1 Wege aus der Krise
Habe ich eine emotionale Krise, eine depressive Verstimmung oder leide ich unter einer echten Depression? Was kann ich selbst dagegen tun? Oder sollte ich mir besser professionelle Hilfe suchen? Hier findest Du Antworten auf die wichtigsten Fragen.
Die Schulmedizin klassifiziert eine Depression in verschiedene Schweregrade und geht davon aus, dass es immer einen seelischen Ursprung gibt (z. B. ein Erlebnis oder ein Trauma aus der Vergangenheit), warum ein Mensch unter depressiven Verstimmungen leidet. Meiner Meinung nach ist es immer der richtige Weg, sich professionelle Hilfe zu suchen, wenn die Seele leidet. Wenn wir eine gute Verbindung zu uns selbst haben, fühlen wir es recht deutlich, wie schwerwiegend die aktuelle Gefühlslage uns beeinträchtigt und eventuell lahmlegt.
Spätestens wenn die Erschöpfung oder die Traurigkeit beginnt, das ganze Leben zu bestimmen, ist es sehr ratsam, sich Hilfe zu suchen. Dann kann dieses Buch als Begleiter dienen. Leider sind die Themen »Depression« und »Burnout« immer noch Tabuthemen. Viele Menschen, die betroffen sind, fühlen sich als Versager und verstecken sich hinter einer Fassade. In unserer Leistungsgesellschaft ist es einfach nicht schick, ausgebrannt zu sein oder gar depressive Verstimmungen zu haben. Aber: Wenn wir körperlich krank sind, gehen wir zum Hausarzt. Warum sollten wir dann nicht zu einem Spezialisten gehen, wenn wir mit der aktuellen Gefühlslage allein nicht mehr zurechtkommen? Genauso wie der Körper kann auch die Seele erkranken – oft ist auch das eine an das andere gekoppelt – und eine Depression kann noch tiefer schmerzen als ein körperliches Leiden.
Wenn Du das Gefühl hast, dass gerade alles auseinanderzufallen scheint: Bleibe ganz ruhig. Es sortiert sich nur neu.
Eine kurzzeitige emotionale Krise zeichnet sich dadurch aus, dass man nach wie vor in der Lage ist, seinen Alltag gut zu bewältigen, denn die Gefühle kommen und gehen in Wellen. Der Alltag färbt sich nicht komplett schwarz. Dann zwingen uns ein paar Tage unter der dunklen Wolke nicht in die Knie und die Verstimmung vergeht oft genauso schnell, wie sie gekommen ist. Für diese kurzen Perioden ist dieses Buch als Begleiter gedacht, um auch an dunklen Tagen wieder einen Sonnenstrahl am Horizont wahrzunehmen. Es kann auch ein Begleiter sein, um nach einer schweren Krise wieder mehr und mehr auf die Beine zu kommen. Es soll jeder Leserin und jedem Leser helfen zu akzeptieren, dass diese Gefühle zum Leben dazugehören und nichts Verwerfliches sind. Wir können lernen, gut mit ihnen umzugehen, sodass sich unser innerer Raum wieder verändert und es wieder hell in uns wird.
1.1 Wieso leidet meine Seele?
Anhand meines Weges durch die depressive Zeit und die Phase der tiefen Erschöpfung habe ich durch viele Gespräche mit Betroffenen, Therapeuten, Weggefährten, Freunden, Schülern und Bekannten wahrgenommen, dass sehr viele Menschen hiermit schon in Kontakt kamen und immer wieder kommen. Allerdings gibt es unterschiedliche Ursachen und Facetten.
Manchmal spricht die Seele auf diesem Weg zu uns, um uns aufzuzeigen, dass in unserem Leben etwas in die falsche Richtung läuft: Wir sind mit dem aktuellen Lebensweg nicht zufrieden und glücklich und leben gegen unser Dharma (Bestimmung) – oder bürden uns schlicht zu viel auf.
Hier gilt es vor allem, bedingungslos ehrlich mit sich selbst zu sein und eine Bestandsaufnahme zu machen: Bin ich aktuell – so wie es jetzt ist – mit allen Bereichen meines Lebens (Beruf, Beziehungen, Familie, Gesundheit, soziales Netz, Lebensort usw.) zufrieden? Oder gibt es einen Bereich, der mir Kummer bereitet? Wo ruft meine Seele eventuell nach Veränderung? Wenn gewisse Dinge derzeit aus dem Ruder laufen, es im Job nicht mehr rundläuft, ein Verlust oder eine Trennung uns traurig macht, ist es vollkommen normal und durchaus gesund, dass die Seele auf diese Art und Weise zu uns spricht.
Wie in meinem Fall können Ereignisse und Traumata aus der Kindheit (oder noch weiter zurückliegende Erfahrungen aus einem vorherigen Leben) von jetzt auf gleich auf der Seelenebene wieder sehr präsent werden, weil sie angetriggert durch eine ähnliche, bereits gemachte Erfahrung nach Heilung rufen. Oft sind diese Erlebnisse in den tiefsten Kammern unseres Unterbewusstseins gespeichert und uns ohne Techniken wie Trance und Rückführungen nicht zugänglich.
