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Wurde Amerika in der Antike entdeckt?

Karthager, Kelten und das Rätsel der Chachapoya

AutorHans Giffhorn
VerlagVerlag C.H.Beck
Erscheinungsjahr2014
Seitenanzahl288 Seiten
ISBN9783406664892
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis13,99 EUR
In den peruanischen Anden, in der kaum erforschten Region der rätselhaften, vor Jahrhunderten untergegangenen Chachapoya, stießen Abenteurer auf uralte steinerne Rundbauten und gewaltige Festungen, die nirgendwo in Amerika ihresgleichen finden - die aber bis ins Detail den zweitausend Jahre alten Ruinen von Bauwerken spanischer Kelten entsprechen. Zufall, könnte man meinen. Aber Hans Giffhorn entdeckte weitere Indizien, die für eine Herkunft der Chachapoya aus dem antiken keltisch-kathargischen Kulturraum sprechen: ähnliche Götterdarstellungen, fast identische Steinschleudern, die gleiche Technik der Schädelöffnung. Mehr noch: In uralten Mumien der Chachapoya konnte die aus der Alten Welt stammende Tuberkulose nachgewiesen werden, und neue genetische Untersuchungen ergaben Indizien für eine Verwandtschaft von Nachkommen der Chachapoya mit spanischen Kelten. Hans Giffhorn weist nach, dass es keltischen Kriegern durchaus möglich war, nach Peru zu gelangen, und er berichtet fesselnd von seiner akribischen Spurensuche am Amazonas und in den Anden, aber auch in Labors, Museen und Archiven. Sein bahnbrechendes Buch präsentiert erstmals das Ergebnis von vierzehn Jahren interdisziplinärer Forschung von Archäologen, Paläopathologen und Humangenetikern.

Hans Giffhorn ist Professor i. R. für Kulturwissenschaften an den Universitäten Göttingen und Hildesheim. Er verbindet seine Forschung mit der Produktion von Dokumentarfilmen, meist für ARD, ZDF und Arte, und unternahm dafür bisher rund fünfzig Reisen in alle Welt, darunter achtundzwanzig nach Südamerika.

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Leseprobe

RUNDBAUTEN UND ROTE HAARE


Wenn man vom Flughafen von Lima, der Hauptstadt Perus, eine Stunde nach Nordosten in das Städtchen Tarapoto fliegt, sich dort ein Taxi nimmt und immer nach Westen fährt, gelangt man an den Ostrand der Anden, durchkreuzt dann – auf einer erst vor wenigen Jahren fertiggestellten Straße – steile, zerklüftete und von undurchdringlichem Dschungel bedeckte Berge, passiert tiefe Schluchten und Steilhänge am Rand 1000 Meter tiefer Abgründe und muss nach rund zweiundzwanzig Stunden Fahrt (wenn man Glück hatte und nicht wieder ein Erdrutsch oder eine Überschwemmung die Straße blockierte) anhalten: Ein Schlagbaum versperrt den Weg. Aus einer winzigen Station kommt ein Polizist, notiert die Daten des Reisepasses in ein Buch (damit die Behörden im Notfall wissen, welche Botschaft sie benachrichtigen müssen) und öffnet den Schlagbaum. Wenn man dann auf der schmalen, vor einiger Zeit in den Steilhang gefrästen, Angst einflößenden Piste weiterfährt und schließlich, in gut 3000 Metern Höhe über dem Meeresspiegel, das Ende des Wegs erreicht hat (nach jetzt über fünfundzwanzig Stunden Fahrt, ja, das ist tatsächlich der schnellste und bequemste Weg), muss man nur noch einen Pfad zu einer Bergkuppe ersteigen und steht nach einer weiteren Stunde (keuchend, wegen der dünnen Luft) plötzlich vor einem riesigen Bauwerk: Kuelap, die gewaltigste Festung Amerikas.

Kuelap entstand fernab von allen anderen peruanischen Hochkulturen, nach neusten Schätzungen peruanischer Archäologen irgendwann zwischen 100 vor und 400 nach Christus. Das war lange, bevor es die Inka gab.

