoch der mit Abstand bedeutendste Indikator für Wertschöpfung im direkten Effekt. Das Vereinswachstum verteilt sich auf mehrere Bereiche, was über alle 36 Clubs der Bundesliga und der 2. Bundesliga. Jeder Euro Wertschöpfung bei den Clubs generiert 2,60 Euro bei anderen Systembeteiligten aus der deutschen Wirtschaft.
Die Umsätze aus Sponsoring wuchsen mit 56 Prozent am stärksten, Medienrechte verzeichnen ein Wachstum von 47 Prozent. Als dritter Bereich stiegen die Umsätze durch Ticketverkauf um 40 Prozent und das Merchandisinggeschäft um 52 Prozent. Hinzu kommt der Block „Sonstige“, der in den vergangenen sechs Jahren um 25 Prozent gewachsen ist. Unter dem Strich sind alle Umsatzfelder ausnahmslos gewachsen.
Der Fußball hat rund 40.000 neue Vollzeitstellen in Deutschland geschaffen -insgesamt ermöglicht das System Profifußball die Arbeit von mehr als 110.000 Vollzeitbeschäftigten. Wegen des hohen Anteils an teilzeitigen Beschäftigungen verteilen sich die rechnerischen Vollzeitstellen auf mehr als 165.000 Personen. Damit trägt der professionelle Fußball nicht nur erheblich zur Beschäftigung in Deutschland bei, sondern stellt auch eine hohe Anzahl gesellschaftlich wichtiger Teilzeitstellen bereit.
Weniger als 8 Prozent der Beschäftigungsverhältnisse entstehen nach Berechnungen von McKinsey direkt im professionellen Fußball, also in den Vereinen der Bundesliga und der 2. Bundesliga oder in der DFL selbst. Allerdings verfügt der Lizenzfußball über eine starke Multiplikatorfunktion durch die Konzentration indirekter und induzierter Umsätze in den zumeist personalintensiven Serviceindustrien.
So verdanken allein in der deutschen Gastronomie und Hotellerie über 17.000 vollzeitäquivalent Angestellte ihre Jobs dem professionellen Fußball -die höchste Zahl in einer Einzelbranche und jeder fünfzigste Beschäftigte der Branche. In der deutschen Werbeindustrie hängen über 4 Prozent aller Arbeitsplätze am Profifußball.
Tabelle 1: Wirtschaftskraft Profifußball in Deutschland
Quelle: McKinsey & Company, Inc....