Auch sehe ich im Erfahren der depressiven Energien eine große Lernaufgabe und einen immensen Erfahrungsschatz. In der Yogaphilosophie wie auch im Buddhismus wird davon ausgegangen, dass es das vorrangige Ziel jeder Seele ist, durch verschiedene Inkarnationen unterschiedliche Erfahrungen aller Art zu machen. Die Seele möchte reifen, erfahren, wachsen, sich entdecken. Da unsere Welt auf dem Prinzip der Dualität aufgebaut ist (z. B. hell/dunkel, Tag/Nacht, warm/kalt, männlich/weiblich usw.), kann die Seele nur durch das Erfahren beider Pole verstehen und wahrnehmen, sich weiterentwickeln und dadurch Ganzheit erfahren. Wenn unsere Seele z. B. nur die Freude kennenlernt, wird sie diese nie als solche erfahren können, ohne auch die Kehrseite dieses Gefühlsspektrums erlebt zu haben.
Die buddhistische Lehre besagt, dass wir mit einem gewissen Vorhaben, mit einem Plan in dieses Leben gekommen sind (Dharma). Und vielleicht ist es auch in unserem Lebensplan verankert zu lernen, wie wir mit destruktiven Gefühlen umgehen können. Manchen Begebenheiten können wir uns nicht entziehen, weil sie einfach passieren. Ob vorherbestimmt oder nicht: Wichtig ist, aus diesen Lebensabschnitten das Beste zu machen, hierdurch zu wachsen und emotional zu reifen. Denn eins ist gewiss: Alles geht vorbei! Unsere Welt ist dem Prinzip der Vergänglichkeit untergeordnet. Dieser Satz hat mir in schwersten Zeiten immer wieder Kraft gegeben:
Es geht alles vorbei! Es kommen auch wieder Tage und Zeiten auf der Sonnenseite.
Ich habe Menschen kennengelernt, die immer wieder auch zu destruktiven Energien und Strukturen neigen, ohne ein Trauma im Nacken zu haben. Oft sind dies Menschen, die zu einem sehr intensiven Gefühlsleben neigen, ohne hierbei psychosomatische Störungen aufzuweisen. Sie kennen die dunklen Tage genauso wie sehr kraftvolle Hochs. Tage und Wochen in der totalen Anbindung an die universelle Lebenskraft, Glückseligkeit und Freude, ohne dass es einen wirklichen Grund im Außen gibt. Aber genauso kennen sie auch Phasen, wo sich alles eng, dicht, traurig und trüb anfühlt, und auch dies geschieht ohne nennenswerten Auslöser. Dies sind Menschen, die von klein auf ihre Umwelt sehr intensiv wahrnehmen und eine sehr lebhafte und intensive Gefühlswelt ihr eigen nennen.
Diese Strukturen kenne ich auch von meinem eigenen Gefühlsleben. Wenn ich es schaffe, meine Techniken zur Seelenbalance (Meditation, Achtsamkeitsübungen, Yoga usw.) regelmäßig zu praktizieren, gelingt es mir, konstant auf der Sonnenseite des Lebens zu sein und alltägliche Freude zu empfinden.
1.2 Überprüfe Deine innere Einstellung
Jammern und Klagen tut manchmal richtig gut. Es gibt uns die Möglichkeit, all unseren Kummer und Frust zum Ausdruck zu bringen und die Verantwortung für alles, was geschieht, auf die Außenwelt abzuwälzen. Alle anderen sind schuld, dass es mir schlecht geht! Mein Expartner ist schuld. Hätte er mich nicht verlassen, wäre jetzt noch alles schön. Mein Chef ist schuld. Würde er mir nicht so einen Druck machen, wäre mein Leben in Ordnung. Meine Eltern sind schuld. Hätte ich eine bessere Kindheit gehabt, wäre ich jetzt ein besserer Mensch. Und überhaupt: Gott und das Leben sind schuld daran, dass es mir so scheiße geht! Kurz gesagt: Wenn ich dies oder jenes nicht erlebt hätte, wäre jetzt alles anders, besser und meine Welt in Ordnung. Und dann jammern und lamentieren wir, denn schließlich liegt das ganze Leid der Welt in Momenten, in denen es uns schlecht geht, schwer auf unseren Schultern.
Nur: Bringt uns das weiter? Macht es die Umstände besser? Kommt mein Expartner zu mir zurück, wenn ich lange genug jammere? Verändert sich mein Chef zu einem guten Vorgesetzten, wenn ich ihn nur lange genug gedanklich beschimpfe und verurteile? Verändert sich meine Kindheit ins Positive, wenn ich immer wieder meinen Eltern die Schuld an allem gebe? Reißt Gott auf einmal den Himmel auf und schenkt mir seinen Segen und alles Glück der Welt, wenn ich tagtäglich über Wochen und Monate hinweg die Schuld im Außen suche?
Das Gegenteil tritt ein. Jammern und Klagen lässt uns auf Dauer noch tiefer in unseren Schmerz hineinsinken, lässt die Welt noch trister und dunkler erscheinen. Wir haben – egal was im Außen ist – immer die Wahl, aus welcher Sichtweise wir die Dinge betrachten. Ist mein Glas grundsätzlich halb leer oder halb voll? Ich kann jeden Tag aufs Neue die Entscheidung treffen: Entscheide ich mich für die Sonnen- oder die Schattenseite? Sobald wir anfangen, eine emotionale Krise auch als Chance zum Wachsen und Heilen zu sehen, verändert sich unsere Betrachtungsweise schlagartig.
Die Yogaphilosophie basiert auf dem Glauben, dass wir unsterbliche, göttliche Wesen sind. Unsere Seele unterliegt dem Kreislauf der Wiedergeburt und unser Denken und Handeln sind mit den Kräften von Karma, dem Ursache-Wirkungs-Prinzip, vernetzt. Im Ursprung geht man davon aus, dass die Seele auf der Erde inkarniert, um alle möglichen Erfahrungen zu machen. Was kann ich Seele als Mensch (oder Tier) alles erleben? Von außen betrachtet...