Eine wuchtige, über 1200 Meter lange, oft 8 Meter dicke und bis zu 20 Meter hohe Mauer aus teils tonnenschweren, sorgfältig bearbeiteten Steinblöcken umschließt 415 kreisrunde Wohnhäuser und viele andere Bauten wie innere Verteidigungstürme und Lagerräume. Die Baumasse der Anlage, so berechnete ihr Entdecker, übertrifft die der Cheopspyramide um das Dreifache.[1]

Das Innere der Festung erreicht man durch drei raffiniert konstruierte Eingänge: Je tiefer man in die Festung eindringt, desto mehr verengen sich die Eingänge. Schließlich bleibt nur noch Raum für eine einzelne Person – keine Chance für Eroberer (siehe dazu Abb. 10, S. 26).

2 Eingang in die Festung Kuelap

Die Wohnhäuser im Innern der Festung zeugen von hohen Ansprüchen an Hygiene und Komfort, sie besitzen zum Beispiel ein intelligent angelegtes Abwassersystem.

Nirgendwo sonst in der Neuen Welt findet man etwas Ähnliches. Die Festung ist viel gewaltiger und viel älter als die berühmte Inka-Stadt Machu Picchu. Wie es möglich war, in dieser Umgebung ein solches Bauwerk zu errichten, gegen wen die Festung schützen sollte und wer die Festung gebaut hat – all das weiß man nicht.

Das bekannteste und auffälligste Merkmal der Chachapoya-Kultur sind die Wohnhäuser dieses Volks. In den Wäldern und auf Bergkuppen der Region stießen Abenteurer und Forscher auf Tausende von Ruinen kreisrunder Steinhäuser. Andere Arten von Wohnhäusern fand man dort nie. Offenbar errichteten die Chachapoya alle ihre Wohnhäuser von den ersten Anfängen bis zum Ende ihrer Kultur nur in dieser Bauweise.

3 Wohnhäuser in Kuelap

Verblüfft erkannten die Archäologen, dass dies einzigartig ist: Von keiner anderen antiken Kultur der Region ist diese Bauweise bekannt.[2] Die Amazonasindianer zum Beispiel verwendeten nie Steine, nur Holz, Schilf, Palmenblätter und Lehm, und rechteckige und ovale Bauformen herrschten dort vor. Andenkulturen wie die Inka bauten ihre Wohnhäuser gewöhnlich rechteckig.

Und noch überraschender: Man kennt keinerlei Vorläuferkulturen, aus denen sich die Bauweise der Chachapoya entwickelt haben könnte, und auch im Chachapoya-Gebiet selber entdeckte man nirgendwo so etwas wie einfachere Vorformen der Bauweise der Rundbauten und der Festungen. Schon die ältesten Funde zeigten die hochentwickelte Baukunst, wie sie zum Beispiel in der Festung Kuelap zum Ausdruck kommt. Plötzlich war diese Kultur da – scheinbar wie aus dem Nichts! Bis heute sind die wenigen Archäologen, die sich mit den Rundbauten Nordostperus befassen, ratlos.

Auch bei keiner anderen antiken Hochkultur auf der Erde ist diese Bauweise üblich. Römer, Griechen, Karthager und Phönizier, aber auch die Germanen konstruierten ihre Wohnhäuser rechteckig. Lediglich im keltischen Kulturraum – zum Beispiel in Irland und Wales – stieß man häufiger auf Ruinen von Wohnhäusern, die eine gewisse Ähnlichkeit zu den Chachapoya-Rundbauten aufweisen.

Im Archäologischen Museum St. Fagan in Wales hatten die Archäologen keltische Wohnhäuser rekonstruiert. Und für die Verzierung eines der Häuser wählten sie Zickzacklinien. Seltsam: Auch die Chachapoya schmückten manche ihrer Häuser mit Zickzack-Ornamenten.

Offenbar schätzten die Kelten dieselben Muster wie die Chachapoya. So finden sich auf vielen keltischen Artefakten aus der Zeit vor rund zweitausend Jahren Ornamente, die zum Teil exakt den für die Chachapoya typischen Zickzack- und Rautenmustern entsprechen.

Aber wie hätten Chachapoya und Kelten vor über zweitausend Jahren miteinander in Kontakt kommen können? Das gesamte Amazonasgebiet und der Atlantik liegen zwischen den beiden Kulturen, fast 9000 Kilometer Luftlinie. Und selbst wenn Kelten in der Lage gewesen wären, das Chachapoya-Gebiet zu erreichen – aus welchem Grund hätten sie eine solche wahnwitzige Reise auf sich nehmen sollen?

4 Rund gebautes keltisches Haus aus Wales, der Eingang ist mit Zickzack-Ornamenten verziert.

5 Zickzack-Ornamente an Chachapoya-Bauten

Als die Inka im 15. Jahrhundert in die Berge Nordostperus vordrangen, trafen sie – so ihre Berichte[3] – auf ein ungewöhnliches Volk: wilde Krieger, größer und hellhäutiger als sie selber und ihre bis dahin härtesten Gegner. Die Inka nannten das geheimnisvolle Volk «Chachapoya», die «Nebelwaldkrieger» oder «Wolkenmenschen».[4] Wie sie wirklich hießen, weiß niemand.

Wie könnten die Vorfahren der Chachapoya ausgesehen haben? Einige ihrer Skelette und Mumien wurden vermessen, dabei stießen die Archäologen auf ein weiteres Rätsel: Unter diesen Menschen gab es manche, die zu Lebzeiten 1,80 Meter groß waren! Die Indianer sowohl der Anden als auch des Amazonasgebiets sind meist kleiner als 1,60 Meter.[5]

6 «Gringuitos»: Ungewöhnliche Menschen in abgelegenen Indianerdörfern

7 «Gringuitos»: Ungewöhnliche Menschen in abgelegenen Indianerdörfern

8 «Gringuitos»: Ungewöhnliche Menschen in abgelegenen Indianerdörfern

9 «Gringuitos»: Ungewöhnliche Menschen in abgelegenen Indianerdörfern

Vieles, was man bisher zu den Chachapoya entdeckt hat, passt nicht so recht zu Indianern. In Berichten und Artikeln zu diesem Volk wird immer wieder erwähnt, dass die Menschen weiß und manchmal blond seien – das sei den spanischen Konquistadoren aufgefallen.[6] Zwar ignorieren die meisten Fachleute solche Hinweise oder bestreiten ihre Relevanz, doch für die Tatsache, dass sich solche Berichte ausgerechnet in Bezug auf die Chachapoya häufen, findet sich nirgendwo in der wissenschaftlichen Literatur eine Erklärung.

In manchen abgelegenen, nur über haarsträubende Pisten erreichbaren, uralten Indianerdörfern dieser Region begegnet man seltsamen Menschen: mit roten und blonden Haaren, Sommersprossen und tiefbraunen Augen. Man nennt sie hier «Gringuitos», kleine Gringos, der Spitzname für Ausländer mit mittel- und nordeuropäischem Aussehen. Die Einheimischen betrachten die Gringuitos als Kuriosität, als eine seltsame Besonderheit des Chachapoya-Gebiets. Und niemand weiß, wie sie hierher gelangt sind.[7]

Der Anthropologe und Paläopathologe Michael Schultz von der Universität Göttingen – zuständig auch für Altamerikanistik – beschäftigte sich mit Fotos dieser Menschen. Sein erster Eindruck: «Die sehen aus, als wenn sie vor zweihundert Jahren aus Irland eingewandert wären.» Doch ihre Familien, so hört man in den Dörfern, hätten schon immer hier gelebt, schon vor der Ankunft der Konquistadoren.

Der Genetiker Manfred Kayser von der Erasmus-Universität in Rotterdam, Fachmann für die Zusammenhänge zwischen Aussehen, Herkunft und Vererbung, stellte zu Fotos der Gringuitos fest: «Das Aussehen dieser Menschen passt nicht gerade zu dem typischen Bild, das wir von den südamerikanischen Ureinwohnern oder den Nachfahren der spanischen Besiedlung haben. Natürlich würde man Menschen mit schwarzem Haar erwarten, aber diese Leute sind teilweise blond, teilweise rothaarig. Auch treten in Europa gewöhnlich rote Haare und Sommersprossen zusammen mit blauen oder grünen Augen auf, hier jedoch mit braunen Augen. Wenn man bedenkt, dass das Menschen sind, die in Peru leben und als amerikanische Ureinwohner angesehen...

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